Bauwerk

Weg der Traube
Klaus - Jürgen Bauer - Pöttelsdorf (A) - 2001

Es wird ein Fass sein

Der „Weg der Traube“ - erfrischend spröde Architektur von Klaus-Jürgen Bauer abseits der heute so trendigen Wein-Coolness

Die Winzergenossenschaft Pöttelsdorf ist zur Domaine gereift, die burgenländische Sinnenfreude blieb zum Glück erhalten: Klaus-Jürgen Bauer installierte mit einem „Weg der Traube“ eine erfrischend spröde Architektur abseits der heute so trendigen Wein-Coolness.

3. Mai 2003 - Ute Woltron
Architektur kann teuer und schlecht, preiswert und gut, billig und genial sein. Auch die burgenländischen Weinbauern rund um Pöttelsdorf haben Erfahrungen mit den komplizierten Zusammenhängen zwischen Qualitäten und Preisen gesammelt, heute sind die Zeiten der Massenware passé, weshalb die Tröpferln der Pöttelsdorfer mit goldenen und silbernen Preisen bedacht werden, durchaus auch internationalen, und die Wertschöpfung gleich eine ganz andere ist.

Seit kurzem nennt sich das, was zuvor die Weinbau- und Vertriebsgenossenschaft namens Bismarck war, nun Domaine Pöttelsdorf, und damit die Sache nicht nur spirituell sondern auch architektonisch ein Gesicht bekommt, leistete man sich auch eine kleine bauliche Auffrischung vor Ort, die am Mittwoch eröffnet wurde.

Der Eisenstädter Architekt Klaus-Jürgen Bauer installierte rund um und im bestehenden Weingut des Kollektivs einen „Weg der Traube“: Mit geringsten Mitteln, mit viel Witz und Überlegung, und mit dem Effekt, dass nach dem Durchschreiten dieses Weges jeder geradezu nach dem Produkt giert, dessen Werdung hier veranschaulicht wurde. Sinnvollerweise endet der Weg auch im Verkaufslokal, und nur wenige verlassen es unfroh und ohne ein paar Fläschchen quasi zur Erinnerung mitgenommen zu haben.

Bauer ist einnoch junger Architekt, doch spielt er in der Liga der neuen Planer eine sympathisch störrische Sonderrolle. Er dissertierte seinerzeit an der Bauhaus-Universität Weimar mit dem Thema „Minima Aesthetica. Banalität als subversive Strategie der Architektur“, und dieser durchgeistigte Ansatz setzte sich in Pöttelsdorf in erdnaher Form voll durch.

Von luxuriös-glatt-gestylter Weingutatmosphäre keine Spur, keine Rede vom hoheitlichen Getue, das in den Hallen mancher Superwinzer herrscht. Auch sterbliche Nicht-Weinkenner, also der überwältigende Rest der Menschheit, darf hier Würde bewahren und noch dazu Grundsätzliches über die Künste und Geheimnisse des Weinmachens erfahren.

Der „Weg der Traube“ führt die Besucher neben, über und quer durch das Weingut. Den Anfang macht die Vergangenheit, die hier nicht verdrängt, sondern bewältigt wurde: Der Besucher findet sich in einem ungeheuerlich dimensionierten metallenen Weinfass von der Größe einer Dorfkirche wieder, in dem früher 650.000 Liter Massenware schwappte und Weinstein ablagerte.

Noch zu sehen ist eine Art Quirl, der den Wein gelegentlich durchmischte, auch kleine Wandauslässe, die so genannten Mannlöcher, sind noch vorhanden: Durch die schickten die alten Bauern die jungen zum Zwecke der Fass-Innenreinigung, die, so die Legenden, fast immer in üblen Besäufnissen endete, wenn die Restlacken nicht entsorgt sondern gleich vor Ort verwertet wurden.

Ein zweiter Wein-Dom hinter diesem Fass-Foyer erinnert an diese Zeit: Großformatig flimmern die schwarz-weiß-Bilder einer Wochenschau aus dem Jahr 1957 über die Leinwand, zu volkstümlichen Gstanzln kippen fröhliche Weinbauern die Vierteln, drehen mit drallen Weinköniginnen Landlerrunden und saufen, als Baby maskiert, aus Doppler-Flascherln. Die Stimmung ist ausgezeichnet, die Bauern und Bäuerinnen stehen, wie man so sagt, gesund in der Wäsch' und sind damit quasi der lebende burgenländische Beweis für die beliebte Behauptung der französischen Kollegen, dass ein paar Achterln Wein pro Tag die Lebenserwartung erheblich erhöhen.

Die zeitgenössischen Zuschauer dürfen dieses Volksfest auf abgeschnittenen Weinfässern samt changierenden Pölsterchen sitzend betrachten, bevor sie die Treppe entlang der Fasswand emporsteigen, die in die obere Zone des Eingangsfasses führt. Dort steht groß rundum geschrieben: „Gebt mir die besten Trauben, und ich mache euch den besten Wein.“ Das Zitat stammt von Kellermeister Rainer Kunz, der hier das Sagen hat und dafür sorgt, dass nur erste Traubenqualität eingemeischt wird.

Alles ist hier finster und nur spärlich in Blaulicht getaucht, doch ein paar Schritte weiter wird es gleißend hell. Den Traubengang säumen doppelt hinterleuchtete Glasbilder mit gelben, honigfarbenen, lila, blauen und reifig dunkelroten Trauben: Die wichtigsten Sorten werden erklärt, sehr appetitlich schaut das aus. Die Konstruktion des Ganges ist simpel, aus Stahl, Glas, Industriepaneelen.

Alles, was hier an Architektur appliziert wurde, ist simpel und raffiniert, ein wenig roh, preiswert, aber effizient. Man befindet sich, ohne es zu bemerken, in der Höhe und an der Außenwand der eigentlichen Produktionsstätte. Am Ende des Ganges wird der Blick frei auf die Weingärten, und hier sind auch, auf Folie großflächig abgebildet, die vielen Menschen, die in Pöttelsdorf diese Trauben pflegen und hegen: Die rund 150 Weinbauern und Bäuerinnen der Genossenschaft machen den selben Eindruck g'standener Fröhlichkeit wie ihre Ahnen aus dem 57er-Jahr.

Der Weg schlängelt sich in weiterer Folge am Haus entlang und durch das Haus durch. Finsternis und Licht, Hitze und Kühle wechseln ab, zwischendurch gibt es immer wieder Einblicke und große Fenstereinschnitte in jene Zonen, in denen tatsächlich gekeltert und am Wein gearbeitet wird.

Der Pfad kann rasch durchmessen oder genüsslich langsam ausgekostet werden, je nach Temperament. Informationstafeln erklären die Arbeit der Weinbauern und die des Kellermeisters, ein kleines Kino mit Heurigenbänken lädt zum visuellen Gustieren ein. Hier wird der vielfach preisgekrönte Universum-Film „Das Jahr im Weingarten“ in Kurzform gezeigt.

„Wir wollten ganz bewusst kein Museum machen“, sagt Architekt Bauer, denn Wein sei eine lebendige Angelegenheit, der man sich über die Sinne nähern müsse. Sehr sinnlich ist die kleine Schau-Installation auch geworden. Die Exponate sind sparsam ausgewählt und ebenfalls stets so beschaffen, dass die Sinne angesprochen werden.

Es stehen also keine Weinpressen aus dem Heimatmuseum herum, sondern etwa Barrique-Fässer mit verschiedenen Toasting-Graden, in die man hineinschnüffeln kann. An den Gangwänden simple Vitrinen mit über hundert verschiedenen Weingläsern, um zu demonstrieren, dass auch hier die Vielfalt und nicht nur die Masse regiert. Und zwischendurch immer wieder voyeuristische Blicke auf die eigentliche Produktion, auf neun Meter hohe Edelstahlfässer, auf Gärungstanks und damit direkt hinein in das Herz des Weinkellers.

Akustische Installationen begleiten den Weinwegwanderer mit Hörbildern, Gedichten, Hörspielanimationen. Man befinde sich, so Bauer, in einer Art „gläserner Fabrik“, bevor man eine Treppe hinabsteigt, um in den Weinsalon zu gelangen, wo ein Sommelier die Gäste persönlich empfängt. Je drei Weine werden hier in plüschig-opulent-kitschigem Ambiente verkostet. „Hotel Savoy gemischt mit burgenländischem Wirtshaus“, meint der Architekt.

Das Finale stellt selbstverständlich der Verkaufsraum dar, eine kühle, funktionale Weinmarkthalle, die übersichtlich und klar gestaltet ist, sodass die Verkäufer und Verkäuferinnen jeden, der den Eindruck der informationsmäßigen Hilfsbedürftigkeit vermittelt, sofort aufsuchen können.

Die neue Wein-Welt der Pöttelsdorfer ist eine witzige, gelungene Mischung aus Tradition und zeitgemäßer Perfektion, aus burgenländischer Lebenslust und weltläufiger Weinproduktionskenntnis. Hier wurde nichts „ganz Neues“ aus dem Boden gestampft, man hat sich vielmehr auf das Bodenständige und damit Wahrhaftige konzentriert und auch die Spuren der Vergangenheit nicht vorschnell weggewischt. Man hat mit vergleichsweise geringen Mitteln gearbeitet (ca. 550.000 Euro) und kann nun mit reduzierter Architektur das Beste aus einem lebendigen Ganzen präsentieren.

Damit sind sich die Burgenländer selbst treu geblieben: Sie machen vorzüglichen Wein, sie haben offensichtlich Spaß daran, und ihr neuer „Weg der Traube“ ist kein bombastischer Show-Off, sondern eine erdnahe Sinnestour durch das Weinbauen, Weinhauen, Weinmachen. Minima Ästhetica: Mitunter kann die billigste Architektur die viel bessere sein.

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