Bauwerk

Infothek der Lokalbaukommission
SSK Projektgemeinschaft - München (D) - 2007

Hereinspaziert!

Eine Infothek, ein Archivspeicher, die Umstrukturierung eines Altbaus, ein Kopfanbau, verschiedene kommunale Einrichtungen als Investor, Bauherr, Nutzer und Betreiber sowie zwei Architekturbüros: Wenn die größte Baugenehmigungsbehörde der Bundesrepublik neue Gebäude bekommt, geht das nicht ganz ohne Schwierigkeiten ab.

3. Dezember 2007 - Roland Pawlitschko
Vorbei sind die Zeiten, in denen der Weg zum Amt in eine düstere, verstaubte Bürowelt, eine Enklave beharrlicher Unfreundlichkeit und gnadenloser Orientierungslosigkeit führte. Dieser Tradition frönten sämtliche Münchner Behörden noch bis vor zehn Jahren ganz ungeniert. Dann aber gab es beim Kreisverwaltungsreferat plötzlich ein Bürgerbüro, das seine Besucher mit neuer Eingangshalle und großzügiger Glasfront empfing, und das Finanzamt ließ ein Servicezentrum von ungewohnter Transparenz bauen. Eine der kommunalen Behörden, die sich von solchen Tendenzen der Publikumsöffnung lange Zeit unbeeindruckt zeigte, war die Lokalbaukommission (LBK), also die untere Bauaufsichts-, Denkmalschutz- und Naturschutzbehörde der Stadt München. Diese residierte noch bis vor Kurzem in einem 1929 errichteten Backsteinhochhaus am Altstadtring – was angesichts der heutigen Münchner Hochhausphobie nur auf den ersten Blick provokativ wirkt. In Wirklichkeit weckte die LBK als Amt bislang Erinnerungen an Karl Valentins Geschichte des verzweifelten Buchbinders Wanninger und stand versinnbildlichend exakt für jene konservative Starre, die auch das Alltags-Architekturgeschehen Münchens prägt.

Weil dieser aus Sicht einer modernen und bürgerfreundlichen Stadtverwaltung untragbare Zustand mit Platzmangel und den funktionalen und bautechnischen Mängeln des achtzig Jahre alten Behördenbaus einherging, kam es zunächst zum grundlegenden Sinneswandel und Ende 2006 schließlich zum Umzug in das gegenüberliegende ehemalige Verwaltungsgebäude der Münchner Stadtwerke. Auf einer bislang ungenutzten Freifläche vor diesem inzwischen generalsanierten und um einen Anbau ergänzten Gebäude aus den fünfziger Jahren befindet sich heute ein eleganter, rundum verglaster Pavillon: die neue Infothek der LBK. Auf kurzem Weg und im direkten Gespräch mit eigens geschultem Personal erhalten dort vor allem Architekten und Bauherren erste Informationen zu Bauanträgen, lassen sich schnell zuständige Mitarbeiter ausfindig machen oder Fragen zum Baurecht klären. Sorgfältig eingepasste Einbaumöbel in strahlendem Weiß zonieren den Raum auf angenehme Weise und schaffen neben einem vorgelagerten Empfangs- und Infotresen, vier großen Stehtischen für Vorbesprechungen sowie sechs Beraterplätzen auch einen großzügigen Wartebereich mit loungeartigen Sitzgruppen entlang der Glasfassade. Insgesamt erzeugen Thomas Straub, Michael Schneider und Christian Kern von der SSK Projektgemeinschaft aus München die einladende Atmosphäre eines Flagship-Stores, die eher an ein Café als an eine Behörde erinnert.

Bei dem Glaspavillon handelt es sich nur um die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs. Erstens befindet sich die Infothek wie auch der sechsgeschossige Anbau direkt über dem neuen Herzstück der LBK, einer zwölf Meter tiefen, unterirdischen Zentralregistratur mit acht Kilometern Regalfachlänge und computergesteuerten Fördersystemen. Und zweitens gibt sich der Pavillon innerhalb der Gesamtbaumaßnahme zwar als Neubau zu erkennen, nicht aber als Resultat eines Entstehungsprozesses von unvorstellbarer Komplexität. Beteiligt an diesem Prozess waren insgesamt vier kommunale Einrichtungen: Als Investor und Bauherr fungierten die Stadtwerke München, deren Hauptanteilseigner die Stadt München ist. Nutzer ist das Planungsreferat mit seiner Hauptabteilung IV, der Lokalbaukommission. Die Nutzungsrechte werden in einem Leasingvertrag mit dem Kommunalreferat geregelt, während der Betrieb des Gebäudes dem Baureferat obliegt.

Zurückgenommene Entscheidung

Der Startschuss fiel im Jahr 2001, als der Umzug der Stadtwerkszentrale vom Altstadtring an den Stadtrand unmittelbar bevorstand und die Stadtwerke gemeinsam mit den Architekten erste Machbarkeitsstudien zur allgemeinen Nutzung des Gebäudes erstellten. Teil des daraufhin im Jahr 2004 entstandenen Entwurfs war neben Infothek, Archivspeicher und innerer Neustrukturierung des Altbaus auch jener zwischen historischer Straßenflucht und zurückversetzter Backsteinfassade vermittelnde, vollständig verglaste Kopfanbau. Obwohl dieser seitens der LBK bereits positiv bewertet worden war, führte ein Einspruch im laufenden Bauantragsverfahren zur Vorlage des Projekts bei der Stadtgestaltungskommission, welche schließlich einen Fassadenwettbewerb für den Erweiterungsbau erzwang. Grund hierfür war die in unmittelbarer Nähe zur Altstadt als unpassend empfundene Glasfassade, vielleicht aber auch das fehlende Vertrauen in die Kooperation zwischen Investor und den jungen, relativ unbekannten Architekten. War die Planungsaufgabe im Zuge der Entwurfsplanung bereits zwischen SSK (Infothek und Archivspeicher) und den Architekten der Stadtwerke (Generalsanierung des Bestandsgebäudes) aufgeteilt worden, so gab es mit dem Gewinner des Fassadenwettbewerbs, Andreas Meck, nun ein drittes beteiligtes Architekturbüro. Bei diesem Anbau geht es primär um das »Weiterbauen« im Bestand und die gelungene Übersetzung und Neuinterpretation der Charakteristika der alten Ziegel-Lochfassade mittels ziegelrot durchgefärbtem, monolithischem Beton. Die Zusammenarbeit zwischen den Architektenteams und dem Bauherrn funktionierte reibungslos – vielleicht auch deshalb, weil es hier in einem zweiten Bauabschnitt kaum Berührungspunkte gab und es nicht um die Realisierung von Sonderbereichen, sondern schlicht um die Erweiterung neutraler Büroflächen ging. Abstimmungsbedarf gab es lediglich im Erdgeschoss. Dort – und darin waren sich grundsätzlich alle Beteiligten seit der Machbarkeitsstudie von SSK einig – sollte eine Espressobar entstehen. Allein, die entsprechend vorgerüsteten Räumlichkeiten stehen bis heute leer, weil sich die städtischen Referate noch immer nicht einigen konnten, wer für deren Betrieb beziehungsweise Verpachtung verantwortlich ist.

Innengestaltung aus einem Guss

Erfolgreich geklärt werden konnte hingegen das Gerangel um die Inneneinrichtung der Infothek. Ziel von SSK war eine ebenso funktionale wie klar strukturierte und entsprechend der Bauaufgabe repräsentative Möblierung. Allen Beteiligten war klar, dass eine bestenfalls durchschnittliche Standardausstattung nicht zum erwünschten neuen Aushängeschild der LBK führen würde. Also wurden Entwurf und Ausführungsplanung der Inneneinrichtung in die Hände der Architekten gelegt. Zum Leistungsumfang der ursprünglichen Baubeschreibung gehörten auch sogenannte »Diskretionselemente« – jene Trennwände zwischen den sechs Beratungsstellen –, nicht aber die dazugehörenden Tische, welche im Verantwortungsbereich der LBK lagen. Nur der unerschütterlichen Beharrlichkeit von SSK und dem Engagement des Bauherrn, der den Architekten stets den Rücken gestärkt hat, ist es zu verdanken, dass man sich trotz voneinander vollkommen unabhängig verwalteter Budgets schließlich doch noch auf eine einheitlich gestaltete Möblierung einigen konnte. Folglich erscheint die Einrichtung der Infothek heute nicht als kunterbuntes Stückwerk, sondern als angenehme homogene Einheit.

Bis zum Schluss hatte SSK mit einer Unmenge solcher Nebenschauplätze zu kämpfen, um die Durchgängigkeit ihres Entwurfskonzeptes in einer Vielzahl von Gesprächsrunden mit allen Planungsbeteiligten zu verteidigen. Dennoch ist es Thomas Straub, Michael Schneider und Christian Kern immer wieder gelungen, Bauherr, Nutzer und Behörden zusammenzuführen. Und so besteht die begründete Hoffnung, dass dieser langwierige, aber erfolgreiche Arbeitsprozess am Ende zu einer spürbaren Sensibilisierung aller am Bau beteiligten Kommunalbehörden geführt hat, so dass engagierte Architektur in Zukunft vielleicht tatsächlich mehr Unterstützung durch Münchens Ämter erhalten wird.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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