Bauwerk

HNO Klinik - Umbau und Neubau
Ernst Giselbrecht - Graz (A) - 2000
HNO Klinik - Umbau und Neubau, Foto: Paul Ott
HNO Klinik - Umbau und Neubau, Foto: Paul Ott
9. August 2005 - HDA
Das LKH Graz stellt einen bedeutenden Moment in der sozialen und architektonischen Geschichte Österreichs dar. Zwischen 1903 und 1912, auf einem leichten Plateau, im Nordosten von Graz errichtet, zählte es unglaubliche 1940 Betten und wurde von einer neuen Körperschaft, der „Regionalen Baubehörde“ (Regional Building Authority) organisiert. Architektonisch gesehen bestand es aus einer Reihe von 4-stöckigen Pavillons. Schüler von Otto Wagner ließen ihren Geist und ihre Gestaltungsvielfalt einfließen. Einer dieser Pavillons beherbergte die international bekannte HNO-Klinik, die große Anstrengungen unternahm, um ihren hohen Standard in den antiquierten Gebäuden halten zu können; so wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, der die Renovierung und Erweiterung des Pavillons der Wagnerschule betraf. Ernst Giselbrecht ging als Sieger hervor.

Auf einem steilen Abhang stehend ist die klassizistische Front des alten Gebäudes vom Tal gegenüber zu sehen, vollendet in eleganter Symmetrie. Der Erweiterungstrakt sollte dahinter errichtet werden. Weiters tauchte das Problem auf, dass auch das alte Gebäude renovierungsbedürftig war, vor allem, was die ursprüngliche Technologie anlangte. Es sollten aber keine größeren Veränderungen vorgenommen werden. Also versuchte Giselbrecht, Behandlungsräume und OP-Räume im neuen Gebäude, Büroräumlichkeiten und Hörsäle - es ist auch eine Lehranstalt - im alten Block unterzubringen. Giselbrecht vermied es, den Zubau direkt anzuschließen und ließ das alte Gebäude in seiner Struktur unberührt: ein verglaster Durchgang stellt die Verbindung zwischen altem und neuem Gebäude dar.

Außerdem bestand die Notwendigkeit, das alte Gebäude mit Fluchtstiegenhäusern zu versehen und Teile der Fassade des 3. Stockes zu erweitern. Dies geschah auf moderne Art und Weise, der Geometrie von Otto Wagner folgend.
Der Felsen vor dem alten Hauptgebäude machte eine seitliche Zufahrt notwendig. Das Zentrum des gesamten Krankenhauskomplexes befindet sich in westlicher Richtung, somit machte es Sinn, die Eingänge in dieser Richtung zu situieren, während sich eigene Zufahrten für ambulante Notfälle im Osten befinden. Giselbrecht versuchte erst gar nicht, Otto Wagners Symmetrie fortzusetzen, obwohl er die zentrale Achse des alten Gebäudes respektierte und als Hauptverbindung zur ursprünglichen Haupttreppe aufrechterhielt. Eine zweite Verbindung weiter östlich im Erdgeschoss und im 1. Stock stellt die Hauptroute dar, die von Ärzten und Schwestern benutzt wird, um in den neuen Trakt zu gelangen. Der Haupteingang befindet sich zwischen altem und neuem Gebäude. Während die Besucher links in den neuen und rechts in den alten Trakt eintreten, gelangen die Ärzte geradeaus über den schmalen offenen Hof zu ihrem eigenen Eingang. Dieser Hof ist das neue Herzstück und ein bedeutender Blickfang. Er beherbergt ein geometrisches Kunstwerk aus poliertem Stein des tschechischen Bildhauers Vaclav Fiala.
Das neue Gebäude besteht aus 3 Ebenen: im Erdgeschoss befinden sich Ambulanz und Notaufnahme, im 1. Obergeschoss gibt es 3 Operationsräume und die damit verbundenen Einrichtungen, im Geschoss darüber befinden sich die Technikräume. Auf der nordöstlichen Rückseite bilden die 2 Lifte, die Platz für Krankenbetten bieten, einen Serviceturm, der das Gebäude plötzlich enden läßt, während der Eingangsbereich offen ist und einen schützenden Flügel darstellt, der sich wie ein Schirm über der Dachterrasse im 2. Stock ausbreitet und offen und einladend wirkt. Die Südwestseite des Erdgeschosses ist völlig verglast, den Bereich des größten öffentlichen Interesses markierend: den Ambulanzbereich. Die Glaswände ermöglichen einen freien Blick aus der Wartehalle, und es bietet sich auch die Möglichkeit, die überdachte Terrasse zu nutzen. Die Behandlungsräume sind zu einem roten Block zusammengefaßt und durch ein Oberlichtband mit der Wartehalle verbunden, auch die Türen sind rot. Eine rebellierende Farbe in diesem sonst weißen neutralen Gebäude. Obwohl die Farbe Rot Feuer und Gefahr symbolisieren mag, und hinter diesen Räumlichkeiten möglicherweise böse Entdeckungen gemacht werden, so scheint es doch die richtige Farbe zu sein, um Mut zu fassen; wäre alles in weiß gehalten, so würde es einen zu antiseptischen Charakter vermitteln.

Als ausgebildeter Maschinenbauer hat Giselbrecht eine Vorliebe für Details. Da er ein dauerhaftes Budget zur Verfügung gestellt bekam, konnte er teure Materialien verwenden, so z.B. konnte er die Waschräume mit poliertem Stein auskleiden. Jeder Winkel ist hübsch gestaltet, sämtliches Zubehör gut eingepasst. Rahmenloses Glas und emaillierte Paneele sorgen für glatte Oberflächen. Das Spiel mit dem Sonnenlicht gehört zu Giselbrechts beliebtesten Themen. Horizontale Metalllamellen sorgen aufgrund der Perforation im geschlossenen Zustand für geringen Lichteinfall.

Das hohe Niveau der Spezialisten tritt nicht so sehr in den Vordergrund, es herrscht vielmehr eine scheinbare Kontinuität zwischen der Technologie der Architektur und medizinischem Equipment. Alles deutet auf höchste Effizienz hin. Das elektronische Netzwerk stellt einen bedeutenden technischen Vorteil dar, der von den Ärzten sehr geschätzt wird, jedoch in der Architektur nicht offensichtlich ist. Dieses erlaubt es, Operationen zu filmen und aufzuzeichnen. So ist der Hals-Nasenbereich nicht nur für den Chirurgen einsehbar, sondern auch für Kollegen und Studenten. Minikameras machen es möglich, alles im Detail zu verfolgen. Operationen werden für Schulungszwecke und für den Fall späterer Komplikationen routinemäßig auf Videobänder aufgezeichnet. Ein ganzer Hörsaal kann auf einem großen Bildschirm eine Operation verfolgen, ohne die sterile Atmosphäre dabei zu gefährden.
Ein ziemlich erheiterndes Detail ist die Präsenz von Wanduhren, die im privaten Bereich größtenteils durch Armbanduhren ersetzt wurden. Nachdem die Zeit in jedem Stockwerk des Krankenhauses angezeigt wird, wird der Zweideutigkeit kein Platz mehr eingeräumt: sie drückt Teamwork und Kontrolle rund um die Uhr aus. Der Architekt erzählte mir, dass einer der Ärzte die digitale Uhr im Hörsaal bemängelte. Er würde eine Uhr mit Zifferblatt bevorzugen. Diese würde die Uhrzeit genauso präzise anzeigen, jedoch der räumlichen Repräsentation dienen.

Als ich mich bei den jüngeren Ärzten umhörte, gewann ich den Eindruck, dass diese sehr stolz auf ihr neues Gebäude sind, welches die Effizienz ihrer Organisation ausdrückt.

Auch für den Krankenhausvorstand war dies der wichtigste Aspekt: Die Maschinen entsprechen dem neuesten Stand der Technik und mit Hilfe der Architektur gelang es, Maschinen und Ästhetik zu verschmelzen, wie es um 1920 nicht möglich sein konnte.
In einer lebensbedrohlichen Situation ist man dankbar für eine solch ruhige Umgebung, für die technische Kontrolle und die neuesten Geräte. (Peter Blundell Jones, Architectural Review 03/2002)

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Für den Beitrag verantwortlich: HDA

Ansprechpartner:in für diese Seite: Karin Wallmüllerbaudatenbank[at]hda-graz.at

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