Bauwerk

Ground Zero - Neubebauung
- New York (USA) - 2002

Was bleibt?

Anhaltende Querelen um Ground Zero

21. Mai 2005 - Andrea Köhler
27 Monate nachdem Daniel Libeskinds Pläne für den New Yorker «Freedom Tower» ausgewählt wurden, 17 Monate nach ihrer Überholung durch David Childs und ein knappes Jahr nach der Grundsteinlegung steht auf Ground Zero wieder alles zur Disposition. Im vergangenen Monat hat die Polizei plötzlich Sicherheitsbedenken an Libeskinds «Freiheitsturm» angemeldet. Nach Angaben der für den Wiederaufbau zuständigen städtischen Kommission wird sich der Bau des 533 Meter hohen Wahrzeichens nun voraussichtlich bis mindestens 2010 verzögern; manche fürchten gar eine komplette Neuüberholung aller Bebauungspläne für das Gelände. Das wichtigste und umstrittenste Bauprojekt der letzten Jahre droht in einem Chaos aus politischen Ränkespielen und privaten Interessen zu versinken.

Erst Anfang des Monats ist der für die Durchführung der Bebauung zuständige Präsident der Lower Manhattan Development Corporation überraschend zurückgetreten - ausgerechnet in einem Augenblick, wo sich die schlechten Nachrichten für den um Monate hinter den ursprünglichen Plänen zurückliegenden Wiederaufbau von Ground Zero überstürzen. So tritt der von New Yorks Gouverneur George Pataki letzte Woche neu ins Amt berufene Koordinator John Cahill denn einen schwierigen Job an. Kürzlich hat die Investmentbank Goldman Sachs ihre Pläne, nahe Ground Zero ein neues Hauptquartier für rund zwei Milliarden Dollar zu bauen, aus Sicherheitsgründen zurückgestellt. Eine Quelle der Sorge ist der für die West Street geplante Tunnel, ein Projekt, das mit dem Rückzug von Goldman Sachs nun wieder zur Disposition steht. Die Bedenken der Firma blieben nicht ohne Konsequenz für Libeskinds 70-stöckiges Freiheitssymbol. Nach den ursprünglichen Plänen steht es nur 7 Meter von der stark frequentierten West Street entfernt - und ist damit eine potenzielle Zielscheibe für terroristische Anschläge durch Autobomben. Nun soll der Turm um 35, wenn nicht 70 Meter versetzt werden und überdies kleiner ausfallen, ausserdem wurden dickeres Glas und stärkere Mauern gefordert. Wie das Gebäude letztlich ausfallen wird, weiss im Moment also keiner.

Auch sonst ist die Zukunft der gigantischen Baustelle, die noch immer wie ein nicht zu Ende planierter Parkplatz aussieht, weitgehend offen. Der Immobilienunternehmer Larry Silverstein, der als Pächter des zerstörten World Trade Center an der Bebauung des Areals federführend beteiligt ist, soll für sein 52-stöckiges Hochhaus direkt neben der Baugrube bis anhin erst einen Mieter gefunden haben - seine eigene Firma. Ohne Mieter aber könnte das ganze Projekt zu einem gigantischen Zuschussgeschäft für den Staat werden. So geht das Gerücht, dass Pataki und Bürgermeister Bloomberg nach einem Anlass suchten, um Silverstein, der das sechseinhalb Hektaren grosse Gelände von der Stadt für 99 Jahre gepachtet hat, zu entmachten und die Planung der staatlichen Behörde Port Authority zu übertragen.

Die von Silverstein gerichtlich erstrittene, 4,6 Milliarden Dollar hohe Versicherungssumme für das WTC reicht für die Wiederbebauungskosten jedenfalls bei weitem nicht aus, sie werden inzwischen auf insgesamt 12 Milliarden Dollar veranschlagt. Der Rest muss über Kredite und Subventionen finanziert werden. Das hat besonders für die geplanten kulturellen Institutionen erhebliche Konsequenzen. So steht das Schicksal des Performing Art Center, für das Frank Gehry verpflichtet wurde, sowie des von Santiago Calatrava geplanten Kulturzentrums noch in den Sternen; auch über das Design des Memorials für die Toten des 11. September 2001 herrscht weiterhin Unklarheit. Gestern ist immerhin der Entwurf für das neue Museum bekannt gemacht worden, in dem das International Freedom Center und das Drawing Center untergebracht werden sollen. Verantwortlich für das Design ist die norwegische Firma Snohetta.

Inzwischen hat sich auch der Immobilien- Mogul Donald Trump in gewohnt lautstarker Manier als Bauherr empfohlen; das Design des Freedom Tower, erklärte der Milliardär der «New York Post», sei ohnehin eine «Idee von Eierköpfen». Trump hat auch schon Gegenvorschläge zu dem «architektonischen Schrott» von Libeskind vorgelegt: Das alte World Trade Center soll nahezu originalgetreu wieder aufgebaut werden, nur eben «höher, stabiler und besser». Wie immer man zu der Ästhetik der Twin Towers von Yamasaki stehen mag, das Trauma der Attentate würde durch ihre Wiedererrichtung nicht ausgelöscht, sondern verewigt. Doch für solche Zimperlichkeiten hat Trump bekanntlich wenig Verständnis.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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