Bauwerk

Bahnhofplatz Zürich Altstetten
raderschallpartner ag, Roland Raderschall - Zürich (CH) - 2005

Geschwindigkeit und Langsamkeit

Bahnhofplatz Zürich Altstetten

Der alte Bahnhofplatz war in die Jahre gekommen. Als Werk der 1960er Jahre wollte er die Fahrgäste mit Rasenflächen und Rosenrabatten erfreuen. Mit dem zwischenzeitlich völlig veränderten Umfeld und den massiv erhöhten Benutzerfrequenzen wurde eine Neugestaltung des Platzes notwendig.

11. Juni 2007 - Roland Raderschall
Zürich Altstetten hat in den 1980er und 90er Jahren, bis heute anhaltend, den Wandel von einer ruhigen dörflichen Vorortgemeinde zu einer dynamischen Wohn- und Bürostadt durchlaufen. Tausende neue Arbeitplätze sind in den vergangenen Jahren entstanden, unter anderem mit den Hauptsitzen internationaler Firmen wie zum Beispiel der IBM. Der verschlafene Vorortbahnhof ist zu einem der meistfrequentierten Bahnhöfe der Schweiz avanciert und war mit seiner lieblichen gärtnerischen Gestaltung eher zum Ärgernis und Störfaktor der täglichen Pendlerströme gediehen. In einem Studienverfahren suchte die Stadt Zürich demzufolge eine neue Konzeption für den Bahnhofplatz.

Ruhe und Bewegung

Der Altstetterplatz verfügt mit drei markanten Gebäuden über klare Begrenzungen, zur Hohlstrasse hingegen fehlte der räumliche Abschluss. Die notwendigen Buswartehallen entlang der Hohlstrasse wurden entsprechend neu entworfen und über das notwendige Mass hinweg so stark vergrössert und architektonisch markant ausformuliert, dass der Platz einen kräftigen, aber durchlässigen Abschluss gegen die Strasse erhielt. Das auf langen Schotten gelagerte Dach wird das Pendant zu den gegenüberliegenden Baumfeldern. Die Wartezone dient als Bushaltestelle und transitorischer Raumabschluss. In die tragenden Schotten integriert wurden die Werbe- und Informationselemente wie auch die Beleuchtung, und nicht zuletzt die Sitzbänke der Haltestelle.

Laufen und Warten sind die entgegengesetzten, aber prägenden Tätigkeiten eines Bahnhofplatzes, Stress und Langeweile die korrespondierenden Gemütszustände. Grosse Fussgängerströme queren den Platz wechselseitig und suchen sich den Weg zu Geleisen, Übergängen und Haltestellen. Diese Bewegungsräume frei zu belassen und die Orientierung zu verbessern, war ein Ziel des Entwurfs. Die neue, asphaltierte Platzfläche ist hindernisfrei gestaltet und bis auf eine, nur in den Randstunden verkehrende, Buslinie für Fahrzeuge gänzlich gesperrt. Die gesamte Parkierungsinfrastruktur, auch für Fahrräder, wurde in den seitlichen Lagen angeordnet, um den Platz auch wirklich frei zu spielen. Farbige Bodeneinbauleuchten in Reihe versetzt leiten den Fussgänger vom Bahnhof zu den Zebrastreifen, respektive umgekehrt. Die Farben Rot und Blau der Lampen verweisen dabei einerseits auf das Logo der SBB, andererseits erinnern sie an die Runways der Flughäfen, sind Metaphern des Reisens. Im Kontrast zu den leeren Bewegungsräumen wurden daneben Aufenthaltsorte geschaffen. Zahlreiche und differenzierte, an der jeweiligen Funktion orientierte Sitzgelegenheiten sowie ein Trinkbrunnen möblieren diese zwei Orte auf dem Platz. Eine mächtige alte und vier Platanen aus den 1960er Jahren wurden erhalten, in Kiesbeläge gesetzt und mit zahlreichen Sitzgelegenheiten versehen, die Warten und Aufenthalt im Schatten der grossen Bäume angenehm gestalten. Die Sitzmöbel sind die Weiterentwicklung eines bereits bestehenden Produktes, das jedoch explizit für den «rauen» Gebrauch auf dem Bahnhofplatz abgeändert wurde. Die nebeneinander liegenden Zonen für das Warten und das Laufen sind somit auch durch «langsame» und «schnelle» Beläge, Kies und Asphalt thematisiert.

Kunst und künstliche Natur

Schon auf dem alten Bahnhofplatz stand die hohe farbige Eisenplastik des Künstlers Bernhard Luginbühl auf einem stufenartigen Sockel. In Absprache mit dem Künstler wurde die Plastik an einen anderen Standort verschoben und erhielt eine neue Bodenplatte. So steht die Plastik nun auf dem Belag, inmitten der Passantenströme, wo sie quasi selber zum Akteur wird.
Der Plastik gegenüber, im Schatten der grossen Platane, wurde ein Wasserfeld angeordnet. In dem langen Wasserbecken ruht eine übermannshohe Mauer aus in Steinkörben geschichteten Kalktuffsteinen. Diese Natursteinmauer wird einseitig permanent mit Wassertröpfchen besprüht. Dadurch entsteht einerseits ein akustisches Gegengewicht zum Verkehrslärm, andererseits entwickelt sich eine eigentümliche Vegetation aus Moosen, Farnen, Flechten. Mit unendlicher Langsamkeit entsteht ein archaischer, zeitloser, lebendiger Mikrokosmos inmitten der dem Verkehr und dem urbanen Alltag gewidmeten Platzfläche. Permanentes Gurgeln und Tropfen tönt aus dem Inneren des massiven Mauerwerks. Mystische Glühwürmchen leuchten in der Dunkelheit geheimnisvoll aus den Ritzen der Mauer.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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