Bauwerk

Fashion and Textile Museum
Ricardo Legorreta - London (GB) - 2003

Terrakotta und Rosarot für Modefreaks

Ricardo Legorretas „Fashion and Textile Museum“ in London

Für die Modedesignerin Zandra Rhodes hat der mexikanische Architekt Ricardo Legorreta an der Londoner Bermondsey Street ein Lagerhaus zum „Fashion and Textile Museum“ umgebaut und ihm Fassaden von mexikanischer Farbigkeit verliehen. Die Eröffnungsausstellung zeigt die Lieblingsentwürfe von 70 Modeschöpfern.

16. Mai 2003 - Lilo Weber
So viel Farbe blendet im grauen London. An der Bermondsey Street hinter dem Bahnhof London Bridge stehen die schick umgebauten Lagerhäuser reihenweise: die Fassaden aus Backstein, wie im 19. Jahrhundert üblich, im obersten Stock die Kranarme, die immer ein bisschen unbeholfen, da unbeschäftigt, auf die Strasse schauen; Farbe, wenn überhaupt, kommt auf die Fensterrahmen, Dunkelblau mit Vorliebe, Grün oder Rot. Und nun das: ein Gebäude in Terrakotta und Shocking Pink. Das soeben eröffnete «Fashion and Textile Museum» (FTM) der Modedesignerin Zandra Rhodes, das Meisterwerke aus der Modewelt zelebriert, ist schon allein seiner Farben wegen ein Wahrzeichen in Bermondsey. Der mexikanische Architekt Ricardo Legorreta, der erstmals in Europa wirkte, hat ein Stück Lateinamerika in die Themsestadt gebracht. Das von ihm umgebaute Lagerhaus aus den fünfziger Jahren mit der wenig durchbrochenen Fassade und der vorstehenden rosaroten Eingangstüre könnte man sich auch in Mexico City vorstellen. Aber es passt durchaus auch zu seiner Besitzerin. Rhodes liebt wie er die Farben, auch an sich selbst. Sie, die seit 35 Jahren mit bunt bedruckten Stoffen arbeitet und Leute wie Freddie Mercury, Shirley Bassey oder Prinzessin Diana eingekleidet hat, liebt wie er Pink - auch als Haarfarbe. Und Farbe kann London durchaus vertragen.


Durchdringung von Farbe und Form

Terrakotta und Rosarot, dazu Briefkastengelb. Dieses leuchtet von einem Wohnungsbalkon, der die Frontfassade durchbricht - als Quadrat, das seinerseits wiederum durchbrochen wird von einem Kamin in Rosa. Im Übrigen öffnen sich wenige kleine Fenster zur Strasse hin: fast schiessschartenartige im ersten und rechteckige im zweiten Stock. Drei schmale Türen führen im Erdgeschoss vom Café auf das Trottoir, wo dereinst Tische und Stühle stehen sollen. Etwas mehr als zwei Millionen Pfund hat der Bau gekostet. Das schmale Budget hätte nicht für alles gereicht, was sich die grosse Dame des Hippie-Chic gewünscht hatte: vom Museum für ihre 3000 Kleidungsstücke umfassende Sammlung bis hin zu den Räumen für sie selbst und ihre Arbeit. Da es keine Subventionen von der National Lottery gab, musste Rhodes zu andern Formen der Finanzierung greifen: Sie liess durch den Londoner Architekten Alan Camp in enger Zusammenarbeit mit Legorreta einen Aufbau mit Luxuswohnungen schaffen, aus deren Verkauf dann die fehlenden Mittel kamen. Das etwas zurückversetzte zusätzliche Geschoss leuchtet ebenfalls in Pink auf dem quaderförmigen terrakottafarbenen Block.

Legorretas Gebäude umfasst den Ausstellungsraum mit Galerie, einen Museumsshop und das bereits erwähnte Café. Dazu kommen Schulungsräume, in denen Jugendliche aus der Nachbarschaft Erfahrungen mit Textildesign sammeln können, das Studio von Zandra Rhodes, das Penthouse der Modemacherin sowie acht weitere Wohnungen. Das Museum betritt man durch die pinkfarbene Eingangshalle und einen hohen Bogengang in Königsblau, der durch einen Vorhang mit den glitzernden Buchstaben FTM verhangen ist. Dieser stört zwar die klaren Formen und die leuchtenden Farben, passt aber zum Haus und zu seiner Herrin: Glamour muss sein in der Modewelt, und ein bisschen Chichi gehört ebenfalls dazu.


Tanzende Kleider

Das Foyer hat der Australier David Humphries mit einem Terrazzoboden mit gläsernen Sternen geschmückt, auf den Treppenstufen leuchten rosa Lichter. An der Wand wird die Ausstellung in changierenden Lettern angekündigt: «My Favourite Dress». Schliesslich hängt Glamour im Ausstellungsraum: 70 Designer von Giorgio Armani bis Matthew Williamson haben ihr liebstes Kleid, zumeist ein Abendkleid, geschickt, dazu eine Begründung. Und so tanzen die Roben wie Marionetten an Fäden auf und ab, unter ihnen schillert in dreidimensionalen orangefarbenen Lettern die Message ihrer Schöpfer: «Das Kleid veranschaulicht, was ich in Frauen sehen will: die Dichotomie zwischen ihrer Sanftheit und ihrer Stärke», schreibt etwa Zac Posen zu einem wunderbar fallenden, über und über mit goldenen Ösen bestückten schwarzen Kleid. Donatella Versaces dem Stilmix verpflichtete Kreation glänzt unglaublich sexy und kostbar zugleich, während von Vivienne Westwood ein Strickkleid mit Blumen zu sehen ist, das sie zuletzt an Jerry Halls Party getragen habe. Rhodes selbst wählte das bedruckte moosgrüne einschultrige Chiffonkleid «Ayers Rock» von 1973, zu dem sie auf einer Australienreise inspiriert worden war - Jackie Kennedy Onassis hatte eins davon.

Eine gelbe, pink illuminierte Rampe führt zur Galerie, wo weitere Kleider hängen. Ebenfalls in Rosa sind jene Kästen ausgestattet, die Kleider hinter Glas zeigen. Das Museum soll den kulturellen Beitrag der Mode beleuchten - eine Aufgabe, die das nur wenige Minuten themseabwärts gelegene Design Museum allerdings schon seit einigen Jahren erfüllt. Zandra Rhodes will ihr Haus nicht als Konkurrenz verstanden wissen, sondern eher als Ergänzung. Vor allem will sie in Zukunft den Einfluss britischer Designer auf die Modewelt dokumentieren, strömen doch von den hiesigen Kunstakademien Jahr für Jahr neue Talente in die Studios der Metropolen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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