Bauwerk

Weinlandbad
RUNSER / PRANTL architekten - Mistelbach (A) - 2009
Weinlandbad, Foto: Rupert Steiner
Weinlandbad, Foto: Rupert Steiner

Härte und Noblesse

Symmetrie bis ins letzte Eck, viel Holz, aber ganz und gar nicht rural: das Weinlandbad in Mistelbach – ein Fest für Detailfetischisten.

22. August 2009 - Franziska Leeb
Christa Prantl und Alexander Runser zählen zu den Detailfetischisten unter den Architekten. Das freut alle Rezensenten ihrer Arbeit, die handwerkliche Qualität schätzen, ist aber jenen, die sie auszuführen haben, oft eine Last. Ihre jüngste fertiggestellte Arbeit, der Kabinentrakt des Weinlandbades in Mistelbach, wäre ohne diese Konzentration auf die Präzision wahrscheinlich bloß ein angenehm anzusehendes Gebäude. Dass trotz enormen Zeitdrucks dennoch ein Stück Baukultur entstehen konnte, ist kein Wunder, sondern harte Architektenarbeit – in der Planung wie in der Überwachung der Ausführung auf der Baustelle.

Das Weinlandbad Mistelbach wurde 1960 in Betrieb genommen. Historische Aufnahmen zeigen eine weitläufige ruhige Anlage am Stadtrand, die ohne viel Chichi angenehmes Flair zu haben scheint. In den 1990er-Jahren traf auch das Mistelbacher Bad die Modernisierungswelle, und es wurde zum größten Erlebnisbad im Weinviertel aufgerüstet. Die Notwendigkeit eines neuen Kabinentraktes als Ersatz für den nicht mehr adäquaten Bestand nahm die Stadtgemeinde zum Anlass, einen geladenen Wettbewerb auszuloben, der nicht nur die Erarbeitung eines Vorentwurfs für die neuen Umkleiden umfasste, sondern auch die Formulierung einer „Grundsatzidee“ für ein von einem privaten Betreiber zu errichtendes „Gesundheitszentrum“ im Anschluss an das bestehende Bad.

Der Wettbewerb wurde flott abgewickelt. Ausgelobt wurde Anfang Dezember 2007, Abgabe anderthalb Monate später, entschieden Ende Jänner 2008. Runser und Prantl überzeugten die Jury unter Vorsitz von Max Rieder in allen Punkten, vor allem aber durch die gute Einfügung des Kabinentrakts in den Kontext der Umgebung. Drei Monate nach der Entscheidung, ein Jahr vor dem angestrebten und eingehaltenen Eröffnungstermin, wurden die Architekten beauftragt. Nach einer knapp bemessenen, dafür umso intensiveren Planungszeit standen gerade sieben Monate für die Ausführung zur Verfügung. Diese Umstände und die Notwendigkeit, auch während der Wintermonate zu bauen, war ausschlaggebend für die Wahl der Bauweise. Die Konstruktion besteht aus bis zu 16 Meter langen Brettsperrholz-Elementen, die in der Werkstatt vorbereitet und innerhalb weniger Wochen montiert wurden. Rural mutet die Anlage trotz der Holzbauweise aber ganz und gar nicht an. Das hätte in dieser Lage auch nicht gepasst.

Das Bad liegt an der südlichen Einfallstraße gegenüber einem Gewerbegebiet. Runser und Prantl vermieden es, auf das Wirrwarr mit besonders signifikanten Gesten zu reagieren, und erzielten durch einen schlichten, leicht geschwungenen Baukörper dennoch eine Form, die präsent ist. Um glatte Flächen ohne Knicke zustande zu bringen, wurden gebogene Brettsperrhölzer mit einer Krümmung von vier Millimeter auf einem Meter verwendet. Die Holzoberflächen wurden mit einem platingrauen Anstrich veredelt, der dem Gebäude nicht nur hinsichtlich des Holzschutzes Robustheit verleiht, sondern ihn auch mit der notwendigen optischen Härte ausstattet, um in der Gegend Geltung zu erlangen. Zugleich sorgt der silbrig schimmernde Farbton für eine gewisse Noblesse, die dem schlanken, insgesamt etwa 85 Meter langen Bauwerk gut zu Gesicht steht.

Es wird damit die Stadteinfahrt akzentuiert, aber auch ein beruhigendes Element geschaffen, das dem Straßenraum eine Fassung gibt. Die Krümmung trägt auch stark dazu bei, für das Bad ein Binnenmilieu, in dem von der Hektik des Gewerbegebietes nichts mehr zu spüren ist, zu erzeugen.

Das Dach des zweigeschoßigen Kabinentraktes kragt über dem Eingang und dem gläsernen Kassenbereich weit aus. Richtung Norden wird der Bogen von einem eingeschoßigen Trakt, der den Personalbereich und verschiedene Technikräume birgt, fortgesetzt. Im Wettbewerbsbeitrag war das Dachdieses Bauteils als langes Flugdach weitergeführt. Es fiel dem Sparstift zum Opfer, hätte aber die Linearität der Anlage stärker betont und einen folgerichtigeren Abschluss gebildet. Vor dem Gebäude wurde mit sparsamen Mitteln ein Platz ausgebildet, auf dem auch um die 200 Fahrräder geparkt werden können. Im Kontrast zum Asphalt verläuft vor dem Gebäude eine unversiegelte Fläche in Form eines Trockenbiotops, das zum Naturraum der angrenzenden Zayawiesen überleitet. Als Landschaftsarchitekt wurde Jakob Fina hinzugezogen.

Innen bilden vor den barrierefrei zugänglichen Kabinen- und Kästchenbereichen im Erdgeschoß zwei Wandscheiben einen Paravent-artigen Schutz vor den Zugängen und zonieren den Vorbereich. Im Obergeschoß bilden ein tiefer Balkon und das auskragende Dach eine riesige Galerie, von der sich das Geschehen im Bad beobachten lässt. Sie dient auch als Begegnungszone und bietet bei Sommergewitter einen vortrefflichen Schutz. Verzinkte Stahlgitter formen die Brüstung und werden als luftige aber robuste Schiebeelemente zum Verschließen der einzelnen Raumsegmente verwendet. Fugenbild und Stöße zeugen von hoher Präzision in der Planung. Die Bauweise erlaubt weder Schlampereien noch Schummeleien. Jede Leitungsführung, jede Öffnung muss sorgfältig im Vorhinein festgelegt werden. Nachträgliches Zuschmieren geht nicht.

Bis ins letzte Eck wird der Symmetrie und der Flächenbündigkeit gehuldigt. Zum Beispiel beim von Stephanie Krieger gestalteten Schriftzug an der Fassade, der so geplant wurde, dass keine Fugen die Buchstaben durchkreuzen. Weiß der Kuckuck, warumdie Lettern dann doch nicht ganz an den gewünschten Stellen gelandet sind. Ein gutes Gebäude muss gewisse Applikationen ertragen können, heißt es oft. Stimmt schon. Auchdas bei aller Schlichtheit bestechend edel wirkende Kabinengebäude ist ein starkes Stück Architektur, das viel aushält, ohne an Qualität einzubüßen. Die bunt gefleckten Tische auf der Terrasse vor dem im Süden angeordneten Bistro haben nicht die Architekten, die kein Mandat für die Einrichtung hatten, ausgesucht. Runser und Prantl sind sicher dankbar, dass der Fotograf da war, bevor sie aufgestellt wurden. Wäre es aber nicht gerade bei öffentlichen Gebäuden – undwas ist öffentlicher als ein kommunales Freibad, das von allen Bevölkerungsschichten und Altersgruppen frequentiert wird? – wichtig, Vorbildwirkung auszuüben und auf allenLinien mit gestalterischer Sorgfalt auf einemhohen kulturellen Niveau zu agieren?

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