Bauwerk

Büro- und Geschäftshaus
BEHF Architects - Klagenfurt (A) - 1998
Büro- und Geschäftshaus, Foto: Rupert Steiner

Wie ein Rufzeichen aus Beton

Sichtbeton, Glas und Zinkblech: Mit der Beschränkung auf drei Materialien ist es dem Team BEHF nicht nur gelungen, eine Atmosphäre von Offenheit und Durch- lässigkeit zu schaffen; es setzt mit seinem mischgenutzten Gebäude auch einen städtebaulichen Akzent in Klagenfurt.

10. März 2000 - Liesbeth Waechter-Böhm
BEHF – das Architektenteam Erich Bernhard, Armin Ebner, Susi Hasenauer un Stephan Ferenczy – ist bisher vor allem durch ihren Beitrag zur qualitativen Verbesserung einer bislang architektonisch höchst unterentwickelten Bauaufgabe in Erscheinung getreten: jener der Verkaufsketten-Architektur: BEHF baut die Libro-Filialen. Speziell die neuen haben durch das Konzept von BEHF ein erfrischend zeitgemäßes Outfit erhalten, aber auch ältere werden mehr und mehr umgeschneidert, entsprechend der aktuellen Corporate Identity transformiert. Und das bedeutet für jeden Kontext, nicht nur den großstädtischen, einen Gewinn. Aber nicht nur Libro profitiert von der Eindeutigkeit der architektonischen Haltung dieser Gruppe. Ein kleines Projekt in Klagenfurt, das im Vorjahr den Kärntner Landesbaupreis erhalten hat, führt das überzeugend vor. Dabei geht es um einen sogenannten Fachmarkt – es handelt sich um eine Billa-Filiale – und um Büros. Eine typische Mischnutzung also, wie man sie in urbanen Zentren im großen, in mehr peripheren Lagen oder in reinen Wohnquartieren eher im kleinen antrifft.

Gelöst haben die Architekten diese Aufgabenstellung mit einer Folgerichtigkeit, die sich aus den unterschiedlichen Funktionen herleitet, die aber auch im Kontext der konkreten Bedingungen einen städtebaulichen Akzent setzt.
Der Baukörper ist von seiner eher kleinteilig bebauten Umgebung deutlich abgerückt und so auf das Grundstück gesetzt, daß dadurch zwei ganz unterschiedlich definierte Bereiche entstehen. Direkt an der Straße natürlich der Eingang des Supermarktes und die Zufahrt zum Parkplatz. Der ist nach der einen Seite durch eine Mauer be- grenzt, nach hinten, zur anschließenden Wohnbebauung – ursprünglich sollte hier eine Durchgangsmöglichkeit bestehen, die aber von den Anrainern nicht akzeptiert wurde – nur durch einen niedrigen Zaun.
Das heißt, die im dicht verbauten Gebiet ja doch eher unangenehme Sackgassen-Situation konnte hier maßvoll relativiert werden. Und sie ist so gestaltet, daß alle indirekten Aufforderungen an die Benutzer, daraus eine Abstell - oder gar Müllzone zu machen, peinlich vermieden wurden.
Diese Botschaft ist lesbar: Unterschiedliche Oberflächen auf dem Boden zeigen ganz klar, wo die Autoabstellflächen sind, wo aber auch, die ganze Gebäuelänge entlang, eine nur begehbare Freifläche ist – letztere ist aus Beton und wird dadurch zu einer Art Verlängerung des ebenfalls in Sichtbeton errichteten Hauses. Eine frisch gepflanzte Baumreihe und der vom Haus ein wenig weggekippte Glaskörper für die abgestellten Einkaufswagen unterstreichen diese Differenzierung.

An der gegenüberliegenden Längsseite des Hauses ist der Freibereich enger und weniger öffentlich formuliert. Aber hier geht es ja auch zu den Büros, der „Parteienverkehr“ ist im Gegensatz zum Kommen und Gehen der Billa-Kunden eine deutlich geringere Größe. Das Aper¸cu eines Trafohäuschens wurde ebenfalls als strenger Betonkörper ausgebildet und wirkt wie ein gebautes Rufzeichen des großen Hauses. Sehr zum Leidwesen der Architekten kann es aber weder in der Betonqualität noch in der Detailausführung mit seinem mächtigeren Nachbarn mithalten.

Das Haus selbst resultiert, wie gesagt, aus der folgerichtig und konsequent überlegten Interpretation der beiden funktionellen Anforderungen. Der Supermarkt muß natürlich im Erdgeschoß sein. Und er braucht Fläche: Verkaufsfläche und Lagerraum. Die beisen Büroeinheiten kommen hingegen mit deutlich geringeren Flächen aus, dafür spielen Tageslicht und Ausblick hier eine entscheidende Rolle.
Und genau das zeigt das Gebäude, denn es besteht aus zwei entsprechend unterschiedlich dimensionierten aufeinandergestapelten Schachteln, die durch eine – abends unterleuchtete – Fuge getrennt sind, sodaß im Dunkeln wirklich der Eindruck entsteht, die kleine Schachtel schwebe über der größeren.
Es ist ein Haus – ohne Details. Es gibt nur drei Materialien, die nach außen in Erscheinung treten Glas, Sichtbeton – übrigens in ganz erstaunlicher Qualität – und Zinkblech. Wo es von außen etwas zu sehen gibt, verweist dieses Etwas immer auf einen inhaltlichen Tatbestand.

Im Erdgeschoß etwa macht die straßenseitige, um die Ecke gezogene, raumhohe Verglasung den Supermarkt einsehbar, und die parkplatzseitige Zinkverblechung am hinteren Ende der Längsfassade bildet die Anlieferungs- und Lagerzone des Supermarktes ab. Das fast raumhohe Fensterband der beiden Längsfassaden im Büroteil demonstriert ebensolche Eindeutigkeit, und nach hinten, zur Wohnbebauung, schaut eine nüchterne Sichtbetonwand, die nur durch die zurückgesetzte Bürobox und natürlich die minuziöse Fugenteilung der Ortbetonfronten differenziert ist. Diese Differenzierung ist minimal – und doch gleitet der Blick nicht einfach darüber hinweg; sie bietet genau soviel visuellen Halt, wie es unbedingt braucht.

Diese Haltung, sich auf die Formalisierung tatsächlich vorhandener Funktionen zurückzunehmen, charakterisiert das ganze Haus. Der Stiegenaufgang zu den Büros zum Beispiel ist in die Erdgeschoßzone eingeschnitten. Dadurch wir das leidige Vordach überflüssig, und man ist trotzdem wettergeschützt, wenn man vor der Eingangstür steht. Der Aufgang drinnen ist durch eine Lichtdecke wunderbar belichtet, links und rechts vom Treppenabsatz oben geht es zu den beiden Büroeinheiten.
Auch die sind durch die Einheitlichkeit der eingesetzten Materialien und eine Offenheit und Durchlässigkeit charakterisiert, der man einfach Großzügigkeit attestieren muß.

Was toll ist: Die 2,20 Meter hohen Fensterbänder kommen mit einer Parapethöhe von 60 Zentimetern aus und haben kein irgendwie vorgesetztes Geländer gebraucht.
Möglich wurde das, weil unter den Fenstern eine Art tiefer Sockel entlangläuft, der aber nicht nur als Sicherheitsmaßnahme eingesetzt ist. Darin ist die Haustechnik geführt, darauf kann man sitzen, und vor allem als Ablagefläche hat er sich bestens bewährt. Deswegen war es auch wichtig, daß die Architekten Schiebefenster verwendet haben, die der Benutzung dieses
Sockels nicht im Weg sind.

Die einzige räumliche Festlegung in den Bürozonen besteht aus dem – auch konstruktiv wirksamen – Versorgungskern mit den Teeküchen, WC-Anlagen und einem Abstellraum. Alles Mobiliar ist raumhoch und raumteilend ausgebildet, unsichtbare Schiebewände können bei Bedarf daraus hervorgezogen werden.

Es gibt also beides: Offenheit und räumlichen Fluß, wenn es aber temporär gebraucht wird, dann läßt sich mit einem Handgriff auch eine abgeschlossene Raumsituation schaffen. Das einzige, was hier nicht ganz geglückt ist, ist er Fußboden. Er stimmt farblich nicht, er ist nicht gut ausgeführt. Aber das sind Abstriche, die der Architekt in Kauf nehmen muß, wenn er nur über Dritte, über den Generalunternehmer, mit den beauftragten Firmen kommunizieren kann. So rigoros reduzierte Konzepte, die auf eine perfekte Ausführung angewiesen sind, leiden darunter.
Worunter sie ebenfalls leiden, das ist eine nicht adäquate Nutzung. Man kennt das aus anderen Bereichen, speziell aus dem Wohnbau. Wenn das Angebot des Architekten auf Unverständnis stößt, dann entfalten seine Qualitäten eben nicht ihre volle Wirkung.
Man spürt das, wenn man die zweite Büroeinheit betritt, die vom Mieter gravierend „uminterpretiert“ wurde. Funktionell ist auch dort alles bestens, aber atmosphärisch läßt sie genau das vermissen, was im architektonischen Konzept angedacht war: das Bild einer offenen, kommunikativen Arbeitswelt, das die Enge abgeschlossener Zellenbüros früher oder später ja doch ablösen wird.

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