Bauwerk

Zentrum Paul Klee
Renzo Piano Building Workshop, ARB Architekten - Bern (CH) - 2005
Zentrum Paul Klee, Foto: Hans Ege
Zentrum Paul Klee, Foto: Hans Ege

Zentrum Paul Klee Bern

Späte Wiedergutmachung für Paul Klee

21. Juni 2005
Die drei Wellen des Zentrum Paul Klee (ZPK) sind schon von weither sichtbar. Sie liegen an der Autobahn A6 zwischen den Ausfahrten Wankdorf und Ostring. Das ZPK ist eingebettet in eine Landschaft, zu der auch ein Skulpturengarten gehört. Selbst für Berner ist das Quartier „Schöngrün“ eine Entdeckung. Wo bisher ein Bauer seinen Acker gepflügt hat, sollen ab nächster Woche jährlich 150.000 Menschen zu Kunst und Kultur pilgern.

Die Sammlung des ZPK umfasst rund 4.000 Klee-Werke. In der Sammlungspräsentation werden jeweils rund 200 Arbeiten gezeigt. Die Werke werden regelmäßig ausgewechselt oder in einem neuen Kontext gezeigt.

Die Stiftung

Die Klee-Stiftung, welche die Grundlage für die ZPK-Sammlung bildet, wurde 1947 gegründet. Neben 2.600 Bildern gehören dazu Klees handschriftliches Werkverzeichnis, der pädagogische Nachlass sowie Manuskripte und Tagebücher.

Das ZPK hat von Klees Gesamtoeuvre, das rund 10 000 Werke umfasst, gut 40 Prozent - rund 4000 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen sowie Archivalien und biografische Materialien - zusammen geführt. Die ZPK-Bestände gelten als die größte Sammlung eines einzelnen Künstlers von Weltformat.

Das ZPK ist kein herkömmliches Kunstmuseum. Es will vielmehr das international führende Kompetenzzentrum für die Erforschung, Vermittlung und Präsentation des Lebens und Werks von Paul Klee sowie von dessen Rezeption sein.

Bern hat durch großzügige Spenden die Gelegenheit erhalten, seinem Sohn eine Art Wiedergutmachung zu leisten, weil man ihm Jahre lang die Staatsbürgerschaft verweigert hat, als er vor den Nazis wieder aus Deutschland in seiner Heimatstadt auftauchte. Die Berner soll ihn, der die Hälfte seines Lebens in der Stadt verbrachte und lupenreinen Bern-Deutsch-Dialekt sprach, annehmen, das Objekt Kunstzentrum lädt dazu auch wirklich ein.
Für die Präsentation der Sammlung steht das Erdgeschoss des Hügels Mitte mit einer Fläche von 1750 Quadratmetern zur Verfügung. Dazu kommen Wechselausstellungen in einem zweiten Ausstellungsraum von 830 Quadratmetern. Die erste mit dem Titel „Nulla dies sine linea“ widmet sich Klees Spätwerk.

Das Gebäude

Das ZPK, erbaut vom italienischen Stararchitekten Renzo Piano, ist eine Art grüne Insel, aus der sich die Architektur als Terrainartikulation in Form von drei Wellen erhebt - mehr Landschaftsskulptur denn Gebäude. Die Räume des ZPK liegen großteils unter der Erde. Einzig die rechte Welle, der Hügel Süd, in dem Forschung und Verwaltung untergebracht sind, weist durch Oberlichtfenster Einfall von Tageslicht auf. Die beiden andern Wellen sowie die darunter liegenden Räumlichkeiten, etwa die beiden großen Ausstellungshallen, das Kindermuseum und der Konzertsaal, sind auf Kunstlicht angewiesen.

Verbunden werden die drei Wellen durch die 140 Meter lange Museumsstrasse. Sie ist das Rückgrat des ZPK, das parallel zur Autobahn verläuft. Sie verbindet die drei Hügel in funktionaler, inhaltlicher und ästhetischer Hinsicht miteinander.

Die Museumsstrasse erweitert sich dreimal, jeweils einem der Hügel gegenüberliegend, zu einer kleinen Piazza. Auf diese Plätzen sind der Empfangs- und Informationsbereich, das Café, der Shop sowie eine Bibliothek untergebracht.

Ermöglicht wurde das rund 110 Millionen Franken teure ZPK durch eine 60 Mio.-Schenkung des Berner Chirurgen Maurice E. Müller. 32 Millionen kommen von Sponsoren, 18 Millionen vom Lotteriefonds.

Mit schöner demokratischer Geste nimmt am Montag erst das Publikum das Zentrum in Beschlag. Die offizielle Eröffnung mit Bundesrat Pascal Couchepin und weiterer Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur findet erst am Dienstagabend statt.

Der Maler

Vor 65 Jahren, am 29. Juni 1940, ist Paul Klee im Tessin gestorben. Klee ist der Erfinder einer neuen Symbolsprache in der Malerei, und er gilt als einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts.

Klee verbrachte die frühen und späten Jahre seines Lebens in der Schweiz. 1879 wurde er in Münchenbuchsee geboren. Der musikalisch begabte Klee wandte sich nach der Schulzeit der bildenden Kunst zu. Ab 1896 besuchte er in München Malkurse und Akademien.

Dort kam er mit gleich gesinnten Künstlern zusammen, vor allem mit der Gruppe „Der blaue Reiter“, deren Pioniere Kandinsky, Marc und Macke ihn beeinflussten. Er fand in ihren Werken eine ähnliche Denkart, nämlich die Suche nach der ureigensten Ausdrucksweise.

1906 heiratete Klee die Pianistin Lily Stumpf. Nach dem ersten Weltkrieg - Klee war als Deutscher einberufen worden - wendet er sich der Farbe zu. Während seiner Tunesienreise 1914 schrieb er: „Die Farbe hat mich. Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.“

1920 wird Klee von Walter Gropius ans Bauhaus von Weimar berufen. Während seiner Lehrtätigkeit entstehen seine großen kunsttheoretischen Schriften, in denen er sich gegen jeglichen Formalismus wandte. Er setzt sich für das spirituelle, das „durchsichtig-seelische“ Element ein.

Unter seinen vielen Methoden, mit denen er innere und äußere Inhalte und Vorgänge aufzeigt, war die Entwicklung einer neuen Symbolsprache der entscheidende Schritt.

Nach zehn Jahren in Weimar und Dessau verließ Klee 1931 das Bauhaus, um einen Lehrauftrag in Düsseldorf anzunehmen. Doch nach der Machtergreifung Hitlers 1933 musste er Deutschland verlassen, da auch seine Bilder als „Entartete Kunst“ galten.

Klee flüchtete nach Bern, wo sein Vater lebte. Die Jahre 1934 bis 1936 standen im Zeichen eines Neubeginns. Durch den Umzug nach Bern lebte das Ehepaar Klee nun in vergleichsweise bescheidenen Verhältnissen.

1936 erkrankte Klee an der unheilbaren Krankheit Sclerodermie. Ärzte erklären die Erkrankung nachträglich als Reaktion auf die Ablehnung in der alten Schweizer Heimat, die Klee erfahren musste. In diesem Jahr entstanden nur 25 Werke. In der letzten Periode, 1937 bis 1940, entfaltete sich jedoch Klees Spätwerk.

Es waren Jahre einer beinahe frenetischen künstlerischen Tätigkeit: 1939 entstanden rund 1300, in den ersten Monaten von Klees Todesjahr noch fast 370 Arbeiten.

Neben großformatigen Gemälden in einer phantastischen Hieroglyphen-Sprache entstanden viele Zeichnungen mit seltsamen Flügelwesen. Klee hinterließ bei seinem Tod die riesige Zahl von rund 10 000 Werken, die er selber katalogisierte.

Obschon die Schweizer Behörden Klees Einbürgerungsgesuch während Jahren verschleppten und er somit nie Schweizer Bürger wurde, wird Klee heute offiziell gern als Schweizer Künstler gesehen.

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