Bauwerk

Stadttheater Klagenfurt - Generalsanierung
Günther Domenig - Klagenfurt (A) - 1998
Stadttheater Klagenfurt - Generalsanierung, Foto: Paul Ott

Neuer Bau, frischer Elan

Das Stadttheater Klagenfurt ist in zweijähriger Bauzeit renoviert und erweitert worden. Nach der Wiedereröffnung scheinen sich auch auf der Bühne Erneuerungstendenzen durchzusetzen.

5. Februar 1999 - Derek Weber
Es mag ein Zufall sein, aber auf dem samstäglichen Markt scheinen Verkäufer und Kunden nur ein Thema zu kennen: die letzte Premiere des Stadttheaters. Das Erstaunliche: Wir befinden uns nicht in Parma oder in Neapel, sondern in Klagenfurt, wo das Stadttheater nach zweijähriger Renovierungspause auch architektonisch wieder in seinem alten Glanz erstrahlt.

Fellner, Helmer und Domenig

Der 1910 nach den Plänen der k. u. k. Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer errichtete Bau war in den sechziger Jahren gründlich verunstaltet worden. Jetzt wurde sogar der damals hinzugefügte hässliche Nachkriegs- Zubau abgetragen; an seine Stelle trat ein neuer, vom Kärntner Architekten Günther Domenig entworfener Komplex, der sich geschmeidig an die Jugendstilarchitektur anfügt und Administration, Proberäume, Bühnenwerkstätten und Schneiderei des Theaters beherbergt.

Domenig hatte nicht nur die ausgefallenste Idee für den Anbau – anstatt in die Höhe zu bauen und das Gesamtbild des Hauses zu verändern, verlängerte er die Hauptachse des Theaters sozusagen frei in die Luft hinaus –, er war auch der einzige unter den Architekten, der sich vor Anfertigung des Entwurfs an Ort und Stelle darüber ins Bild setzte, welche Bedürfnisse die im Theater Arbeitenden hatten.

Die frappierendsten Ergebnisse zeitigte die Renovierung bei den Innenräumen: So gründlich war in den sechziger Jahren vorgegangen worden, dass sich fast nicht mehr rekonstruieren liess, wie das Theater einmal ausgesehen hatte: «Das noble Kaisergelb der Tapeten wurde durch muffiges Bordellrot ersetzt, die zwischen Historismus und Jugendstil verspielten Säulen verkleidete man mit Kunstholzplatten», kann man im Jahresheft 1998/99 des Theaters lesen.

Wäre nicht der Zufall dem Intendanten Dietmar Pflegerl zu Hilfe gekommen, das Haus sähe immer noch anders aus: Eine Woche bevor die Farben der Inneneinrichtung festgelegt wurden, meldete sich ein Tapezierermeister aus Wien. Er hatte in einem Lagerraum ein Paket mit den Originalfarben der Dekorationen und des Vorhanges gefunden, die sein Grossvater angefertigt hatte. So wurde aus Rot Gelb; und der Vorhang bekam eine nobelgrüne Farbe. Dazu kamen die passenden Jugendstilleuchten, eine bequeme moderne Bestuhlung aus Italien und ein neuer, von Mimmo Paladino geschmackvoll gestalteter eiserner Vorhang.

So kühl die Farbe des eisernen Vorhangs ist: Kärnten ist ein heisser Boden: In den Wochen vor der Theatereröffnung hatte eine Art vorgezogener Kultur(wahl)kampf der rechtspopulistischen FPÖ für Kontroversen gesorgt. Jörg Haider selbst, der sich im nächsten Frühjahr zum Landeshauptmann wählen lassen möchte, hatte – unterstützt von einem Boulevardblatt – eine Schmutzkampagne gegen den Maler Cornelius Kolig vom Zaun gebrochen. Kolig war von einer Jury dazu ausersehen worden, die von den Nazis abgeschlagenen Fresken seines Onkels Anton Kolig im Kärntner Landhaus zu ersetzen. Nun musste er sich als «Fäkalienkünstler» und potentieller Kinderschänder beschimpfen lassen.

Das rief Pflegerl auf den Plan: «Wenn ein Theater nicht mehr fähig ist, auch zu aktuellen Fragen Stellung zu beziehen, hat es seine Existenzberechtigung verloren.» Am Tag der offenen Tür zur Wiedereröffnung des Theaters setzte Pflegerl eine Diskussion unter dem Titel «tat - ort land - haus» an. Haider und die anderen eingeladenen Vertreter der FPÖ zogen es vor, nicht zu erscheinen. Wenige Tage später lenkte Haider ein. Der Kulturkampf wurde abgesagt – wohl auch unter dem Eindruck der «Volksabstimmung» anlässlich des Tags der offenen Tür, bei dem an die 30 000 Menschen (rein rechnerisch ein Drittel der Klagenfurter Bevölkerung) ins Theater geströmt waren.

Dreispartenbetrieb

Auch andere Zahlen scheinen Pflegerl recht zu geben: In der Saison 1998/99 hat das Haus die Zahl seiner Abonnenten auf 5000 verdoppelt. Pflegerl ist überzeugt, dass er – wäre er nicht so erfolgreich – längst schon «weg» wäre. Tatsächlich haben FPÖ-Mandatare versucht, ihn auszuhebeln. Bisher vergeblich. Aber der Ruf eines Schwierigen begleitet Pflegerl, seit er 1992 zum neuen Intendanten gewählt wurde. Seit dieser Zeit führt er das Dreispartenhaus auf der Basis eines Zweieinhalbspartenhauses: Für die Opernproduktionen sind nur Chor und Orchester fest engagiert; die Solisten werden für die jeweilige Produktion «zugekauft». «Das spart Geld und hebt die Qualität», meint der streitbare Theaterleiter. Und es degradiere das Haus keineswegs zu einer «Gastierstätte»: Die Gäste kehrten wieder.

Dass das Theater sich in keinem guten Zustand befunden habe, sei von Anfang an offensichtlich gewesen. Die Beleuchtung habe sich auf dem technischen Stand von 1938 befunden. Die für die Aufrüstung des Lichts notwendigen 20 Millionen Schilling waren rasch bewilligt. Nach der bei einem Schweizer Unternehmen in Auftrag gegebenen Expertise über den allgemeinen Zustand des Theaters, die einen Sanierungsbedarf von 600 Millionen auswies, läuteten jedoch bei den Landespolitikern die Sturmglocken.

Schliesslich einigte man sich auf eine «Sparvariante» von 300 Millionen Schilling. Den zweijährigen Umbau sieht der Intendant rückblickend eher als Vorteil denn als Schaden. Das Ausweichen in die Messehalle habe dem Theater neue Publikumsschichten erschlossen, weil eine Hemmschwelle weggefallen sei. Um die Zukunft ist ihm nicht bange. Sein Programm: zehn Produktionen pro Jahr im Stagione-System, davon sechs im Musik- und vier im Schauspielbereich, darunter Uraufführungen und Werke des 20. Jahrhunderts. Der Freiraum zum Experimentieren sei schon geschaffen worden. «Olivier Tambosi haben sie am Anfang angefeindet. Heute lieben sie ihn», sagt er.

Hohes Niveau

Der Regisseur Olivier Tambosi setzte auch die Wiedereröffnungspremiere («Hoffmanns Erzählungen») in Szene, die einen Tag vor der Uraufführung von Gert Jonkes «Es singen die Steine» über die Bühne ging. Die Probe aufs Exempel verläuft beim «Hoffmann» (in der Fassung von M. Kaye) positiv: Die Sänger und Sängerinnen erweisen sich den vokalen Anforderungen gewachsen. Christiane Boesinger meistert – auch wenn sie ihre Stärken vor allem als Antonia und Giulietta ausspielt – ihre vier Partien mit Bravour. Wolfgang Bünten verfügt über sichere Höhen und über jene Mischung aus dramatischem und lyrischem Tenor, die einen Hoffmann auszeichnen sollte. Andrew Golder beeindruckt als Bösewicht nicht nur sängerisch, und der jungen Roswitha Grabmeier-Müller gelingt die schlacksige Mischung aus Muse und Kompagnon durchaus überzeugend.

Am meisten aber beeindruckt die Regie, die – unterstützt von einem auf Farbkontraste setzenden Bühnenbild – mit bisweilen recht drastischen Mitteln unkonventionelle Lösungen ansteuert, insbesondere im Olympia-Akt, in dem die weibliche Dressur in eine Vergewaltigung des betrunken gemachten Hoffmann ausartet. So befremdet ein Teil des Publikums auch am Anfang reagieren mochte: im Lauf des Abends war mit Händen zu greifen, dass der Regisseur das Publikum auf seine Seite zu ziehen vermochte.

Die zweite Opernpremiere der Saison brachte mit Verdis «La Traviata» Dietmar Pflegerls Début als Opernregisseur. Auf den ersten Blick scheint er die Konvention zu bedienen. Die Geschichte spielt partout – auch wenn die Szenerie (Bernd- Dieter Müller) sich jeder Üppigkeit enthält – im Frankreich des 19. Jahrhunderts. Kein Rauschgift, kein Smoking, kein Cadillac, nicht einmal ein trister Fernseher im letzten Akt versucht die Handlung zu «aktualisieren». Und doch erzählt Pflegerl die Geschichte von der Kameliendame überaus genau, präzis und mätzchenlos – als Geschichte misslungener menschlicher (lies: männlicher) Beziehungen: Wenn Giorgio Germont zum erstenmal auf Violetta trifft, merkt man ihm die Betroffenheit und Verunsicherung an, welche die menschliche Grösse dieser Frau hervorruft. Gerade wenn man die Trivialversion dieser Szene aus dem täglichen Wiener Repertoirebetrieb kennt, ist man beeindruckt von der Frische einer Inszenierung, in der jedes Wort überprüfbar und jede Bewegung sinnvoll erscheint.

Die Sänger sind – wie schon beim «Hoffmann» – von erstaunlicher Qualität. Sonora Vance reüssiert – abseits aller gesangstechnischen Versiertheit – als ausdrucksstarke und optisch wie von den Jahren her glaubhafte Violetta. Yi Kun Chung verfügt als Alfredo über eine geschmeidige lyrische Stimme mit kerniger Fundierung; und Samson Izjumov wäre mit seiner auch in der Höhe festen Stimme fast ein idealer Vater Germont, wenn ihm nur das Legato leichter aus der Kehle flösse.
Kann Pflegerl also zufrieden sein? Es könnte ein «Idealzustand» sein, meint er. Das Theater sei wie ein «Massanzug», den er nie mehr im Leben ausziehen würde. «Ich bin an einem Punkt angelangt, wo ich mich immer hingeträumt habe.» Wenn, ja wenn es nur nicht immer wieder diese politischen Querelen gäbe.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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