Bauwerk

Porsche Museum Zuffenhausen
DMAA - Stuttgart (D) - 2008

Fast jeder Neuwagen ein Museumsstück

Architektur für das Auto in Stuttgart und München

Automarken versprechen das Gefühl jener Freiheit, die im Alltag auf den Straßen nicht mehr zu finden ist. Sie müssen daher durch immaterielle Werte zu Statussymbolen werden, die nur noch repräsentieren, was sie nicht mehr einlösen können. In diese Strategien ist die Architektur elementar eingebunden, die Marke benutzt die Stadt und deutet sie in ihrem Sinne um.

6. Juli 2006 - Christian Holl
Das zwanzigste Jahrhundert war eines der Massenproduktion, des Massenkonsums und der Massenkultur. Doch schon lange greifen die Mechanismen egalitärer und ubiquitärer Warenverbreitung nicht mehr. Ausgelöst durch die Grenzen der Wachstumsmöglichkeiten hat sich der Konkurrenzkampf unter den Firmen verschärft, werden Distanzierungsstrategien als Marketinginstrumente eingesetzt, um mit symbolischen Wertzuweisungen Produkten zu Prestige zu verhelfen. Das gilt natürlich auch für das Auto. Die Werte, die mit ihm verbunden werden, finden in der Realität kaum mehr ihre Entsprechung. Die autogerechte Stadt gilt als Sinnbild stadtplanerischer Fehlentwicklungen, der Verkehr ist restriktiv reglementiert, Staus gehören zur Alltagserfahrung des Autofahrers. Das nicht mehr einzulösende Versprechen nach Geschwindigkeit und Freiheit wird durch das Image von Noblesse, Eleganz, Schnelligkeit oder Kraft ersetzt. Doch das ist alles nicht neu. Relativ neu ist aber, dass in dieser Marketingstrategie die Architektur an Bedeutung gewinnt. Es ist kein Zufall, dass auf diesem Gebiet die Autofirma Pionier war, die die breite Masse als Zielgruppe bereits im Namen führt und daher einen höheren Aufwand treiben muss, um ihren Produkten ein distinktives Prestige zu verschaffen: Volkswagen (siehe Seite 23, Beitrag von Frank Roost).

Aufwertung und Besetzung Doch haben auch die Autofirmen, die schon aus Tradition als besondere Marken gelten, die Notwendigkeit erkannt, mit Hilfe von Architektur ihr Image zu pflegen und ihr Profil zu schärfen. Dabei werden unter anderem die Firmengeschichte und ihr Bezug zum Ort inszeniert. So plant Future Systems für Maserati und Ferrari ein Museum in Modena, in direkter Nachbarschaft zum Wohnhaus von Enzo Ferrari aus der Jahrhundertwende. Deutlicher noch wird dieser Aspekt bei den Projekten, die hier im Mittelpunkt stehen: Sowohl die Museen für die Stuttgarter Firmen Porsche und Mercedes-Benz als auch das „Erlebnis- und Auslieferungszentrum“ der BMW-Welt in München sind an die Standorte der Firmenstammwerke gebunden. Für die Städte ergibt sich daraus eine willkommene Entlastung, denn die neuen Attraktoren wirken wie Schrittmacher für die Entwicklung von schwierigen Standorten der innerstädtischen Peripherie. Freilich hat diese Entlastung ihren Preis: Die Orte werden über die Grundstücksgrenzen hinaus symbolisch von den Firmen, den Marken besetzt. Sie machen sich gerade eines der Merkmale zu Nutze, die sonst als Kennzeichen der Unwirtlichkeit stigmatisiert werden: Die leistungsstarke Verkehrsstraße der Nachbarschaft dient plötzlich zur Inszenierung der Architektur und mit ihr des Produkts, das sie repräsentiert. Wie ein Ausstellungsexponat wird die Straße in allen drei Fällen ins Gebäude geholt, bei Porsche durch eine im Gebäude besonders exponierte Aussicht, die den Einblick von außen zumindest bei Tag nicht gestattet, bei Mercedes-Benz als Teil jener Sammlungsebenen, die die Alltagserfahrung der Besucher in den Mittelpunkt stellen. In der BMW-Welt schließlich ist es die Ecksituation an der Kreuzung zweier Stadtautobahnen. Sie wird durch einen Doppelkegel markiert, eine an einem hyperbolischen Paraboloid orientierte „Event-Arena“. Ein BMW-Museum ist in München ja bereits seit 1972 auf dem Gelände der Werkszentrale auf der anderen Straßenseite präsent, entworfen von Karl Schwanzer im Weltraumdesign der siebziger Jahre. Doch bislang hat sich der Konzern als eine eigenständige und abgeschlossene Einheit, unabhängig von der unmittelbaren Umgebung präsentiert. Mit der im nächsten Jahr eröffnenden BMW-Welt wird sich dies ändern, da diese mit den Durchblicken und großen verglasten Flächen Bezüge zur unmittelbaren Umgebung aufbaut. In diese Bezüge ist selbstredend auch das Museum eingebunden, das im nächsten Jahr ohnehin erweitert, umgebaut und dann mit neuem Ausstellungsdesign präsentiert wird.

Neuwagen werden Exponate Damit wird nicht nur der Ort der Produktion musealisiert und als Teil der Firmengeschichte auratisiert und nobilitiert; der Konzern wird mit den neuen, repräsentativen Gebäuden in der Gegenwart und in der Stadt direkt und unmittelbar verortet. Gleichzeitig findet eine Projektion in die Zukunft statt: Einerseits als ein Schrittmacher, mit dem sich der Avantgardeanspruch der Automobilfirma formuliert - Ben van Berkel und Caroline Bos sprechen vom Mercedes-Benz Museum als einem Leitton, der die zukünftige Entwicklung dirigieren könnte; andererseits erfährt in diesen Ausstellungshäusern auch der Gebäudetyp des Museums einen Bedeutungswandel. Das Museum, traditionell ein Ort der bürgerlichen Selbstvergewisserung und Archiv anerkannten Bildungskanons, dient nun der Positionierung global agierender Unternehmen. Hier werden nicht nur die Produkte ausgestellt, die zur Geschichte des Unternehmens und zur allgemeinen Geschichte der Technik gehören. Mit der musealen Inszenierung von Technik als einer Verbesserung von individuellen Gestaltungsspielräumen reklamieren diese Museen den musealen Wert auch für die neuen Produkte. Noch ist ihr Ausstellungsort die Straße, nicht das Museum. Suggeriert wird aber, dass auch jeder Neuwagen bereits potenzielles Museumsexponat ist. In allen drei Fällen werden daher Museum, Neuwagenpräsentation und -auslieferung an einem Ort zusammengebunden.

Anhand des Mercedes-Benz Museums lässt sich dieses besondere Verhältnis zur Geschichte noch weiter verfolgen. Eine der beiden Ausstellungsrouten, die unter dem Begriff der Mythen steht, wird von einer Chronik begleitet, die die wichtigsten Ereignisse der Weltgeschichte aufgreift. Indem also die Geschichte des Automobils in einer allgemeinen Historiografie verortet wird, wird die Marke zu einem selbstverständlichen und von ihr nicht zu trennenden Element der Geschichte. Weniger rühmliche Einzelheiten der Firmengeschichte werden dabei wohlweislich, wenn überhaupt, nur dezent zur Sprache gebracht.

Bilder des zukünftigen Erfolgs Um jeden Verdacht an der Zukunftsorientierung auszuschließen, muss die Architektur der Ausstellungshäuser auf jede Form des geschichtlichen Zitats verzichten, jeden Verdacht einer traditionsbewussten und konservativen Architekturhaltung vermeiden: keine Klassizismen, keine Ziegelfassaden, keine historischen Herrschaftssymbole. Diese Ausstellungsarchitektur bedient sich der Architektur, die den Anspruch von Avantgarde nach außen repräsentiert, ob in den ingenieurtechnischen Leistungen des Mercedes-Benz Museums, der komplexen polygonalen Struktur des Porsche Museums oder der geschwungenen Körperhaftigkeit skulpturaler Individualität, wie sie in München realisiert wird.

Alle drei Museen materialisieren auf eine ihnen eigene Weise landschaftlich-topografische Assoziationen. Ist es in Stuttgart die Figur der Doppelhelix, die die Erfahrung der Landschaft im Automobil transformiert, wo sich dem Auge hinter jeder Kurve wieder etwas Neues bietet und eine Atmosphäre von Grenzenlosigkeit eröffnet, so ist es in München der enorm große und als offen erlebbare Raum, dessen Luftraum von mehreren Geschossen zusätzlich durch Rampen und Treppen inszeniert wird. Beim Porsche Museum schließlich sind es die der Form einer Spirale folgenden, ineinander übergehenden Ebenen und Terrassen, die den Ausstellungsraum charakterisieren.

Zudem werden die architektonischen Bilder durch Wortmetaphern um weitere symbolische Werte angereichert. Immer sind es Dynamik symbolisierende Raumkonfigurationen von Strudeln oder Spiralen. In München sind es außerdem die Wolke, der Himmel, das geschwungene Dach, das als eine Entsprechung des befreienden Fahrerlebnisses formuliert wird. „Wenn für Sie der Himmel auf Erden Ihr Auto ist, dann entsteht hier Ihre Welt“, heißt es auf einem Werbeplakat.
Die Spirale des Porsche Museums wie die Doppelhelix des Mercedes-Benz Museums vermitteln nochmals den Anspruch des in die Zukunft gerichteten Versprechens. Dem, was sich hier in den Museen als abgeschlossene Welt präsentiert, liegen Figuren zugrunde, die sich weiterdenken lassen, deren Ende nur für den Moment und willkürlich festgelegt ist. Spirale wie Doppelhelix lassen sich weiter fortsetzen als die willkürlichen Setzungen von Anfang und Ende im Gebäude nahe legen. Die erfolgreiche Geschichte dieser Marken, so die Botschaft, ist noch lange nicht zu Ende.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

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