Bauwerk

Restaurant Bastei
Wilhelm Riphahn - Köln (D) - 1923
Restaurant Bastei, Foto: Hubertus Adam
Restaurant Bastei, Foto: Hubertus Adam
Restaurant Bastei, Foto: Hubertus Adam
Restaurant Bastei, Foto: Hubertus Adam

Schau-Haus über dem Fluss

4. Juli 1997 - Hubertus Adam
In den späten zwanziger Jahren hielt sich Joachim Ringelnatz mehrfach in Köln auf. Der nächtliche Besuch in einem wenige Jahre zuvor eröffneten Restaurant am Rheinufer fand seinen Reflex in einem Gedicht mit dem Titel «Köln von der Bastei aus gesehen», das mit den Versen endet: «Ich wünsche: Es möchte sich die Bastei / Jetzt karussellartig drehen.»

Ein historisches Foto macht die Impressionen des Dichters anschaulich. Es zeigt ein weit ausladendes rundes Gebäude mit spitzem Zeltdach in der Mitte; dem eigentlichen Gastraum vorgelagert ist eine umlaufende, von einem fächerförmigen Flachdach überdeckte Terrasse mit einer gläsernen Brüstung.
Erleuchteter Innenraum und helle Fenster («Wie Perlenreihen und Geschmeid / Lichtern die Ufer am Rheine») stehen im Kontrast zum Dunkel des Gebäudes, um das herum der Nachthimmel wie ein Nimbus glänzt. Im Hintergrund erscheint die Silhouette des linksrheinischen Ufers: Zwar ist der Dom verdeckt, doch lassen sich die Hohenzollernbrücke und der Turm von Gross St. Martin deutlich erkennen.

Wilhelm Riphahn (1889-1963) war noch ein unbekannter Architekt, als er sich Anfang der zwanziger Jahre überlegte, einen direkt am Fluss gelegenen, nutzlos gewordenen Sperrturm des preussischen Befestigungsgürtels, die sogenannte Caponniere, zu einer Gaststätte umzubauen. In Köln geboren und an der dortigen Baugewerkschule ausgebildet, hatte er sich nach einigen Praktika - so bei den Brüdern Taut sowie dem Dresdner Stadtbaurat Hans Erlwein - 1913 selbständig gemacht. Zunächst waren hauptsächlich Privatleute die Auftraggeber, wobei Riphahns Vater, ein Bauunternehmer, bei der Vermittlung half. Zurückhaltende neobarocke Formen prägen die Wohnbauten: Der junge Architekt rüttelte am Korsett des Konventionellen, gesprengt aber hat er es nicht.

Mit der 1923/24 errichteten Bastei jedoch gelang ihm stilistisch und beruflich der Durchbruch. Riphahn etablierte sich als dezidierter Verfechter des Neuen Bauens, und sein Ruf als Planer funktionalistisch bestimmter Grosssiedlungen festigte sich. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sein bedeutendstes Projekt der Neubau des Kölner Opernhauses (1954-57).

Für den Plan, auf der Caponniere «ein supermodernes Restaurant» zu bauen, gewann Riphahn Adolf G. Worringer, den Direktor des Zoo-Restaurants und Bruder des Kunsthistorikers Wilhelm Worringer, welcher mit seiner 1907 publizierten Dissertation «Abstraktion und Einfühlung» eine einflussreiche Programmschrift der expressionistischen Epoche verfasst hatte. Zunächst war das Restaurantprojekt in der Öffentlichkeit umstritten; die Uferzone war sensibel, und man befürchtete vor allem eine Beeinträchtigung des Blicks zum Dom. Erst nachdem ein Modell im Massstab 1:1 am vorgesehenen Standort errichtet worden war, beruhigte man sich. Die Architekturkritik äusserte sich unisono begeistert nach der Fertigstellung des Bauwerks, das sich - so Heinrich de Fries 1926 - mit der Landschaft, dem Strom und den Brücken vermähle, «fast völlig befreit scheinbar von der Basis, aus der es doch entwachsen ist».

Durch Aushöhlung der meterdicken Mauern des Turms hatte Riphahn in drei Geschossen Platz für Weinkeller, Vorratsräume, Büros und Toiletten geschaffen, zudem für ein doppelläufiges Treppenhaus über kreisförmigem Grundriss. Damit konnte das Hauptgeschoss - die Restaurantebene - von sekundären Funktionen befreit werden (abgesehen von der Küche, die sich in einem rechteckigen, zur Strasse hin orientierten Vorbau befindet).

Radial angeordnete Stahlträger, aus der Untersicht von der Uferpromenade aus deutlich erkennbar, stützen die Restaurantplattform. Das Zentrum des Gastraums bildet eine auf Pfeilern ruhende zeltartige Gewölbestruktur, die aussen als verschieferte Spitze sichtbar ist. Die Pfeilerstellung des Inneren war umgeben von einem halbkreisförmigen Sitzbereich, dieser wiederum von der Terrasse. Des starken Windes wegen musste die Terrasse relativ bald nach der Eröffnung geschlossen werden; Riphahn liess die Glasbrüstung entfernen und durch prismatisch angeordnete Glasscheiben ersetzen. 1958 rekonstruierte der Architekt sein im Zweiten Weltkrieg ausgebranntes Werk so, dass die Bastei auch heute noch einen vergleichsweise authentischen Eindruck von ihrem früheren Zustand vermittelt. Bedauerlich indes die veränderte Farbgebung im Inneren: Anstelle eines elfenbeinfarbenen Tons ist das zentrale Gewölbe in einem tiefen Blau gehalten, das die Plastizität der Raumstruktur kaum zur Geltung kommen lässt.

In den Zackenformen der Details und hinsichtlich der Verwendung von Glas ist Riphahns Restaurantpavillon deutlich von den Formprinzipien des expressionistischen Bauens beeinflusst. Vis-à-vis, auf dem rechten Rheinufer, hatte Bruno Taut 1914 anlässlich der Werkbundausstellung sein Glashaus errichtet, eine von den ekstatisch-utopischen Dichtungen Paul Scheerbarts beeinflusste Inkunabel des architektonischen Expressionismus - und hatte damit einen simplen Ausstellungspavillon der Glasindustrie nachgerade als mystischen Kultbau entworfen.

Taut war es auch, der 1920 im zweiten Heft der von ihm herausgegebenen Zeitschrift «Frühlicht» den Entwurf eines (allerdings nie realisierten) drehbaren Hauses an der Kurischen Nehrung veröffentlicht hatte. Grundriss und Gewölbebildung von Riphahns Projekt sind Tauts Skizzen so nah verwandt, dass die Ähnlichkeit kaum zufällig ist. Selbst die Form der nachträglichen Aussenverglasung findet sich in den im «Frühlicht» publizierten Zeichnungen. Intuitiv traf Ringelnatz mit seiner Vorstellung, die Bastei müsse sich drehen können, die Idee des Taut-Entwurfs, den Riphahn offenkundig adaptiert hatte.

Vergleicht man indes beide Projekte näher, so zeigt Riphahns Restaurant eine Tendenz zur Versachlichung und Verknappung der Form. Glas fungiert hier nicht in eingefärbter Form als gleichsam metaphysischer Baustoff, sondern dient schlicht dazu, Wandanteile zu reduzieren und freien Ausblick auf Dom, Stadt und Fluss zu bieten. Die Gestaltung der Decke entspricht ihrem Konstruktionsprinzip; expressionistische Elemente sind nicht zum modischen kulissenähnlichen Applikationsdesign aus Rabitz verkommen, das manche zeitgenössischen Bars und Amüsierbetriebe aufwiesen, etwa das von Walter Würzbach und Rudolf Belling eingerichtete Tanzcasino Scala (1920) in Berlin.

So ist ein Werk entstanden, das an der Schwelle zwischen Expressionismus und Funktionalismus steht. Sein besonderer Reiz liegt in der gelungenen Kombination von neu und alt; dass ein funktionsloser Militärbau, Relikt einer überwundenen Epoche, einer zivilen Nutzung zugeführt wurde, mag entfernt das Aufbruchspathos einer jungen Generation spiegeln. Die erträumte Gemeinschaft aber versammelte sich nicht in phantastisch-expressionistischen Gemeinschaftshäusern und Kultbauten, sondern amüsierte sich in den zwanziger Jahren unter den Sternengewölben von Bars, Tanzlokalen und Gaststätten.

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Adolf G. Worringer