Bauwerk

Landeskrankenhaus Hartberg
Klaus Kada - Hartberg (A) - 1999
Landeskrankenhaus Hartberg, Foto: Angelo Kaunat
Landeskrankenhaus Hartberg, Foto: Angelo Kaunat
Landeskrankenhaus Hartberg, Foto: Angelo Kaunat
14. September 2003 - Az W
Kadas bisher größter und kompliziertester Auftrag folgt der Vorstellung, die Gebäudemasse in unabhängige Flächenteile aufzulösen, den Raum aus einer Choreografie von klaren Schichten und Flächen aufzuspannen und eine vielfältige, innige Durchdringung von Außen- und Innenraum entstehen zu lassen. Die größtmögliche Transparenz aller Übergänge und Raumgelenke zu erreichen war hier das Ziel.
Mit kompakten Umrissen und kurzen inneren Wegen ist das Volumen so locker und gelenkig auf die prachtvolle Wiese am Ortsrand gesetzt, dass Natur und Architektur einander intensiv durchdringen. Das Gebäude generiert eine peripher-urbane Situation. Es inszeniert alle vorhandenen Qualitäten des Grundstücks durch die Verteilung und poröse Verknüpfung der verschiedenen Trakte, und es entspannt dabei die hoch technisierte Funktionsballung eines regionalen Spitals in die luftige, übersichtliche Atmosphäre eines voralpinen Sanatoriums oder Thermen-Hotels: das ganze umgebende Panorama des oststeirischen Hügellandes ist hier in das innere Erlebnisprofil der Anlage herein genommen.
Der Haupttrakt erstreckt sich längs über den leicht nach Osten geneigten Hang. Er ist gemäß der Hangneigung von vier auf drei Geschoße abgestuft, reicht am Ostende relativ hoch über das Niveau der angrenzenden Straße, kragt über das in den Hang eingeschobene Sockelgeschoß aus und löst sich dort vom Terrain. Gemeinsam mit dem parallel im Norden verlaufenden, niedrigeren Funktionstrakt (OP-Bereiche, Labors etc.) bildet der hohe Bettentrakt eine klare Kante orthogonal zum alten Krankenhaus.
Ein weiterer Bettentrakt ist in Richtung Südosten, parallel zur Straße, so angeschlossen, dass der alte Obstgarten im Südwestteil als ruhiger, vom Verkehrslärm abgeschirmter Park erhalten blieb. In der Mitte der Anlage, wo sich die Funktionen und Volumina überschneiden, löst eine verglaste Halle den Knoten in Transparenz auf: hier treffen Innen-, Außenraum und alle Wege zusammen und verbinden sich zu einem offenen Zentrum der Verteilung, des Überblicks und der Erschließung.
Hier entstand ein Ort, der Stadt und Land in einem neuen „Hauptplatz“ vereint. Dieser „Platz“ ist freilich ein in mehreren Ebenen geschichteter, dynamischer Knoten, ein Relais also, das die Raumverhältnisse des Kontextes in sämtlichen Maßstäben und Höhenlagen auf sich fokussiert, verwandelt und neu in Szene setzt. Räumlich definiert sich die Halle durch die Stirnseiten bzw. Außenfassaden der andockenden Gebäudeteile.
Eine minimierte Stahl-Glaskonstruktion umhüllt den vier Etagen hohen Luftraum, drei frei gespannte Brücken durchqueren ihn, erschlossen durch den gläsernen Besucherlift und die frei gestellte Stahltreppe vor dem statisch/optischen „Haltepunkt“ - dem Winkel der Sichtbetonwände an der Nordwestecke der Halle. Die oberste Brücke führt auf das Dach des östlichen Bettentraktes auf einen großzügigen Dachgarten, der als teilweise überdachtes Plateau hoch über Stadt und Landschaft schwebt.
In den zweihüftigen Bettentrakten konnte Kada das Ideal der Tageslichtkontinuität nur partiell durchsetzen. Dafür gibt es einige andere Innovationen. So bieten die üblicherweise hermetischen OP-Bereiche über Oberlichte die Möglichkeit für Tageslicht und Ausblick zu den Bergen. Und die Fensterwände der Bettentrakte sind so gestaltet, dass auch im Liegen ein Ausblick zum Grünraum hinunter möglich ist. Das auffallend niedrige Parapett der Fixverglasungen in den Zimmern ist zugleich als Sitzbank ausgebildet, die höhere Brüstung des mittigen, zu öffnenden Fensterabschnitts kann als Lümmelbord benützt werden. Die Sanitärräume strahlen zum Gang hin durch opak verglaste, senkrechte Schlitze zusätzliches Licht und bewirken damit zumindest eine „funktionelle“ Transparenz zwischen Zimmer- und Gangzonen.
Drei größere „Kunst & Bau“-Interventionen setzen eigene Akzente: Michael Kienzers Ausstattung der Kapelle, Luc Deleus Außenlaternen und Rudi Molaceks Glaswand in der Halle, wobei die beiden letzteren, besonders aber die dekorative Wand in der Halle die konzise Architektur unnötig irritieren.
Dieses Krankenhaus stellt weder seine hoch gerüstete Technik klinisch zur Schau, noch suggeriert es ein scheinbar harmloses, „gemütliches“ Wohnmilieu. Vielmehr ist mit enormem Detaileinsatz, mit vielen kleinen Extras eine sachliche Umgebung geschaffen, eine optimierte, ganzheitliche Funktionalität, die das Wohlbefinden aller Nutzer:innen unaufdringlich unterstützt, wobei alle gestalterischen Entscheidungen auf elementare Architekturqualitäten konzentriert sind: ein Optimum an Tageslicht, an Übersichtlichkeit, an Wechselwirkung zwischen Innen- und Außenraum, an Leichtigkeit von Materialwirkung und Raumerschließung etc. Gerade ein Spital sollte nicht die Anmutung von hermetischer Einhausung, von klinischer Isolation vermitteln, sondern ein selbstverständliches Image von Komfort und räumlicher Ungezwungenheit. In diesem Sinne ist Klaus Kada mit dem LKH Hartberg so etwas wie eine Quadratur des Kreises gelungen, nämlich die transitorische Aura der klassischen, durchgrünten Pavillon-Anlagen in eine neue, moderne Bautypologie zu transponieren. (Gekürzter Text von Otto Kapfinger)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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