Bauwerk

Erneuerung Claramatte
raderschallpartner ag - Basel (CH) - 2006

Das Spiel mit dem Platz

Die Claramatte sei der ‹Jardin du Luxembourg› des Kleinbasel, sagen die Einheimischen. Eine rechteckige öffentliche Grünanlage, die intensiv genutzt wird. Die von Platanen überdachte Freifläche lehnt sich in ihrer neuen Gestaltung an historische Vorbilder aus dem 19. Jahrhundert an, schafft aber ein neues Gefühl von Weite.

7. Dezember 2006 - René Hornung
Die Claramatte hat alles, was ein öffentlicher Platz braucht: eine Freifläche unter einem dichten Platanen-Dach, ein gelber Stabilizerbelag, der wie eine klassische Chaussierung wirkt, und die mit gebundenem Kies belegten Wege am Rand. Dazu ein Musikpavillon, Planschbecken, Kiosk, WC-Häuschen – und viele, viele Spielmöglichkeiten für Kinder. Die Aufteilung und Nutzung dieser – neben der Kaserne – einzigen grösseren Freifläche im Kleinbasel geht auf die intensive Mitsprache der Anwohner und des Vereins Claramatte zurück.

Schon bevor sich die Christoph Merian Stiftung und die Stadt Basel des etwas heruntergekommenen Platzes annahmen und im Jahr 2000 den Wettbewerb für die Neugestaltung ausschrieben, lagen Dutzende von Anwohnerwünschen auf dem Tisch. Den Wettbewerb mit fünf eingeladenen Büros gewannen Raderschall Landschaftsarchitekten mit einem Konzept, das sich an die Platzgestaltung aus dem 19. Jahrhundert anlehnt. Allerdings: «Wir sind nicht historisierend vorgegangen, wir haben das Alte uminterpretiert», betont Sibylle Aubort Raderschall.

Blenden wir zurück: Entstanden war die Claramatte aus einem Teil des einstigen Obstgartens des Frauenklosters St. Clara. Die Obstbäume standen noch, als die in einer Mulde liegende Wiese ab 1820 im Sommer als Turnplatz und im Winter als Eisbahn genutzt wurde. Bis 1865 die Liegenschaftenbesitzer rundum reklamierten, weil das auftauende Eis als Wasser in ihre Keller lief. Knappe zehn Jahre später war bürgerliches Promenieren angesagt. Die Mulde wurde eingeebnet und 1872 ein ‹Square› nach englischem Vorbild eingerichtet – eine nobilitierte Anlage direkt vor der Türe des öffentlichen ‹Brausebades›. Die letzte einschneidende Änderung erfolgte in den Fünfzigerjahren, als die Längsseiten der Claramatte abgeschnitten und zu Parkplätzen verwandelt wurden. Immerhin verschonte man die Bäume, zwischen die die Autos fortan platzsparend schräg einparkiert wurden. Jetzt, wo die Autos in der neuen Quartierparkgarage unterm Boden stehen, haben diese alten Bäume ihren Platz wieder im Park.

Eine weitere Altlast war die Unterteilung: Weil man die spielenden Kinder in den letzten Jahrzehnten vor Clochards verschonen und von der Hundekot-Plage befreien wollte, wurde der Kinderspielplatz in der Platzmitte mit Zaun und Tor abgesperrt. Die Claramatte war zweigeteilt, die Restfläche mit dem Musikpavillon wurde eine unattraktive Asphaltfläche. Nachts war und ist das Geviert teils heute noch düsteres Revier der Prostituierten und Freier. Die dicht stehenden Platanen liessen kaum Licht durch.

Als sich Raderschall Landschaftsarchitekten an die Detailplanung machten, ging es nicht nur um den Kinderspielplatz. Es begann auch eine Diskussion um den dichten Baumbestand ab. «Wir wollten die heute in zwei Kreisen stehenden Platanen ursprünglich schrittweise durch zwei ‹Dächer› aus geschnittenen Platanen ersetzen, um so dem anfänglichen Ruf aus dem Quartier nach mehr Licht nachzukommen», erinnert sich Roland Raderschall. Doch weil sich im Jahrhundertsommer 2003 die Leute nach kühle ren Schattenplätzen sehnten, kippte die Stimmung: «Die alten Bäume erhalten», hiess die Forderung nun – und so stehen die zwei Platanenkreise weiterhin. Dennoch ist die Claramatte heller geworden: Die Parkplätze am Rand sind weg, die Chaussierung ist hell und dank den Zugängen in den Ecken – die dank der Hartnäckigkeit der Landschaftsarchitekten wieder geöffnet wurden – kann man die Anlage wieder von überall her betreten. Aber auch Vertrautes finden die Quartierbewohner wieder: Der Brunnen mit der wasserspeienden Schlange steht wieder hier und auch der Frosch hat seinen Platz bekommen. Neu ist der ‹Kinderkiosk›, in dem es Trinkbares gibt und die Spielgeräte über Nacht eingestellt werden. Weil die Kinderspielplätze nun am Rand angelegt sind, wirkt die Platzmitte grosszügig weit. Kein festes Mobiliar versperrt den Weg, die Tisch-und-Bank-Einheiten können frei herumgetragen werden, die dreissig Einzelstühle ebenfalls.

Hauptattraktion der Claramatte ist der Kinderspielplatz, der nicht mehr abgetrennt ist und Offenheit gegenüber allen Bevölkerungsgruppen signalisiert. Der Augenschein zeigt: Das funktioniert bestens. Entworfen und gebaut wurde die burgähnliche Anlage mit Brücken und Kletterturm, Rutschbahnen, Seilbahnen und anderen Attraktionen von Fabio Guidi und Urs Wiskemann von der Motorsänger GmbH (HP 9/05). Die zwei Gestalter begeistern die Kinderherzen, ohne auf das meist öde Spielplatzmobiliar zurückzugreifen, und erfüllen dabei erst noch die bfu-Sicherheitsempfehlungen. Ein paar Meter weiter steht eine andere Kinderattraktion: Aus der einen Wand des u-förmigen Wasserkanals spritzt es alle Viertelstunde. Wer Mut zeigt, springt dazwischen oder fährt mit dem Velo durch Raderschalls ‹Planschbecken›. Im Boden eingelassen erkennt man den Lauf des Rheins von der Quelle bis nach Rotterdam. Der Rhein? Klar: Der Fluss liegt nur ein paar Steinwürfe entfernt. «Der Rhein aber auch, weil ich ursprünglich Rheinländer bin», lacht Roland Raderschall. Und noch ein Eingriff trägt die Handschrift der Landschaftsarchitekten: die Farbe der Bänke. «Wie überall ist auch in Basel das Stadtmobiliar streng normiert», stellt Sibylle Aubort Raderschall fest. Zugelassen ist eigentlich die Bank nur mit Sitzflächen in Naturholz oder in Dunkelblau. Die Projektgewinner redeten dann so lange auf die Verantwortlichen der Stadt ein, bis das Einheitsmodell in frischem Grün-Gelb bewilligt war. Und jetzt realisiert es auch der Laie: Dieser spärlich gesetzte Farbakzent gibt der Claramatte einen frischen Touch. Nachts sorgen farbige Diodenlichter für eine besondere Stimmung: Im Planschbecken schimmert das Wasser und im Innern der Platanenkreise beleuchten sie das grüne Dach vom Boden her.

So einfach, klar und offen sich die im Juni 2006 wieder eröffnete Claramatte heute präsentiert, so gross war der Aufwand, dies zu erreichen: Alles Oberflächenwasser wird gesammelt und versickert über neu angelegte Schächte zurück in den natürlichen Kreislauf. Die gesamte technische Infrastruktur musste unter den Wurzeln der alten Bäume hindurch gefädelt werden, Baumpfleger standen permanent auf Pikett – und es hat sich gelohnt. Der Anlage mit den alten Platanen gehts prächtig.

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönighoenig[at]hochparterre.ch

Akteure

Landschaftsarchitektur

Bauherrschaft
Christoph Merian Stiftung
Stadt Basel