Bauwerk

Caixa-Forum
Herzog & de Meuron - Madrid (E) - 2007
Caixa-Forum, Foto: Christian Richters / ARTUR IMAGES
Caixa-Forum, Foto: Christian Richters / ARTUR IMAGES
Caixa-Forum, Foto: Christian Richters / ARTUR IMAGES

Eiserner Schmetterling

Das neueröffnete «Caixa-Forum» von Herzog & de Meuron in Madrid

Als sich die katalanische Sparkasse La Caixa um 1985 als Kulturvermittlerin zu profilieren begann, genoss die Gegenwartskunst in Spanien noch wenig öffentlichen Rückhalt. Nun setzt die Bank mit dem Caixa-Forum von Herzog & de Meuron in Madrid ein Zeichen.

21. Februar 2008 - Markus Jakob
Spaniens grösste Sparkasse mischt nicht nur im spanischen Finanz-, Energie- und Industriesektor mit, sondern ist durch die Fundación La Caixa auch einer der Hauptakteure im Kulturleben des Landes. Mit einem Jahresetat von 500 Millionen Euro (2008) gilt diese als eine der fünf bestdotierten Stiftungen der Welt. Drei Fünftel des Budgets werden für soziale Belange aufgewendet, je etwa 80 Millionen fliessen in die Bereiche Forschung und Umwelt sowie Kultur. Und wie sich das einst von Joan Miró geschaffene Firmensignet der Sparkasse von ihrem Hauptsitz Barcelona aus über ganz Spanien verbreitet hat, so expandiert La Caixa auch als Kunstinstitution. In Madrid war sie bisher mit Ausstellungsräumen an der vornehmen Calle Serrano präsent. Dass sie nach Höherem strebt, macht nun – schräg gegenüber dem Prado, halbwegs zwischen der Sammlung Thyssen und dem Museum Reina Sofía – das jüngst eröffnete Caixa-Forum Madrid deutlich.

Transformation

Die Ortswahl mag smart erscheinen. Doch das Grundstück hatte einen kleinen Kunstfehler. Miterworben werden musste nämlich ein um 1900 errichtetes, denkmalgeschütztes Elektrizitätswerk. Vom Paseo del Prado zurückversetzt, verborgen hinter einer Tankstelle, stellte dieses Ziegelsteinüberbleibsel mit seinen seit je blinden Fenstern die Architekten vor eine in mehrfacher Hinsicht tückische Aufgabe. Die Nutzfläche auf 10 000 Quadratmeter zu verfünffachen, ohne die bestehenden Baulinien der engmaschigen Gassen hinter der Prachtavenue zu verletzen; den Altbau in seiner äusserlichen Unscheinbarkeit intakt zu belassen und ihn, unter Rücksichtnahme auf den urbanen Kontext, zugleich in eine architektonische Ikone zu verwandeln – so ungefähr lautete der Bauauftrag, der 2002 an die Basler Architekten Herzog & de Meuron erging.

Ihn zu erfüllen, bedingte eine Aufstockung des Altbaus von drei auf fünf Geschosse; zwei weitere wurden unterirdisch eingezogen. Das Sockelgeschoss hingegen wurde buchstäblich aufgelöst, um den Eingangsbereich als gedeckte Plaza zu gestalten – in Fortsetzung des auf den Paseo del Prado sich öffnenden, durch die Beseitigung der einstigen Tankstelle gewonnenen Freiraums. Seitlich flankiert diesen Platz eine Brandmauer, die vom Landschaftsarchitekten Patrick Blanc in einen vertikalen Garten verwandelt wurde. Dieser befremdlich-anmutige Pflanzenteppich ist auch als Pendant zum Botanischen Garten zu verstehen, dessen Haupteingang künftig gegenüber dem Caixa-Forum zu liegen kommen soll – gemäss Alvaro Sizas Entwurf für die Neugestaltung jener Mischung aus Autobahn und Stadtwäldchen, die der Paseo del Prado ist.

In der Schwebe

Bekämpft von einer durch Carmen Thyssen angeführten Schildbürgerbewegung, befindet sich das Siza-Projekt allerdings weiterhin in der Schwebe. Der Begriff des Schwebens trifft übrigens auch auf das Bauwerk der Schweizer Architekten zu. Scheinbar unvereinbare Anforderungen austarierend, hält es die Balance zwischen Diskretion und Dissonanz. So sind die willkürlich anmutenden Volumina des Aufbaus fast mimetisch den chaotischen Dachformen der unmittelbaren Umgebung nachempfunden; und ihr rostiges, im oberen Teil perforiertes Stahlkleid hebt sich so krass von den Ziegeln des Altbaus ab, wie es sich mit ihnen – nicht nur farblich – zu verbrüdern versucht.

Nachgerade zu levitieren aber scheint dieser Zwitter durch das Fehlen des Sockels. Vom Eindruck des Schwebens aus der Ferne bis zur Empfindung der Schwere, sobald man unter die Baumasse tritt, erinnert diese überdachte «Plaza» an den ersten Bau, den Herzog & de Meuron in Spanien verwirklichen konnten: das blaue, Edificio-Forum genannte Dreieck am Strand von Barcelona. Nicht zu verwechseln mit dem 2002 eröffneten Caixa-Forum Barcelona, das – von andern Architekten verantwortet – indessen gleichfalls den Vergleich mit dem Madrider Kraftwerk herausfordert. Denn auch hier war es ein ziegelsteinernes Industriefossil, dessen Umbau ingenieurtechnische Bravour erforderte. In Barcelona verrät der von Arato Isozaki gestaltete Erschliessungsgraben nichts mehr von der delikaten Aufgabe, vor die sich der Statiker Robert Brufau gestellt sah, als er die hauchfeinen Ziegelmauern der märchenhaften, 1911 von Puig i Cadafalch vollendeten Fabrikanlage von ihren Fundamenten zu lösen hatte. Für den Madrider Bau von Herzog & de Meuron hingegen ist eben dieses Wagestück auch nach der Vollendung kennzeichnend. Erst unter den Silberkeilen der «Plaza»-Decke wird man der drei Kerngehäuse gewahr, die das alte Gemäuer und seinen Überbau stützen.

Das in einem originalgetreu restaurierten, bloss mit einem neuen Untergrund versehenen Meisterwerk der Industriearchitektur untergebrachte Caixa-Forum Barcelona ist mit jährlich 1,6 Millionen Besuchern eines der meistbesuchten Museen der Stadt. Das Caixa-Forum Madrid – hervorgezaubert aus einem vergleichsweise simplen Fabrikbau – wird ihm darin nicht nachstehen. Nachträglich erst zur Preziose umgeformt, und zwar ironischerweise von katalanischen Bauherren, eignet ihm eben auch deshalb etwas Symptomatisches für die ewige, nun in vieler Hinsicht zugunsten der einst hinterwäldlerischen Hauptstadt kippende Rivalität der beiden Metropolen.

Zur Eröffnung werden auf den beiden Ausstellungsgeschossen 34 der mittlerweile über 700 Werke umfassenden Sammlung der Stiftung präsentiert. Als Querschnitt durch die Oberliga der Gegenwartskunst nicht besonders originell, ist diese, was das Niveau der einzelnen Werke betrifft, in Spanien wohl dennoch weiterhin unübertroffen. Bei einer Stiftung, die für Kultur jährlich 80 Millionen Euro auszugeben hat, kommt freilich nicht nur die Crème de la Crème zum Zug. Wie hochrangig aber auch immer: Die von La Caixa ausgerichteten Ausstellungen, Konzertreihen, Debatten und Events aller Art werden stets an den von ihr selbst gesetzten Standards gemessen werden, und diese zielten nicht durchwegs auf möglichst hohe Besucherzahlen ab. Doch schon jetzt strömen die Besucher in hellen Scharen in das Madrider Caixa-Gebäude, das – so der ausführende Architekt Harry Gugger – «nur ein Instrument ist, das noch gestimmt werden muss».

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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