Bauwerk

Höss-Halle
RIEPL RIEPL ARCHITEKTEN - Hinterstoder (A) - 2002
Höss-Halle, Foto: Josef Pausch
Höss-Halle, Foto: Josef Pausch

Brandwiderstand als Kriterium für die Materialwahl

15. März 2004 - Romana Ring
Ein Kriterium für die Wahl des Konstruktionsmaterials Holz könnte allerdings überraschend wirken: der seitens der Behörde geforderte Brandwiderstand der tragenden Teile von F30 war mit Holz anstelle des Stahls ganz problemlos zu erzielen. Dies, obwohl dem Holz als unleugbar brennbarem Material ein gewisser Nimbus anhaftet, der bis vor kurzem noch seinen Niederschlag beispielsweise in den Bauordnungen gefunden hat. Doch das Aufgehen ganzer – aus Holz gebauter – Städte in Flammen gehört einer weit zurückliegenden Vergangenheit an und Bauweise sowie damit einhergehend auch Bauordnungen sind mittlerweile so weit modernisiert, dass sie mehrgeschossigen konstruktiven Holzbauten nicht mehr entgegen stehen. Tatsächlich ist ein Holzbau im Vergleich zu einem aus unbrennbarem Material errichteten Gebäude für die Sicherheit der Nutzer kein Nachteil. Was in den ersten dreißig Minuten brennt, ist hier wie dort die Einrichtung. Die Tragfähigkeit einer Holzkonstruktion im Brandfall über einen festgelegten Zeitraum sicher zu stellen, ist lediglich eine Frage der Bemessung des Tragwerks.

Jenes der Höss-Halle ist relativ komplex. Die Offenheit des Erdgeschosses bedingt, dass in dieser Ebene keine Wandscheiben zur Ableitung der Horizontalkräfte zur Verfügung stehen. Die vergleichsweise schmalen, von großzügigen Glasflächen flankierten Teile, wurden daher als Holzelemente ausgebildet, die in der massiven Decke des Untergeschosses eingespannt und in die geschlossenen Wandscheiben des Obergeschosses eingebunden sind. In der Ebene der Decke über dem Erdgeschoss und des Daches übernehmen horizontale OSB-Scheiben die Queraussteifung. Ein kombiniertes räumliches Tragwerk aus Brettschichtholzträgern, Stützen und an den auskragenden Brettschichtholzträgern hängenden Wandscheiben nimmt die hohen Schneelasten sowie die Nutzlasten eines Veranstaltungsgebäudes auf und ermöglicht die Auskragungen des Obergeschosses. So wurden fünf Meter hohe und bis zu siebzehn Meter lange Wandelemente vorgefertigt, um die auskragende Ostecke statisch zu ermöglichen. Ein Kabelbrand in der Heizung der Dachabläufe hat übrigens am Tag vor der Eröffnung noch zu einem Zwischenfall geführt. Ein Gemeindeangestellter fuhr jedoch kurzer Hand mit dem Bagger in den Saal und konnte den Brandherd so mit der auf die Schaufel des Fahrzeugs gestellten Leiter erreichen und löschen.

Eine wesentliche Frage im Zusammenhang des Brandschutzes ist natürlich jene nach der raschen Räumung des Gebäudes im Brandfall. Der positive Beitrag, den bereits der Entwurf der Höss-Halle hier leistet, ist das Fluchtwegkonzept und die damit verbundene Konzeption der Anlage als offene Kommunikationsplattform und als gebauter Weg in einem Umfeld, das sich bisher hauptsächlich auf die lineare Struktur der Dorfstraße beschränkt hatte. Die Höss-Halle erweitert den Raum gegenüber der Kirche zu einem Platz, der zu einem Teil von der erwähnten Auskragung des Obergeschosses beschirmt wird und das weitgehend in Glas aufgelöste Erdgeschoss der Halle einbezieht. Dies gelingt mit dem Auslegen einer breiten Brücke, die den flankierenden Geländeabfall überspannt. Das massive Untergeschoss der Halle – es birgt die Infrastruktur des Hauses, zu der auch eine großzügig angelegte Küche gehört – macht sich diese Geländekante zunutze, indem die Lagerräume direkt von der unteren Ebene beliefert werden können. Diese Ebene ist vorwiegend den Parkplätzen vorbehalten. Sie wird aber auch von älteren, dem Vereinsleben Hinterstoders gewidmeten Gebäuden gesäumt, sodass die Nutzung des unteren Platzes für Veranstaltungen denkbar ist.

Eine behindertengerechte Rampe verbindet, vor dem Eingang in das Foyer der Halle ihren Ausgang nehmend, den oberen mit dem unteren Platz. Von dort führt auch – ebenso wie die Rampe in das klare Volumen des mit Holz verkleideten Körpers eingeschnitten – eine Stiege den Besucher in den ersten Stock. Am Ende des Aufgangs, vor dem eigentlichen Eintritt in das Obergeschoss, das den Veranstaltungssaal um eine auch separat gut funktionierende Galerie erweitert, ist ein Fenster angeordnet. Der praktische Nutzen des getrennten Zugangs in das Obergeschoss, der auch die Fluchtstiege stellt, wird auf diese Weise um die nicht weniger wertvolle Komponente des gerahmten Blicks in die Landschaft bereichert. Hier wie auch im Bereich der dem Kirchenplatz zugewandten Terrasse wird der Stellenwert sichtbar gemacht, den das Zusammenspiel von Gebäude, Ort und Landschaft für eine Fremdenverkehrsgemeinde wie Hinterstoder unweigerlich hat. Die großzügige Verschränkung von Gebäude und Außenraum wiederum macht sich in einem Haus der kurzen und vor allem logisch geführten Wege durch den geringen Aufwand bezahlt, den die Sicherheit seiner Nutzer erfordert.

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Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Kurt Zweifelzweifel[at]proholz.at