Bauwerk

Fachhochschule St. Pölten
NMPB Architekten - St. Pölten (A) - 2007
Fachhochschule St. Pölten, Foto: Manfred Seidl
Fachhochschule St. Pölten, Foto: Manfred Seidl

Körper mit Knick und Kurve

Frisch, fröhlich, farbig. Beinahe aufregend: die Fachhochschule in St. Pölten. Ein Architekturbüro hat sein Konzept belebt. Eine Besichtigung.

21. Oktober 2007 - Liesbeth Waechter-Böhm
Genau genommen, ist es ein riesiges Gebäude, die Fachhochschule in St. Pölten: 70 mal 70 Meter im Quadrat. Und es enthält schulische Einrichtungen zu den Themen Mensch/Wirtschaft/Technologie. Ausgerichtet war es in der Planungsphase auf 800 Studenten, dann auf 1.200 Studenten, jetzt sind 1.400 da. Es ist aus verschiedenen Gründen ein interessantes Projekt. Städtebaulich setzt es einen Akzent in einer heterogenen, überhaupt nicht attraktiven Umgebung. Längerfristig betrachtet, soll es aber der Auftakt für eine Bildungsachse sein, die sich bis zum Regierungsviertel hin fortsetzt.

Außerdem ist es ein interessantes Errichtungsmodell. Es geht nicht auf einen Wettbewerb zurück. In diesem Fall hat sich der Bauherr einen Errichter und Investor gesucht, der sich verpflichtet hat, das Gebäude nicht nur zu erbauen, sondern auch 25 Jahre lang zu betreiben. Und in dieser Zeit wird sozusagen abgezahlt – dann gehört es wirklich dem Nutzerkonsortium.

Das ist eine ziemlich bemerkenswerte Strategie, man nennt sie PPP – Private Public Partnership. Es lässt sich damit sehr zielgerichtet und effektiv, also auch rasch agieren. Im Jänner 2005 wurde mit der Planung begonnen, im August 2005 lagen Baugenehmigung und Ausschreibung vor, im November 2005 ist die EU-weite Ausschreibung erfolgt, am 15. Dezember hat das Bestbieterkonsortium den Bauauftrag erhalten, aufgrund der Wettersituation wurde „erst“ im Jänner mit dem Bau begonnen, im Juni 2007 wurde der Bau fertig übergeben.

In der Regel träumen Architekturbüros davon, dass etwas so zügig vonstatten geht. Denn je länger ein Projekt dauert, desto unökonomischer wird es auch. Man darf Manfred Nehrer aber glauben, wenn er sagt, einen vergleichbaren Stress hat es im Büro nie gegeben. Außerdem hat diese Strategie einen Schwachpunkt: Wenn nicht von vornherein vertraglich festgelegt ist, dass gewisse qualitative Standards tatsächlich umgesetzt werden müssen, dann kann das gebaute Ergebnis unter Umständen nur sehr wenig mit der Planung zu tun haben.

Nehrer & Medek haben seinerzeit in Vorarlberg, in Lustenau, unter ähnlichen Bedingungen ein solches Projekt realisiert. Das Büro – nach dem frühen Tod von Reinhard Medek und neuen Partnerschaften heißt es jetzt NMPB Architekten – wusste daher genau, worauf das besondere Augenmerk zu richten ist. Und es hat möglicherweise auch deswegen den Zuschlag erhalten – und sicher auch, weil es nachweisen konnte, dass die extrem kurze Bauzeit von der Bürokapazität her zu bewältigen war.

Das Haus ist ein großes Geviert, ein riesiger Block. Man betritt es unter einem acht Meter stützenfrei auskragenden Vordach undkommt in eine viergeschoßige Halle. Diese Halle ist das Highlight der Schule, weil hier die räumlichen Voraussetzungen geschaffen sind, um aus einem „Spartenbetrieb“ mehr zu machen. Sie ist Verteilerfläche, aber auch Kommunikationsfläche für Leute, die sonst gar nichts miteinander zu tun haben. Alle Gemeinschaftseinrichtungen sind rund um diese Halle organisiert: die Hörsäle, die Bibliothek, der Festsaal, die Mensa, das Café. Die Haupttreppe, sicher aus Fertigteilen errichtet, ist überdies ein skulpturales Element, das einen spezifischen Akzent setzt. (Es ist übrigens nicht ganz nachvollziehbar, dass die Glasbrüstungen ein Problem sind; ich selbst bin nicht schwindelfrei, habe mich aber nicht verunsichert gefühlt; anderen Leuten geht es offenbar anders.)

Und noch etwas Besonderes hat diese Halle: Durch eine Glaswand setzt sie sich in einen Patio fort, von dem die Architekten selbst sagen, dass seine Gestaltung, auch seine Grüngestaltung, bewusst artifiziell ist. Im Gegensatz zur glasgedeckten Halle ist es ein Freiraum. Aber einer, der wie ein Zimmer formuliert wurde.

Die eigentlichen Unterrichtsräume sind durchaus bescheiden. Aber schon Nehrer & Medek hatten diese Qualität: Bei ihnen funktioniert immer alles. Das ist auch diesmal der Fall. Die Hörsäle, vom Erdgeschoß erschlossen, sind in die Erde eingegraben; Lichtkorridore davor sorgen nicht nur für die notwendigen Fluchtmöglichkeiten, man sieht immer auch den Himmel. Und das Mobiliar – die Bestuhlung stammt durchwegs von Jacobson – lässt in seiner farblichen Differenzierung tatsächlich die Sonne aufgehen. Farbe ist überhaupt ein Element, das zum ersten Mal in diesem Ausmaß eine Rolle in der Architektur des Büros spielt. Sie ist Leitlinie – übrigens von Ingeborg Kumpfmüller grafisch, auch künstlerisch gekonnt in Szene gesetzt – und atmosphärischer Mehrwert. Jeder Bereich – auch die Stiegenhäuser – ist durch eine eigene Farbe gekennzeichnet, man weiß gleich, wie man wohin kommt.

Auch die Materialwahl hat ihre Qualitäten. Auf den großen Erschließungsflächen liegt brasilianischer Schiefer, ansonsten anthrazitfarbenes Linoleum, es gibt überall sehr viel Holz, es gibt aber auch Eternit und Heraklit, außerdem Sichtbeton und – außen – hochglanzpolierte Aluminium-Paneele.

Es hat sicher ein Wandel im formalen Ausdruck des Büros stattgefunden. Und der geht wahrscheinlich auf die neuen Partnerschaften zurück. Die Bauten sind frischer und fröhlicher. Nehrer selbst sagt, früher haben sie sich immer mit Rastersystemen abgequält, jetzt gibt es auch den „römischen Verband“. Die gesamte Außenfassade des Gebäudes ist so gelöst. Horizontale Regelmäßigkeit, aber vertikale Abweichungen.

Es gibt einen eingeschnittenen Hof, es gibt eine Terrasse, die sich gegebenenfalls mit dem Festsaal und sogar der Kantine für spezielle Veranstaltungen nutzen lässt. Es gibt durchaus reizvolle Terrassen für die Raucher. Aber vor allem haben die Architekten eine Lösung für die Baukörper-Abwicklung gefunden, die wichtig ist. Es steht nicht einfach ein brutaler Block da. Die Fassaden haben einen Knick, eine leichte Kurve. Optisch verkürzt das die tatsächliche Länge sehr wirkungsvoll. Und solche Lösungen fallen einfach nur Architekten ein, die ihr Metier verstehen, die mit solchen Dimensionen umzugehen wissen.

Früher konnte man sagen, dass aus dem Büro Nehrer & Medek immer sehr korrekte, aber auch etwas brave, zurückhaltende Lösungen gekommen sind. Funktioniert haben die Bauten allerdings immer. Jetzt werden sie langsam auch interessant, erfrischend, wahrscheinlich bald aufregend. Die neuen Partnerschaften sind offensichtlich ein Gewinn. Eines der nächsten Projekte aus diesem Büro wird die Erweiterung der Wiener Arbeiterkammer sein. Soviel man hört, ist die Umsetzung nicht ohne Schwierigkeiten abgegangen. Umso gespannter warten wir auf das Ergebnis.

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