Zeitschrift

Zuschnitt 38
Holz trägt
Zuschnitt 38
zur Zeitschrift: zuschnitt

Holz trägt zur Gestaltungsfreiheit bei und macht Lust aufs Konstruieren. Ob flächig oder stabförmig, gerade oder gekrümmt – dank einer fortlaufenden Materialentwicklung und avancierter Fertigungstechniken weisen Konstruktionen aus Holz eine immer größere Formenvielfalt auf.

Erst vor einigen Jahren entdeckten Archäologen einen neolithischen Brunnen und damit die ersten nachweisbaren Holzverzapfungen in Europa. Man nimmt an, dass die Brunnenbauer einen Baumstamm mit Steinbeilen kürzten und dann mit Meißeln aus Stein, Knochen oder Holz der Länge nach spalteten. Anschließend wurden die Bohlen zugehauen, um sie miteinander zu verkämmen, zu verschränken und in der untersten Lage sogar miteinander zu verzapfen.(1) Wenn man bedenkt, mit welchem handwerklichen Aufwand bei gleichzeitig primitivem Werkzeug solche Verzapfungen entstanden sind, scheinen die gestalterischen Möglichkeiten, die sich Architekten und Ingenieuren heutzutage auftun, schier unglaublich. Wir stehen einer hochmodernen und digitalisierten Fertigungsinfrastruktur der holzverarbeitenden Industrie sowie neuen Holzwerkstoffen gegenüber. Dies führt uns zu neuen konstruktiven Lösungen und einer größeren Formenvielfalt. Mit diesem Zuschnitt wollen wir aktuelle Tendenzen im konstruktiven Holzbau aufzeigen – ohne dabei einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu können.

Beginnen wir bei den neuen Holzwerkstoffen: Die Einführung des Brettsperrholzes hat das Bauen mit Holz auf eine neue Ebene geführt – Mehrgeschosser aus Holz sind in der Branche in aller Munde, in der Schweiz wurde nach dem Prinzip der japanischen Origami-Falttechnik eine provisorische Kapelle errichtet. »Der neuere Massivholzbau beschreitet konstruktives Neuland«, schreibt Sabine Kraft im einleitenden Essay, »ob daraus auch eine neue Synthese von Form, Material und Konstruktion entsteht, muss sich aber erst empirisch erweisen.« Diese Frage nach einer materialgerechten Konstruktion ist aber nicht nur für die neuen flächigen Konstruktionen, sondern ebenso für die stabförmigen zu stellen. Holz scheint besonders gut für die Umsetzung komplexer Geometrien geeignet, weil es belastbar ist und sich leicht und präzise bearbeiten lässt. Es scheint, als seien die kompliziertesten Formen machbar – doch nicht alles, was machbar ist, muss auch materialgerecht sein. Immer wieder wird Holz unter großem konstruktivem Aufwand in eine vom Architekten erdachte Form gebracht, in die Form eines Strohhutes zum Beispiel oder in die eines überdimensionalen Sonnenschirmes.

Ingenieur Georg Hochreiner bezeichnet den Ingenieurholzbau als »„Königsklasse“, als Lehrmeister für künftige Ingenieure, da er alle Komponenten enthält, die auch bei anderen Bauweisen zur Anwendung kommen«. Aber, so Hochreiner, »aktuell ist dieses Wissen nur bei wenigen Experten vorhanden und gipfelt in einzelnen Pilotprojekten und vielen missverstandenen Nachahmungen«. Auch wir kommen bei einem Themenheft zum konstruktiven Holzbau nicht an eben diesen Pionierbauten vorbei. Wir haben aber auch Bauten ausgewählt, die auf altbewährte Konstruktionen zurückgreifen und denen man die Lust am Konstruieren ansieht.

Überhaupt – das scheint die Quintessenz aller Beiträge in diesem Zuschnitt zu sein – kommt es auf eine gute Zusammenarbeit von Architekt und Ingenieur an. Je komplexer die Formen, desto wichtiger wird das Zusammenspiel der Disziplinen. Wir hoffen, dass beim Lesen dieser Ausgabe die Freude am Konstruieren mit Holz ansteckt, und wollen mit dem Hinweis auf ein älteres Projekt, die Brücke in Murau der Schweizer Architekten Marcel Meili und Markus Peter und des Tragwerksplaners Jürg Conzett enden. »Wir haben gearbeitet wie in einem gemeinsamen Büro«, erinnerte sich Jürg Conzett in einem Gespräch (siehe Zuschnitt 2) an die damalige Zeit. »Man sitzt zusammen, man probiert aus, man skizziert, man denkt nach, man verwirft, man fängt nochmals an, bis am Schluss etwas da ist, das eben gleichzeitig Architektur und ein Ingenieurbauwerk ist.«

(1) Harald Sträuble: Steinzeit jenseits der Steine, in: Spektrum der Wissenschaft, März 2010, S. 62.

Anne Isopp

Editorial
Anne Isopp

Essay – Konstruieren neu denken
Sabine Kraft

Themenschwerpunkt

Gitterfachwerk mit Schattenwurf – Doppelturnhalle bei Genf
Manuel Joss

Brettschichtholz sucht Stahlstütze – Eingangspavillons zum irischen Regierungssitz
Text: Anne Isopp

»Was heißt konstruieren mit Holz – heute und morgen?« – Fünf Fragen an Holzbauingenieure
Text: Christoph Luchsinger

Hohe Komplexität – Erfahrungsbericht der Ingenieure
Text: Hermann Blumer, Franz Tschümperlin

Unterm Blätterdach – Clubhaus für Golfer
Text: Charles von Büren

Eine kurze Geschichte des Konstruierens
Text: Anne Isopp

Am Anfang war das Bild – Sporthalle im Süden Japans
Text: Bernhard Steger

Origami-Faltwerke
Text: Hani Buri, Yves Weinand

Falten für die Kirche – Temporäre Kapelle Saint-Loup
Text: Christoph Schindler

Fragen an die Industrie
Text: Anne Isopp

Building with Wood – Grundlagenforschung
Text: Gudrun Hausegger

Wertschöpfungskette
Bellend und kratzend dem Schädling auf der Spur
Text: Anne Isopp

Seitenware – Einfach riesig, Fliegendes Holz
Texte: Anne Isopp

Holzrealien
HolzPod
Text: Michael Hausenblas

Ratzfatz-Möbel
Text: Michael Hausenblas

Bugknüppel
Text: Michael Hausenblas

Nachgeben
Text: Michael Hausenblas

Holz(an)stoß
Chris Burden
Text: Stefan Tasch
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