Bauwerk

Schloss Seggau - Um- und Zubau
Ernst Giselbrecht - Leibnitz (A) - 2003

Auf historischem Boden für die Zukunft bauen

Das südsteirische Schloss Seggau wird von Architekt Ernst Giselbrecht für neue Anforderungen gerüstet. Baustufe Eins, ein moderner Zubau mit Speisesälen und Gästezimmern, ist bereits in Betrieb.

2. Februar 2002 - Franziska Leeb
Die Geschichte der beeindruckenden Schlossanlage zu Seggau in der Südsteiermark beginnt im 12. Jahrhundert. Die Salzburger Erzbischöfe nutzten die strategisch günstige Hochlage über Leibnitz als Missions- und Verwaltungsbastion. Später wurde die Burg Sitz der Bischöfe von Seckau.

Im 18. Jahrhundert verlegten die Bischöfe ihre Residenz vom malerischen Hügelland nach Graz. Das Schloss nutzten die Kirchenherren nur noch als Gutsbetrieb, bis man es schließlich ab 1955 auch als Bildungs- und Tagungszentrum etablierte. Um dem neuen Nutzen gerecht zu werden, erfolgten bis in die 70er-Jahre Um- und Zubauten nach der Methode „rasch und preiswert“. Sie erfüllen ihren Zweck zum Teil bis heute, in ihrem kulturellen Anspruch genügen sie der Tradition der Anlage jedoch keineswegs.

Erst Architekt Konrad Frey vermochte 1993 mit seinen Erweiterungsbauten für das Bildungshaus wieder ein baukünstlerisches Statement zu platzieren.

Damit Schloss Seggau auch weiterhin das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der Südsteiermark bleibt, lobte die Diözese 1997 einen Wettbewerb für die weitere Modernisierung des für die Region äußerst wichtigen Betriebes aus. Architekt Ernst Giselbrecht ging als Sieger aus dem Gutachterverfahren hervor. Umbauarbeiten im historischen Bestand des weitläufigen Gebäudekomplexes sind noch in Gang. Bis spätestens Frühjahr 2003 wird das gesamte Vorhaben realisiert sein.

Seit Frühjahr 2001 ist der neue Anbau im Norden des Schlosses in Betrieb. Giselbrecht entschied sich gegen eine Unterbringung des neuen Bettentraktes und der Speisesäle im Bestand. Mutig platzierte er einen Neubau im Anschluss an den Nordtrakt. Der schlanke Riegel fasst den Barockgarten zu einer bewaldeten Hangkante hin und dient zugleich als Spange zur barocken Orangerie, die über den mächtigen Weinkellergewölben das Areal im Norden abschließt.

Die zwei Obergeschoße des Neubaus sind in der vorderen Hälfte auf Rundstützen aufgeständert. Der Bau erhält dadurch eine gewisse Luftigkeit und Fragilität, die durch die gläserne Fassadenschicht verstärkt wird. Über die geräumigen Terrassen am Ende des Gebäudes erhalten Speisesäle und Zimmer eine direkte Verbindung zum Park. Die Anbindung des feschen Neubaus an das jahrhundertealte und immer wieder umgebaute Gemäuer erfolgte so, dass bei funktional fließenden und barrierefreien Übergängen die Grenzen zwischen Alt und Neu klar erkennbar bleiben.

Ebenso umsichtig wie die maßstäbliche Einfügung des Gebäudes in das historische Ensemble erledigte Giselbrecht die zurückgezogensten Bereiche des Hauses, die Gästezimmer. Während eine Zimmerflucht über den Bonus einer zum Garten hin orientierten Balkonfläche verfügt, kann in den Räumen gegenüber die Romantik eines Baumhauses mit dem Komfort eines Hotels genossen werden. Bei geöffneten Fenstern bietet der direkt anschließende Wald besonders Gästen aus der Stadt ein völlig neues Wohnerlebnis. Klug gelöst sind die Grundrisse: Da es in Tagungshotels oft üblich ist, dass zwei Kursteilnehmer ein Zimmer teilen, wurde darauf speziell Rücksicht genommen.

Eine Schiebewand vor den Betten ermöglicht einen ungestörten Schlaf, während der zweite Gast noch auf dem Sofa lesen möchte oder erst zu späterer Stunde in das Zimmer kommt. Das Badezimmer kann mittels Verbindungstüren in Ankleide-, WC- und Waschbereich getrennt oder als ein Raum benutzt werden und ist zum Zimmer hin mit Schiebetüren abgetrennt.


Bildungshaus

Gerade in dieser Kategorie sind Herbergen mit architektonischem Mehrwert äußerst rar. Das neue Bildungshaus leistet mit seinen vielen sorgfältig gelösten räumlichen und atmosphärischen Qualitäten subtile Erziehungsarbeit in Sachen Baukultur. An die 30.000 Nächtigungen verbucht der Betrieb jährlich. Die Investition in vorbildhafte Architektur hat daher nicht nur Auswirkungen auf die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Mehr als alle Medien übernehmen öffentlich zugängliche Bauten kulturelle Vermittlungsarbeit. Hier zu sparen wäre grob fahrlässig.

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Bischöfl. Ordinariat Graz-Seckau
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