Bauwerk

Parkhaus
Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten - Coesfeld-Lette (D) - 2006
Parkhaus, Foto: Christian Richters
Parkhaus, Foto: Christian Richters
Parkhaus, Foto: Christian Richters

Reinfahren, Parken, Rausfahren

Der erste Bau des Büros Birk und Heilmeyer verbindet ein geschicktes Erschließungskonzept mit bewusster Zurückhaltung nach außen. Verantwortlich für das Gelingen ist neben dem jungen Architektenpaar auch ein aufgeschlossener Bauherr, der mit einem ungewöhnlichen Wettbewerbsverfahren Architekturabsolventen eine Chance gab.

30. Juni 2007 - Karl R. Kegler
Der Firmensitz des Textilunternehmens Ernsting's-family im münsterländischen Coesfeld-Lette zeichnet sich durch ein Ensemble hochwertiger Architektur aus. Mitte der achtziger Jahre setzte das Unternehmen Maßstäbe im Gewerbebau, als es für sein Vertriebs-Center, einer Halle von knapp 19  000 Quadratmetern Geschossfläche, einen Architekturwettbewerb auslobte, den die Bürogemeinschaft Reichlin, Reinhard, Calatrava gewann. Die auffallenden Falttore Calatravas wurden damals in vielen Architekturzeitschriften publiziert. 1999 und 2000 kamen, gleichfalls nach Wettbewerben, weitere hochwertige Bauten hinzu: die Erweiterung des Vertriebs-Centers durch das Kölner Büro Johannes Schilling und der Bau eines Service-Centers durch den Londoner Architekten David Chipperfield. Die jüngste Ergänzung dieses Firmencampus, ein Parkhaus mit 500 Stellplätzen, erfolgte durch das junge Architekturbüro Birk und Heilmeyer aus Stuttgart, das mit diesem Projekt seinen ersten Bau überhaupt realisierte.

Hell, offen, übersichtlich

Selbstbewusst und zugleich selbstverständlich ergänzt das Parkhaus das Miteinander der bestehenden Bauten. Das lang gezogene, schlichte Volumen ist in zwei drehsymmetrische Baukörper gegliedert, die durch eine Fuge getrennt sind. Durch die Baukörper hindurch laufen zwei Parkrampen nach dem Prinzip einer doppelläufigen Wendeltreppe. Die Rampen sind auf drei Ebenen mittig miteinander verbunden, was einen einfachen Wechsel ermöglicht. Die Länge des Parkhauses von 127 Metern gestattet eine angenehme Steigung von 3,2 Prozent.

Im Inneren ist das Parkhaus hell und übersichtlich, dazu trägt auch die mit 3,06 m vergleichsweise großzügige Geschosshöhe bei. Die Parkrampen sind von zwei Seiten natürlich belichtet und belüftet. Die Fuge zwischen den Baukörpern nimmt Treppen auf und erhellt die Innenseite der Parkdecks. Um möglichst viel Licht einzulassen und auch formal die Trennung der Baukörper zu verdeutlichen, sind die in der Fuge angeordneten Treppen und Überfahrten aus Gitterrosten gebildet. Die Fassade besteht aus einer Lattung aus Kanthölzern von 4 cm Breite und 10 cm Tiefe und hat einen Öffnungsanteil von 70 Prozent. Das Grundmodul des Fassadenrasters (13 cm) ist aus der Breite eines Parkplatzes (2,60 m) und dem Achsmaß der Stahlverbundkonstruktion (5,20 m) entwickelt. Insgesamt ist das konstruktive System auf einen hohen Vorfertigungsgrad ausgelegt. Auf die Stahlkonstruktion wurden Betonfertigdecken gelegt und mit Beton ausgegossen, alle übrigen Verbindungen konnten geschraubt werden.

Das effiziente System aus Parkrampen, das zusätzliche Auffahrten überflüssig macht, ermöglichte es den Architekten, die geforderte Zahl an Parkplätzen im hinteren Teil des L-förmigen Grundstücks anzuordnen und so einen respektvollen Abstand zum Vertriebs- und Service-Center einzuhalten. Das Parkhaus sollte sich nicht in den Vordergrund drängen. Die Kubatur des klar definierten Baukörpers wird durch die aufsteigenden Rampen bestimmt. Die schlichte, zurückgenommene Holzfassade zwischen hohen Bäumen vermittelt zwischen den Büro- und Gewerbebauten auf der Ostseite des Gebäudes und dem Wohngebiet aus Einfamilienhäusern, das auf der Westseite angrenzt. Je nach Abstand und Blickwinkel lassen die Holzlamellen den Baukörper zu einem geschlossenen Volumen zusammentreten oder eröffnen Einblicke auf die Parkdecks. Von innen erlaubt die offene Fassade den Ausblick auf den Vorbereich, der wie das übrige Firmengelände parkartig ausgestaltet wird. Die gewählten Materialien – Holz, dunkelgrau gestrichener Stahl und Beton – erzeugen einen unaufgeregten farblichen Dreiklang. Wer als Gast zuerst in das Firmenparkhaus einfährt, erlebt dieselbe Materialpalette aus Holz, Stahl und Beton, wenn er später in das Service-Center von David Chipperfield eintritt. Helligkeit, Offenheit und Übersichtlichkeit des Parkhauses vermeiden alle negativen Assoziationen, die häufig mit diesem Bautyp verbunden sein können – Ein Eindruck, der Bauherrn und Architekten auch deshalb wichtig war, da ein Großteil der Belegschaft aus Frauen besteht.

Gelungene Nachwuchsförderung

Die Realisierung des Parkhauses in Coesfeld-Lette durch das junge Büro ist die Folge eines ungewöhnlichen Wettbewerbs. Im Dezember 2003 lobte Ernsting's-family einen Wettbewerb unter allen Architekturdiplomanden der Jahre 2002 und 2003 aus, die ihren Abschluss mit einer Note besser als 2,0 erreicht hatten. Von hundertfünfzig Bewerbern wurden aufgrund der eingereichten Diplomarbeiten in einer ersten Phase fünfzig ausgewählt, die zur Bearbeitung des Wettbewerbs eingeladen wurden. In der zweiten Phase erreichten Stephan Birk und Liza Heilmeyer den ersten Platz und wurden mit der Realisierungsplanung beauftragt. Bauleitung und Kostenplanung wurden – auf Wunsch des Bauherrn – in die Hände des Büros Pfeiffer/Ellermann/Preckel gelegt, das sich in größerer Nähe zu Lette befindet.

Für die Preisträger, die zum Zeitpunkt der Wettbewerbsentscheidung Ende 2004 beide im Büro Norman Foster in London beschäftigt waren, war der gewonnene Wettbewerb der Auslöser für den Entschluss, nach Deutschland zurückzukehren und in Stuttgart ein eigenes Büro aufzubauen. Das erste eigene Projekt war Chance und Herausforderung zugleich. Die Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiterstab der Ernsting's-Bau-&-Grund und mit Firmengründer Kurt Ernsting, der bei den meisten Baubesprechungen persönlich dabei war, bedeutete die Auseinandersetzung mit einem Auftraggeber, der viel Sinn für architektonische Gestaltung und eine große Erfahrung aus eigenen Projekten einbrachte, aber auch bis ins Detail schlüssige und optimierte Lösungen einforderte. Gestalterische Qualität, so die Überzeugung des Unternehmens, ist nicht allein eine Frage der Ästhetik, sondern lässt sich auch in wirtschaftlichen Erfolgen messen: In einem hochwertigen Arbeitsumfeld sind die Mitarbeiter motivierter und machen weniger Fehler.

Der Zusammenarbeit kam zugute, dass der Bau gegenüber dem Wettbe-werbsentwurf nur wenig verändert werden musste – ein Gesichtspunkt, der sowohl für die Qualität des Entwurfs als auch für das Verfahren spricht. Birk und Heilmeyer konnten ihren Auftraggeber auch von der Machbarkeit der vorgeschlagenen Holzfassade überzeugen, der man anfänglich leicht skeptisch gegenüberstand. Die Kanthölzer aus Douglasie haben einen ersten Schutzanstrich erhalten, sollen aber mit der Zeit natürlich altern können und eine silbergraue Färbung entwickeln. Für diese Behandlung konnten die beiden Architekten auf Erfahrungen aus der Schweiz verweisen. Eine der wenigen nachträglichen Ergänzungen stellt das Falttor an der Einfahrt des Parkhauses dar. Es nimmt ein Architekturmotiv auf, das sich nun in dreifacher Variation auf dem Firmencampus findet: Neben den bekannten Einfahrten Calatravas weist auch die Erweiterung des Vertriebs-Centers durch Johannes Schilling diese markanten Falttore auf.

Der erst seit Kurzem fertiggestellte Bau wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem Anfang 2007 mit dem Stuttgarter Weißenhof-Architekturförderpreis und im Juni 2007 mit einer Auszeichnung durch den BDA Münster. Diese Preise helfen, aber der Start in die Selbstständigkeit ist trotzdem nicht einfach. Dass der erste Bau ihres Büros nun ein großes Parkhaus darstellt, ist, wie Stephan Birk einräumt, vielleicht etwas ungewöhnlich, »... wir würden allerdings jederzeit wieder eins bauen wollen, die Aufgabe ist wunderbar klar: Reinfahren, Parken, Rausfahren.«

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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