Bauwerk

Wohnhaus
atelier 4 - Felixdorf (A)
Wohnhaus, Foto: Gerhard Trumler

Modellversuch im Sonnenbad

Sonnenkollektoren, optimale Gebäudehüllen, intelligente Haustechnik: Ökologisches Bauen senkt den Energieverbrauch um bis zu 75 Prozent. Für ein Wohnhaus in Felixdorf, Niederösterreich, entwickelte Atelier 4 ein maßgeschneidertes Konzept.

8. März 1997 - Liesbeth Waechter-Böhm
Ob Sonnenkollektoren auf dem Dach zur visuellen Verbesserung unserer Umwelt beitragen, darüber kann man durchaus streiten. Die Vision einer Stadtlandschaft, deren fünfte Fassade von diesen silbrig schimmernden Gerätschaften besetzt ist, kann jedenfalls nicht wirklich reizen. Aber im niederösterreichischen Felixdorf hält man den leicht technoiden Touch dieser Dachszenerie aus, da wirkt sie sogar erfrischend.

Es ist nur ein kleines Wohnhaus mit 37 Wohnungen, das dem Bauträger, der Wien-Süd, und seinen Architekten, dem Atelier 4 - das sind Peter Scheufler, Zachari Vesselinov, Manfred Hirschler und Peter Erblich - , den Versuch wert war, ein ausgefeiltes Energiekonzept umzusetzen. Wobei die Bezeichnung „Versuch“ eigentlich in die Irre führt, denn ausprobiert wurde hier nichts, ganz im Gegenteil: Man hält sich sogar ausdrücklich etwas darauf zugute, daß es eben kein Pilotprojekt, sondern ein Wohnhaus ist, bei dem ausschließlich bewährte Technologien eingesetzt wurden, aber mit dem eindeutigen Ziel der Energiekostensenkung.

Fangen wir trotzdem mit der Architektur an: Das Solar-Energiesparhaus des Atelier 4 gibt sich zwar nicht ländlich, wie das in Felixdorf vielleicht naheliegend wäre, sondern tritt mit einer gewissen städtischen Noblesse auf, aber Geschoßwohnungsbau ist nun einmal keine sehr dörfliche Wohnform, und wenn dann die Adresse noch dazu Fabriksgasse heißt . . .

Die leuchtendweißen, sehr kompakten dreigeschoßigen Baukörper setzen jedenfalls ein unübersehbares Signal. Eine gelbe Mauerscheibe mag für manche als der allzu buchstäbliche Hinweis auf das Energiekonzept lesbar sein, weniger mißtrauischen Zeitgenossen erscheint sie wahrscheinlich nur als freundlicher und durchaus angenehmer Farbakzent. Auf den ersten Blick auffallend: der ziemlich verschwenderische Einsatz von Glas und die geringe Trakttiefe.

Letztere kommt einer Reverenz der Architekten vor den baulichen Gegebenheiten des Ortes gleich. Sie fügen sich maßstäblich ins Umfeld ein, aber ohne gleich ihre Architektenhaut zu Markte zu tragen: Jede weitere Anpassung haben sie sich glücklicherweise versagt.

Das Konzept dieses Energiesparhauses ist einleuchtend einfach. Zwei versetzte schmale Baukörper mit West-Ost-Orientierung sind jeweils über eine gemeinsame Stiegenhaushalle in der Mitte erschlossen. Diese Halle ist ein wichtiges architektonisches Element, denn durch die großzügige Verglasung herrschen drinnen wunderbare Lichtverhältnisse, und der Gang zur Wohnung wird zum differenzierten räumlichen Ereignis: Erst geht es durch das transparente Stiegenhaus, dann über einen verglasten Laubengang, und erst danach tritt man in den geschlossenen „Mauerwerksteil“ ein, in die eigene, individuelle Wohnzelle. Der Hinweis auf die Beschaffenheit des Weges zur Wohnung ist sicher keine Neuigkeit. Und doch muß man die Bedeutung solcher kleinen Maßnahmen gerade im Geschoßwohnungsbau immer wieder betonen: Denn der Spielraum für „Halböffentlichkeit“, für Kommunikation und Begegnung ist in unseren Wohnhäusern ohnehin sehr klein. Eine architektonische Geste, die diese unvermeidliche Minimalisierung des Gemeinschaftsbereiches wieder relativiert, hat deshalb besonderen Wert. Und obendrein könnte man diese verglasten Elemente mit Fug und Recht auch schon dem Energiemaßnahmen-Paket zuschlagen, weil sie als Zusatzschicht und Pufferzone fungieren.

Die Architekten haben bei der Planung dieser Wohnanlage nicht auf die Solarzellen allein gesetzt, sie haben auch auf die Kompaktheit der Baukörper geachtet und darauf, daß nicht gerade nach Norden die größten Glasflächen oder auch nur Fassadenteile orientiert sind. Außerdem wurde bei der Gebäudehülle auf die Wärmedämmung größter Wert gelegt, ebenso auf die Nutzung der passiven Sonnenenergie.

Aber was bringen nun die Sonnenkollektoren? Insgesamt wurden 236 Quadratmeter davon installiert, und sie sollen immerhin soviel Energie liefern, daß mehr als die Hälfte, nämlich 65 Prozent, des Energieverbrauchs für das Warmwasser damit abgedeckt werden kann und überdies auch noch ein fünf- bis zehnprozentiger Grundlastenanteil der Heizenergie.

Weitere „umweltfreundliche“ Maßnahmen: Über Wärmerückgewinnung wird die Energie aus den Abgasen des Heizkessels genützt; das Regenwasser wird über Sickerschächte dem Grundwasser zugeführt, es kommt also nicht ins Kanalnetz; und bei den WC-Spülungen wird Trinkwasser eingespart. Zitat aus einer kleinen Broschüre der Architekten: „Ökologischer Wohnbau kann geringfügig höhere Herstellungskosten (bessere Wärmedämmung und Verglasung, haustechnische Maßnahmen, Sonnenkollektoren et cetera) verursachen, ermöglicht aber niedrigere Gesamtwohnkosten als ein ähnlicher Standardwohnbau ohne energiesparende Maßnahmen.“

Das angeführte Zahlenmaterial läßt den Schluß zu, daß hier eine spürbare Senkung der Energie- beziehungsweise generell der Betriebskosten für den einzelnen Mieter erreicht wurde, wiewohl die Baukosten um rund 1,2 Millionen Schilling höher als im herkömmlichen Wohnhausbau sind ( Preis pro Quadratmeter: 16.843 Schilling).

Insofern ist also nichts gegen das Solar-Energiesparhaus einzuwenden. Und die Zeiten, als Architekten solche Wohnhäuser gebaut haben und dabei nichts als die Energiefrage im Sinn hatten, sodaß die Architektur auf der Strecke blieb, die sind ja heute vorbei.

Wenn bei solchen Bauten dennoch Fragen offenbleiben, dann bestimmt nicht auf der Ebene der Kostenersparnis, sondern bei der behaupteten Umweltverträglichkeit, der Ökologie. Denn es ist zwar gut und schön, wenn das Regenwasser versickert, aber - um es ganz simpel zu argumentieren - eine echte Hochrechnung, wieviel Material und wieviel Energie bei der Herstellung der Sonnenkollektoren verbraucht wird und wieviel sie kosten, um dann dem privaten Haushalt die Energiekosten zu senken, sollte man wohl besser nicht versuchen. Da würde eine Kosten-Nutzen-Rechnung vielleicht ganz schnell obsolet.

Gegen das Solar-Energiesparhaus des Atelier 4 ist dabei sicher nichts zu sagen: Es ist ein Haus, das seinen Bewohnern angenehme, intelligent organisierte Grundrisse bietet: mit einer zentralen Naßeinheit, flexiblen Individualräumen und einem großzügigen Wohnbereich, zu dem auch die Küche orientiert ist. Es ist in Formen- und Materialsprache ein schlichtes, aber nobles und, was seine Maßstäblichkeit betrifft, vorstädtisches Wohnhaus.

Und bei seiner Planung wurden gewisse Grundsätze beachtet, die man auch jedem Wohnhaus wünschen würde, das nicht unter dem Titel „Energiesparhaus“ errichtet wird: daß das Haus gut wärmegedämmt ist, daß das Regenwasser versickert, daß die passive Sonnenenergie genutzt wird und sich das Haus nach Norden eher verschließt.

Ob die doch recht aufwendige Installation von Sonnenkollektoren über den Modellversuch hinaus eine Zukunftsperspektive hat, ist aufgrund der bescheidenen Größenordnung des Felixdorfer Projekts nicht zu entscheiden. Aber die Entwicklung geht weiter: Die Vorarlberger Architekten Carlo Baumschlager und Dietmar Eberle etwa haben erst kürzlich in Wien ein Projekt vorgestellt, das sie in Innsbruck realisieren werden. Dabei handelt es sich um 600 Wohnungen, die ebenfalls unter dem Titel besonderer Ökonomie und Ökologie geplant werden, mit Sonnen- und Erdwärmekollektoren, Gründächern, einer optimierten Gebäudehülle, intelligenter Haustechnik - und einem um 75 Prozent geringeren Energieverbrauch (bei einem Netto-Quadratmeterpreis unter 16.000 Schilling).

Und das Atelier 4 selbst durfte seine Felixdorfer Erfahrungen ja nun auch im größeren Rahmen in Wien einbringen: bei der sogenannten Sun-City an der Donaufelder Straße: Bei dieser Wohnanlage hat das Atelier 4 das städtebauliche Leitprojekt für immerhin 700 Wohnungen entwickelt und auch selbst einen Teil davon (rund 100 Wohnungen) gebaut, der unmittelbar vor der Fertigstellung steht. Die Orientierung der Baukörper wurde von vornherein so geplant, daß sie weitgehend nach Süden schauen, südorientierte, vorgelagerte Pufferzonen dienen der Nutzung der passiven Sonnenenergie, Solaranlagen sollen bis zu 50 Prozent der Energie für die Warmwasserbereitung bringen, Nutzwasser wird für die Gartenbewässerung und die WC-Spülungen eingesetzt.

Allerdings hat kürzlich eine Untersuchung - zumindest vorläufig - ergeben, daß in diesem fernwärmeversorgten Gebiet eine Energieversorgung der Heizung durch Sonnenkollektoren nur in Ausnahmefällen und bei dezentraler Anwendung sinnvoll erscheint. Da relativiert sich also in Einzelaspekten selbst ein sehr komplexes und maßgeschneidertes Energiesparkonzept auch wieder.

Trotzdem: Angesichts der Kostenexplosion, die in den letzten Jahren im Bereich des Wohnens stattgefunden hat, kann man solche Versuche gar nicht ernst genug nehmen. Allerdings wird man sie auch sehr gewissenhaft prüfen müssen: Denn zwischen Wunsch und Wirklichkeit tun sich manchmal auch Abgründe auf.

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