Bauwerk

Chapelle de St- Loup
Localarchitecture, Danilo Mondada, Shel - Pompaples (CH) - 2008
Chapelle de St- Loup, Foto: Milo Keller
Chapelle de St- Loup, Foto: Milo Keller

Falten für die Kirche

Temporäre Kapelle Saint-Loup

12. Juli 2010 - Christoph Schindler
Seit dem Frühjahr 2008 steht in Saint-Loup, einem Ortsteil von Pompaples, eine kleine temporäre Kapelle. Sie dient den Schwestern der Diakonissengemeinschaft während des Umbaus ihres Mutterhauses als temporärer Sakralraum. Damit scheint die Diakonie, die sich nur einen Steinwurf von einem anderen architekturgeschichtsträchtigen Ort befindet, erstmals auf der architektonischen Landkarte auf: Saint-Loup liegt etwa 20 Kilometer nördlich von Lausanne am Fuss des Jura, in der Nähe des Schlosses von La Sarraz, auf dem 1928 die ciam-Kongresse eingeläutet wurden. Was der Kapelle in Saint-Loup diese Aufmerksamkeit verschafft, ist ihr konstruktives System. Der Innenraum wird von einem Faltwerk aus extrem dünnen Brettsperrholzplatten umschlossen, die Tragwerk und Hülle zugleich sind. Das Besondere an diesem Faltwerk ist, dass es sich tatsächlich auseinanderfalten liesse, wäre es nicht an allen Faltlinien über gekantete Stahlbleche mit so vielen Schrauben verbunden, dass man sich eine Demontage zweimal überlegen wird. Durch die Faltung stabilisieren sich die einzelnen Platten gegenseitig, sodass die Dachelemente mit einer in diesem Massstab papierartigen Materialstärke von 60 mm Brettsperrholz und die Wandelemente sogar mit nur 40 mm ausgeführt werden konnten. Auf die Brettsperrholzelemente wurde umseitig eine Bitumenbahn aufgebracht, auf die wiederum eine hinterlüftete Fassade aus vorvergrauten Dreischichtplatten montiert wurde. So kann die Fassade einfach ersetzt werden, sollte dies einmal notwendig sein. Die ursprünglich für eine Nutzungszeit von eineinhalb Jahren konzipierte Kapelle steht inzwischen schon seit zwei Jahren und zeigt lediglich ein paar feine Risse in der Fassade, was die Diskussion beflügelt hat, die Kapelle nach Abschluss des Umbaus dauerhaft zu erhalten. Die fingerbreiten Fugen zwischen den Dreischichtplatten der Fassade haben eine Doppelfunktion: Zum einen kann dort das Regenwasser eindringen, um auf der darunterliegenden wasserführenden Bitumenbahn abgeleitet zu werden. Zum anderen können so Bautoleranzen aufgefangen werden, was an den Traufkanten nicht ungelegen kommt.

Dieses vom Origami inspirierte Konstruktionssystem wird seit 2005 am IBOIS an der EPFL Lausanne untersucht. Natürlich werden die Brettsperrholzplatten nicht wirklich gefaltet. Der Begriff des Origami bezieht sich weniger auf das Material als auf die Formfindung, die wie in der japanischen Papierfalttechnik aus einer einzigen Fläche abgeleitet wird. Anfang 2007, als die Versuche des IBOIS reif für die Entwicklung zu einer konkreten Anwendung schienen, entstand bei den Architekten des Umbaus von Saint-Loup der Bedarf nach einem temporären Sakralraum. Auf der Suche nach geeigneten und preisgünstigen Holzkonstruktionen für diese spezielle Aufgabe erkannte Localarchitecture das Potenzial der vom IBOIS erforschten Faltwerke und bot ihnen eine Zusammenarbeit an.

Das wirklich Ungewöhnliche an der Kapelle von Saint-Loup aber ist, dass es gelang, sämtliche Bedingungen des Bausystems spielerisch in die Bedürfnisse eines Kirchenraums zu integrieren. Durch das Einschnüren des Grundrisses entlang der Längsachse ergibt sich aus der Logik des Origami eine Höhensteigerung zum Altarbereich. Dies ist umso faszinierender, wenn man bedenkt, dass der gestalterische Freiraum der Origami-Faltwerke nicht immens gross ist und sich auf mehr oder weniger verzerrte Tunnels mit Faltstruktur beschränkt. Zudem hatten die Ingenieure am IBOIS bestimmt keinen Sakralraum vor Augen, als sie ihre Forschungen begannen. Und dennoch passt das Origami-Faltwerk zur Kapelle, als wäre es eigens dafür entwickelt worden: Ein entlang einer Achse rhythmisierter, längsgerichteter und in einer Apsis kulminierender Raum ist quer durch die Epochen eine wesentliche Vokabel des christlichen Kirchenbaus. Christoph Schindler

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