Bauwerk

Therme Bad Gleichenberg
Jensen & Skodvin, Architekten Domenig & Wallner - Bad Gleichenberg (A) - 2008

Wurzeln statt Wellness

Wo sich ein alter Park und ein neuer Kurbetrieb umarmen: das neue Kurhaus in Bad Gleichenberg. Geplant von den norwegischen Architekten Jensen & Skodvin.

11. Mai 2008 - Franziska Leeb
Für Jan Olav Jensen und Børre Skodvin ist Architektur keine Frage des Stils, „denn ein bestimmter Stil wird irgendwann wieder unmodern“. Ihr Ziel ist es, „kulturelle Statements“ zu bauen und Konventionen zu hinterfragen. „Wenn du einen Roman schreiben willst, kopierst du dafür auch keinen anderen. Architektur bedeutet, für jede neue Bauaufgabe eine neue Geschichte zu finden“, umreißen sie ihr Bemühen, nicht von vornherein das bereits Erprobte auch andernorts automatisch als richtigen Ansatz anzusehen.

Im steirischen Bad Gleichenberg ließen sie sich auf das Abenteuer ein, ein ambitioniertes Gesundheits- und Hotelprojekt in Architektur zu gießen. Geholt hat die Skandinavier Christian Köck, Vorstand der Health Care Company, die auch Bauherrin der Anlage ist, nachdem ein Architektenwettbewerb kein Ergebnis brachte, mit dem man sich zur Gänze identifizieren konnte. Mit dem modischen Begriff „Wellness“ will der bekannte Gesundheitsökonom nichts zu tun haben – und mit den geisterbahnhaften Bade- und Erholungswelten, die auf diesem Sektor wie die Schwammerl aus den mit Thermalwasser getränkten Böden schießen, auch nicht. „Heilen bedeutet ganz machen“, und deshalb war es wichtig, dass bei diesem Projekt medizinische Qualität, ortsgerechte hochwertige Architektur und ein gesundheitsförderndes Ambiente eine Synthese eingehen, kurzum ein „Kulturprojekt bilden – und kein Spaßbad“.

Um die heilende Wirkung des Gleichenberger Wassers sollen bereits die Römer gewusst haben. Den heutigen Kurort begründete 1934 Mathias Constantin Capello Graf von Wickenburg. Prachtvolle Villen und der Kurpark zeugen noch heute von den goldenen Zeiten, als sich der Hochadel zur Erholung nach Gleichenberg zurückzog. Die edlen Überbleibsel der Pionierzeit werden bedrängt von einer Fülle an Bauten, bei denen die Errichter oft weidlich wenig Gespür für den Genius Loci an den Tag legten.

Seit zwölf Jahren betreiben Jensen & Skodvin ihr Büro in Oslo. Mittlerweile zählen sie zu den profiliertesten Architekten Norwegens. Ihre Bauten sind uneitel und wurzeln tief im Kontext ihrer unmittelbaren Umgebung. Ob bei den touristischen Infrastrukturen entlang der malerischen Sognefellstraße, der Mortensrud-Kirche in Oslo oder einem Zisterzienserinnenkloster auf der Insel Tautra – das gedeihliche Miteinander von Architektur und Natur zieht sich als roter Faden durch ihr bisheriges Oeuvre.

„Ganz am Anfang haben wir uns gefragt, wie eine so großvolumige Architektur diplomatisch sein und zugleich soziale Intelligenz aufweisen kann“, erinnern sich Jensen & Skodvin an ihre erste Annäherung an das Projekt in Bad Gleichenberg. Sie entwickelten ein geometrisches System, das Raum für die geforderten Inhalte bot und so robust war, dass es ohne Einbußen inhaltliche Änderungen im Laufe der Planungsphase mitmachen konnte.

Die am denkmalgeschützten Kurpark gelegene Anlage umfasst neben einem Thermalbad, das auch für Tagesgäste zugänglich ist, ein Vier-Sterne-Hotel, Therapiebereiche für Hotelgäste und Externe, entsprechende Gastronomieeinrichtungen und darüber hinaus das zur Versorgung all dessen notwendige Hinterland.

Zu Straße hin als monumentaler langer Riegel ausgebildet, entwickelt sich der Komplex zum Park hin in Form mäandernder, auf Stützen stehender Gebäudeschleifen und geräumiger Terrassenlandschaften, die den wertvollen Baumbestand umschiffen und neue innere Gärten und Höfe bilden. Drei Materialien bilden die äußere Hülle: schuppenförmig angeordnete Basaltplatten als Referenz zu der Vulkanregion, eine feingliedrige vertikale Lärchenholzschalung, die sich gut in die Parklandschaft einfügt und viel Glas, das dem Dialog zwischen Landschaft und Architektur dienlich ist.

Während die 110 Hotelzimmer, die gas- tronomischen Einrichtungen und das Bad jeweils starken Bezug zum Außenraum haben, sind die therapeutischen Bereiche nach innen orientiert. Der Gast steht im Zentrum und soll sich auf sich und die Gesundheit seines Körpers konzentrieren können. Naturbezug gibt es dennoch auch dort in Hülle und Fülle. Die Wartebereiche liegen entlang großer, raumhoher Glasfronten mit Ausblick zu den internen Gärten und vermitteln das Gefühl, sich mitten im Park auf die Behandlungen einzustimmen.

Alle Einrichtungen sind im Rundgang zu erreichen. Sackgassen gibt es nicht.

Großzügig und ebenfalls in engem Bezug zur Parklandschaft sind sowohl die Restaurantbereiche als auch der Hoteltrakt angelegt. Geräumige überdeckte und offene Terrassenflächen gewähren ein reichhaltiges Angebot, sich der Stimmung und Witterung entsprechend viel außerhalb der geschlossenen Räume aufzuhalten, ohne das Haus verlassen zu müssen. Unter den aufgeständerten Gebäudeschleifen entstanden schattige Gärten und Wandelpfade. Die historische Anlage des Kurparks, von der etwa zwei Drittel der Fläche direkt zum Kurhaus gehören, integriert sich in die Architektur und wird darunter und dazwischen fortgeführt.

Nur schade, dass Jensen & Skodvin sich bei der Innenraumgestaltung kaum einbringen konnten. Diese wurde unter der Ägide der auf Corporate Design spezialisierten Agentur Satek durchaus gefällig umgesetzt. Man spürt das Bemühen, ein angenehmes Ambiente in dezenten Farben zu schaffen, und dass die Gäste je nach Vorliebe unter Hotelzimmern mit Holzboden oder Teppichbelag wählen können, ist eine lobenswerte Idee. Die norwegischen Architekten hätten sich vielleicht weniger geschmeidig dem Geschmack einer genussorientierten Gesellschaft angepasst. Betrachtet man ihre anderen Bauten, kann man davon ausgehen, dass manches wohl spartanischer ausgefallen wäre. Die Stimmung wäre vermutlich kontemplativer und der Einklang mit der Architektur naturgemäß ein anderer.

Architektur und Ambiente sind werthaltig und erweisen der Tradition des Ortes ihre Reverenz. Und auch wenn das neue Kurhaus, was Flair und Qualität angeht, mindestens auf gleicher Augenhöhe mit der reizvollen Sommerfrische-Architektur des 19. Jahrhunderts agiert, biedert es sich ihr in keiner Weise an. Jensen & Skodvin liefern eine zeitgemäße Interpretation eines Kurhauses, das anspruchsvollen Gästen einen kultivierten Ort der Rekreation anbietet.

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