Bauwerk

Parlamentsgebäude für Wales
Richard Rogers - Cardiff Bay (GB) - 1998

Wales und die moderne Architektur

Grünes Licht für Richard Rogers' Parlamentsgebäude

10. März 2003 - Georges Waser
Im Herbst 1998, nachdem Richard Rogers den zum Bau eines walisischen Parlaments ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen hatte, wurde sein Projekt vom Vorsitzenden des Preisgerichts bis in den Himmel gehoben. Die Superlative spiegelten die damalige Euphorie; im Jahr zuvor waren die Waliser politisch autonom geworden, und so sollte dem wiedererwachten nationalen Selbstbewusstsein ein Monument gesetzt werden - ein von einem Stararchitekten entworfenes Parlamentsgebäude, das im Jahr 2003 fertiggestellt sein würde. Nur eindreiviertel Jahre später, nachdem Zänkereien bereits den Beginn der Bauarbeiten verzögert hatten und die budgetierten Auslagen von 26,6 auf voraussichtlich 47 Millionen Pfund gestiegen waren, verlor die walisische Regierung die Nerven: Rogers wurde entlassen. Einmal mehr kam damit die Verwandlung des inneren Hafens der Cardiff Bay - den man mit neuen Bauten in ein «Covent Garden on the Waterfront» zu verwandeln gelobt hatte - zum Stillstand. Jetzt aber, seit wenigen Wochen, zeichnet sich eine Wende ab, ist doch Rogers erneut als Architekt für das Parlamentsgebäude bestätigt worden. Der neue Auftrag schliesst allerdings die Konstruktionsfirma Taylor Woodrow mit ein.

Diese triste Vorgeschichte des Parlamentsgebäudes lässt einen unwillkürlich daran denken, wie in Cardiff politische Intrigen vor wenigen Jahren bereits den Bau eines Opernhauses nach Plänen von Zaha Hadid vereitelt hatten. Oder wie in Swansea die vorzüglichen Pläne des Architekturbüros Alsop & Stormer für das nationale Literaturzentrum zur Seite gewischt wurden. In der Tat scheint Wales für die besten britischen Architekten eine Art «No go»-Bereich zu sein. Was übrigens das Ansteigen der budgetierten Kosten für das von Rogers entworfene Parlamentsgebäude anbetrifft, war daran nicht der Architekt schuld - hatten doch nationalistische Politiker darauf bestanden, dass, wie teuer auch immer, walisisches Material verwendet und walisische Baufirmen beauftragt werden sollten. Rogers hatte wiederholt gewarnt; dass man ihn nicht anhörte, überrascht nicht, sieht doch die walisische Finanzministerin Edwina Hart in eigenen Worten zwischen ihm und irgendeinem Gewerbetreibenden oder Bauarbeiter keinen Unterschied. Sie, die ihn entliess, hat nun Rogers wieder eingestellt - es wird angenommen, dass sein Parlamentsgebäude im Jahr 2005 bezugsbereit ist.

Kehrtwendung und plötzliche Hast der walisischen Regierung haben einen Grund: Cardiff bewirbt sich gegenwärtig darum, für das Jahr 2008 zur europäischen Kulturhauptstadt ausgerufen zu werden. Und nicht nur haben Richard Rogers und seine Partner immer wieder bewiesen, dass sie Aufträge rechtzeitig auszuführen und dabei hohen Ansprüchen zu genügen vermochten: Wie es die Pläne suggerieren, erhält Wales mit dem Neubau von Rogers ein Parlamentsgebäude, das jeder Promenade am Wasser einen beschwingten Akzent aufsetzen würde. Also wäre Cardiff damit um eine Touristenattraktion reicher. Ursprünglich war es auch das, was die Stadtväter sowie andere walisische Politiker wollten; unter die grossen Worte der späten neunziger Jahre gehörte die Aussage, schon bald werde die verwandelte Cardiff Bay dank ihrer neuen Architektur als «Gateway» zwischen dem restlichen Wales, England und dem Ausland dastehen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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