Bauwerk

Donau-City
Margarethe Cufer, Hans Hollein, Adolf Krischanitz, Hermann Czech, Arata Isozaki, Roman Delugan, Gustav Peichl, Heinz Neumann, Michael Loudon, Wilhelm Holzbauer - Wien (A) - 1999
Donau-City, Foto: WED Wiener Entw.ges. f.d.Donauraum AG

Die Zeit der Träume ist vorbei

Die Donau-City ist eines der brisantesten städtebaulichen Projekte in Wien. Trotz Beteiligung renommierter Planer: Man wünschte sich mehr Mut und Qualitätsbewußtsein bei der anspruchsvollen Aufgabe, ein zweites Stadtzentrum zu schaffen.

14. Juni 1997 - Margit Ulama
Noch kann man träumen - von wirklich moderner, zeitgenössischer Architektur an einer zentralen Stelle der Stadt, von einem Klein-Manhattan am jenseitigen Ufer der Donau, von einem neuen Stadtzentrum, das ohne Zaudern und Ängste entstehen würde, basierend auf völlig frei konzipierter, zukunftsweisender Architektur. So materialgebunden und realitätsnah Architektur letztlich ist, war sie immer auch ein Medium der Visionen und Utopien. Doch im Gegensatz dazu äußerte sich natürlich auch immer der Wunsch, Architektur möge Sicherheit und Geborgenheit nicht nur bieten, sondern auch darstellen, und das mit traditionellen Bildern.

Jede architektonische Äußerung bewegt sich - etwas weiter gedacht - zwischen den beiden Polen Utopie und Pragmatik. Die äußeren Einflüsse nehmen dabei immer mehr zu, je größer der Maßstab ist, und so wird auch die Entwicklung eines städtischen Zentrums, wie es die Donau-City darstellen soll, zu einem äußerst komplexen Prozeß. Ökonomische, politische und ästhetische Dimensionen sind auf unterschiedliche Weise bestimmend, und letztere haben hier insofern Bedeutung, als das neu entstehende Gebiet die Idee der Stadt, also deren grundsätzliche Identität prägen beziehungsweise erweitern wird.

Das Diktum von Josef Frank, die Menschheit brauche Symbole - und er meinte damit auch architektonische Symbole - , hat sicherlich gerade im Zusammenhang mit der Stadt noch Gültigkeit. Die Frage ist somit, welches Symbol sich Wien mit der Donau-City geben wird.

Die Geschichte dieses Stadtteils, der als zweites Zentrum von Wien propagiert wird, reicht einige Jahre zurück, nämlich bis zur „Expo '95“ und deren Absage auf Grund einer Volksbefragung im Jahr 1991. Von Beginn an war die Nachnutzung ein Thema; schließlich wurde die Idee eines neuen Zentrums im Sinne einer bipolaren Stadtentwicklung geboren. Im Zuge der Expansion der Stadt, besonders an deren Rändern, erscheint die Entlastung des historischen Zentrums logisch.

Kritik gab es in erster Linie bezüglich der Lage der Donau-City, die eine Art erweiterten Brückenkopf der Reichsbrücke darstellt, an den übrigen Seiten begrenzt von Neuer Donau, UNO-City und Donaupark: Dieses Gebiet werde isoliert im Stadtkörper liegen und sei außerdem zu klein für eine wirkliche Zentrumsfunktion. Doch mangels eines idealen Ortes kommen hier die positiven Argumente zum Tragen, wie etwa die Situierung an der U 1 und damit an der städtebaulichen Entwicklungsachse in nordöstlicher Richtung, die durch die gute Anbindung über die Donauufer-Autobahn ergänzt wird. Für die Benutzer wird schließlich auch die Lage am Donaupark und an der Neuen Donau sowie der Blick zum Kahlenberg attraktiv sein.

Zur Entwicklung des Gebietes gründete man im Jahr 1991 die „Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum AG“, die nun als Generaldeve- loper der Donau-City agiert. Beteiligt sind an der WED österreichische Banken und Versicherungen sowie die Wiener Holding AG und das japanische Wertpapierhaus Nomura, wobei die Bank Austria Hauptaktionär ist. In dieser Hand liegt somit die Verantwortlichkeit für die Entwicklung des Gebietes nicht nur in ökonomischer, sondern auch in kultureller Hinsicht.

Finanziell aufwendig waren die Investitionen, die notwendig waren, um eine Bebauung überhaupt zu ermöglichen. Dies bezieht sich auf die Tatsache, daß man in der Nachkriegszeit das Gebiet als Mülldeponie benutzte, aber auch auf die Donauufer-Autobahn. Über das gesamte Gebiet wollte man zuerst eine „Platte“ legen, schließlich wurde die Deponie jedoch ausgehoben, und es entstand eine „Grube“, in die man eine überdimensionale „Schachtel“ stellen wollte - gleichsam eine Finger- und Sprachübung entlang architektonischer Grundbegriffe. Aufgrund der Vorinvestitionen entstand teurer Baugrund und damit ökonomischer Druck, Investitionsdruck, der den Handlungsspielraum verkleinerte.

In die Grube wurde schließlich doch keine Tiefgarage in Form einer riesigen Schachtel gestellt, und überplattet wurde nur die Autobahn. Man beauftragte Adolf Krischanitz und Heinz Neumann mit der Erstellung eines Masterplans, und sie formulierten das Konzept für eine sukzessive Bebauung, das ohne ein solches Basisbauwerk auskam. Für eine mögliche zeitliche Entwicklung teilten sie die Fläche in quadratische Parzellen, auf die die Baukörper wie Dominosteine gesetzt werden konnten.

Der prototypische Entwurf zeigt in der Draufsicht ein unregelmäßiges, gezacktes Muster, das durch die Kombination einfacher Volumen entsteht. Die sich ständig verändernden, fließenden Freiräume zwischen den Baukörpern erweitern dabei das herkömmliche Schema von Straße und Platz, es entsteht eine grundsätzlich neue Kategorie der Komposition im großen Maßstab.

Ein weiteres Spezifikum dieses in städtebaulicher Hinsicht visionären, dabei mit traditionellen Bauvolumen operierenden Entwicklungskonzepts war die Differenzierung der vertikalen Ebenen. Nach dem Aushub der Mülldeponie lag der gewachsene Boden des Planungsgebietes neun Meter unter dem Niveau der Umgebung, und der Masterplan sieht hier sowohl Erschließungsstraßen und Garagen als auch üppige Grünflächen vor. Nur mit Stützen den Boden berührend, sollte darauf die eigentliche Bebauung gesetzt werden. Die Fußgängerebene schließt unmittelbar an die Umgebung an, knapp darunter liegt die Ebene der technischen Infrastruktur. Auch diese vertikale Schichtung sollte eine sukzessive Bebauung ermöglichen, außerdem dreidimensionale Transparenz schaffen.

Doch die Zeit der architektonischen Träume im Zusammenhang mit der Donau-City ist beinahe zu Ende - aber hat es sie denn, abgesehen vom Masterplan, konzeptuell je gegeben? Haben nach der Absage der Expo nicht verschiedenste Faktoren eine Eigendynamik entfaltet, die den weiteren Prozeß der Entwicklung in starkem Maße bestimmte? Jedenfalls versuchte man zwar, auf Basis der von Krischanitz/Neumann formulierten architektonischen Grammatik konkrete Planungen zu entwickeln, die Stringenz der Idee des Masterplanes ging aber verloren.

Das gesamte Gebiet präsentiert sich derzeit als riesige Baustelle. Am Beginn eines zukünftigen diagonalen Boulevards steht der Andromeda-Tower von Wilhelm Holzbauer, dessen Bau bereits weit fortgeschritten ist, ein pragmatischer, gläserner Büroturm in Ellipsenform mit ökonomischen Grundrissen, bei denen unterschiedlich konische Räume entlang der Fassade addiert sind. Dann soll der Doppelturm von Gustav Peichl und Arata Isozaki folgen, den man in der dritten Bauetappe realisieren will, und schließlich am Ende der Diagonale, genau über der A 22, das Guggenheim-Museum von Hans Hollein.

Dieser Entwurf eines geöffneten Zylinders beruht auf einem zentralen Freiraum, den verschiedenste unregelmäßige, dynamisch wirkende Gebäudeteile umfassen, ein architektonisches „Juwel“ in vorderster Reihe. Ein Kultur-Magnet dieser Art wäre für die Attraktivität der Donau-City sicherlich wichtig, das Problem eines Guggenheim-Projektes ist die nötige Finanzierung von österreichischer Seite.

Außer dem Andromeda-Tower sind derzeit die geförderten Wohnbauten an der Seite des Donauparks in Bau, geplant von Margarethe Cufer mit Péter Balogh und Thomas Bammer, Elke Delugan-Meissl & Roman Delugan und Michael Loudon; enttäuschend ist, daß man Hermann Czech durch Eric Steiner ersetzte.

Problematisch erscheint rückblickend die gemeinsame Erarbeitung eines städtebaulichen Leitbildes, bei der die Differenzierungen der Gutachterprojekte verlorengingen. Lange, zehngeschoßige Baukörper umfassen nun zwei quadratische Höfe. Der gestalterische Spielraum für die Architekten ist eng, und doch können gerade so große Baumassen einzig in der Detail- und Materiallösung architektonische Qualität entfalten.

Neben dem diagonalen, von Hollein konzipierten Boulevard bildet das Rückgrat des Gebiets die parallel zum Fluß geführte, von Krischanitz gestaltete Donau-City-Straße. Aktuell ist im Moment außerdem der Wettbewerb für die Maschinenbaufakultät der TU, die Realisierung einer Volksschule von Hollein und die Planung eines Science- und Technologieparks durch Holzbauer und Sepp Frank.

Im letzten Fall wirft die Architektur wohl die Frage nach dem Verhältnis von Inhalt und Form auf, also nach der Art der Präsentation neuer Technologien. Holzbauer/Frank werden, so kann man annehmen, nicht mit architektonischen Experimenten auf das Thema reagieren. Die Chance zur Realisierung innovativer Architektur bietet sich nun beim zweiten Standort des Technologieparks in Floridsdorf mit einem Projekt von Coop Himmelb(l)au.

In der Donau-City befindet sich im Moment ein Drittel der insgesamt möglichen Kubatur in Bau, und so ist letztlich einiges offen. Im Sinne der Bedeutung des Gebietes wäre zu hoffen, daß sich die Akzeptanz qualitätvoller, zukunftsweisender Architektur noch stärker durchsetzte. Erst dann entwickelte sich die Donau-City als kultureller Gegenpol zur traditionellen, zu Recht berühmten Wiener Innenstadt.

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