Bauwerk

Richard-Wagner-Museum
Staab Architekten - Bayreuth (D) - 2015
Richard-Wagner-Museum © Richard Wagner Museum
Richard-Wagner-Museum © Richard Wagner Museum

Das Är­gers­heim Wag­ners in mo­der­nem Glanz

Auf­wen­dig re­no­viert und um ei­nen glä­ser­nen Neu­bau er­gänzt, er­mög­licht die Bay­reut­her Vil­la Wahn­fried Ein­bli­cke in Le­ben und Werk von Ri­chard Wag­ner – so­wie in die wech­sel­vol­le Ge­schich­te des Ge­bäu­des.

5. August 2015 - Joachim Lange
Dies­mal stan­den zwei Pre­mie­ren in Bay­reuth an. Ei­ne oben auf dem Grü­nen Hü­gel, wo die bald al­lein herr­schen­de Che­fin Kat­ha­ri­na Wag­ner ih­re Tris­tan -In­sze­nie­rung prä­sen­tier­te. Und am Tag drauf, un­ten in der Stadt, so­zu­sa­gen bei ih­rem Ur­groß­va­ter Ri­chard da­heim. Denn was ei­gent­lich ins Wag­ner­jahr 2013 ge­passt hät­te, das ist jetzt voll­bracht: Die Vil­la Wahn­fried wur­de wie­der­er­öff­net. Zwan­zig Mil­lio­nen sind ver­baut wor­den, al­lein die Stadt Bay­reuth hat sie­ben da­von beige­steu­ert.

Das Re­sul­tat kann sich se­hen las­sen. Schmuck und in­tel­li­gent re­no­viert, durch ei­nen Flach­bau auf der ei­nen und das ein­be­zo­ge­ne Sieg­fried-Wag­ner-Haus auf der an­de­ren Sei­te er­wei­tert, ist die Vil­la Wahn­fried jetzt weit da­von ent­fernt, das ar­chi­tek­to­ni­sche oder mu­sea­le Är­gers­heim zu sein, wie sie von Wag­ner selbst in den Jah­ren ih­rer Er­rich­tung von 1872– 1874 be­ti­telt wur­de. Und dass ei­ne ehr­fürch­tig an­ge­leuch­te­te Büs­te des Meis­ters im sa­kral an­mu­ten­den Un­ter­ge­schoß un­ter dem halb­run­den Er­ker des gro­ßen Saals vor ei­nem gül­de­nen Vor­hang schwebt und wie der Gral­skelch im Par­si­fal der ein­ge­schwo­re­nen Fan­ge­mein­de gleich­sam Le­bens­kraft zu spen­den scheint, das ist dann doch eher ei­ne ge­lun­ge­ne iro­ni­sche Bre­chung, mit der die­ses „Schatz­kam­mer“ ge­nann­te Re­fu­gi­um (in dem haupt­säch­lich Ori­gi­nal­par­ti­tu­ren und Hand­schrif­ten ver­sam­melt sind), den Um­gang mit Le­ben und Werk des Bay­reut­her Hel­den au­gen­zwin­kernd ab­run­det.

Die Vil­la, die jetzt nur ein­ge­rahmt durch den Park (mit den Grä­bern) und die Zu­fahrt wie­der frei steht und um­run­det wer­den kann, ist dem Le­ben und Werk des Meis­ters ge­wid­met. Man tut nicht so, als wä­re es das auf­ge­hübsch­te Ori­gi­nal, son­dern hat die De­cken, Wän­de, far­bi­gen Ta­pe­ten (Co­si­mas Li­la Sa­lon sieht wirk­lich so aus) sorg­fäl­tig – so weit es ging – re­kons­trui­ert und ori­gi­na­le Bil­der, Ge­brauchs­ge­gen­stän­de und Bü­cher prä­sen­tiert. Dis­ney­li­ke nach­ge­baut hat man nichts. Und bei der Zers­tö­rung 1945 ist viel ver­lo­ren­ge­gan­gen. Aber es gibt Platz­hal­ter, die weiß ver­hüllt sind, so als wä­ren Ri­chard und Co­si­ma ge­ra­de mal für ein paar Mo­na­te in Ita­li­en. Die obe­ren Räu­me neh­men sich völ­lig zu­rück, prun­ken mit ei­nem Ori­gi­nal­so­fa da, ei­ner auf­ge­schlag­enen Par­ti­turs­kiz­ze hier und in­for­mie­ren oh­ne di­dak­ti­schen Über­ei­fer über Le­bens- bzw. Werk­ab­schnit­te.

Der fla­che, gläs­er­ne Neu­bau (in der Bau­pha­se auch hier um­strit­ten) steht ge­nau auf der al­ten Grund­stücks­gren­ze und un­ter­streicht da­mit den So­li­tär­cha­rak­ter der Vil­la noch zu­sätz­lich. Hier gibt es die er­ste Son­der­aus­stel­lung, die sich na­he­lie­gen­der­wei­se mit dem Haus selbst be­fasst und ei­nen schnell zu er­fas­sen­den Über­blick ver­mit­telt – samt dem aus Leip­zig aus­ge­lie­he­nen Kom­po­si­ti­ons­kla­vier Wag­ners. Im Un­ter­ge­schoß wird mit Ori­gi­nal­kos­tü­men und Büh­nen­bild­mo­del­len die Fest­spiel­ge­schich­te il­lus­triert. Nun will man die Be­su­cher zwar be­wusst nicht füh­ren (sprich gän­geln), aber der Char­me ei­nes pu­ren Schau­de­pots ist be­grenzt. Die we­nigs­ten ha­ben zu je­der Jah­res­zahl auch die In­sze­nie­rung pa­rat. Aber das kann man nach­bes­sern.

Brau­ne Ver­gan­gen­heit

Die wich­tigs­te in­halt­li­che Neue­rung ne­ben die­ser ar­chi­tek­to­nisch ge­lun­ge­nen Er­wei­te­rung des Ri­chard-Wag­ner-Mu­se­ums Bay­reuth ist die Ein­be­zie­hung des 1893 er­rich­te­ten Sieg­fried-Wag­ner-Hau­ses. Weil Ri­chard Wag­ner eben auch der Au­tor der üblen Kampf­schrift Das Ju­den­thum in der Mu­sik ist, sein Er­be in Deutsch­land mit Ri­si­ken und Ne­ben­wir­kun­gen be­haf­tet war und sei­ne Schwie­ger­toch­ter Wi­nif­red le­bens­lang ei­ne glü­hen­de Ver­eh­re­rin Hit­lers war, kommt man um ei­ne of­fen­si­ve Aus­ein­an­der­set­zung mit den brau­nen Ver­stri­ckun­gen der Fa­mi­lie Wag­ner nicht he­rum.

Nun end­lich gibt es im Sieg­fried-Wag­ner-Haus (das Sieg­frieds Sohn Wie­land nach dem Krieg hin­ter ei­ner ho­hen Mau­er ver­schwin­den ließ, weil er die Alt­na­zis, die bei sei­ner bis zu ih­rem Tod 1980 hier le­ben­den Mut­ter Wi­nif­red ver­kehr­ten, nicht mehr se­hen woll­te) zwar Wi­nif­reds er­hal­te­nes Spei­se­zim­mer, aber vor al­lem die so lan­ge über­fäl­li­ge Aus­ein­an­der­set­zung mit dem dun­kel­sten Ka­pi­tel der Fa­mi­li­en­ge­schich­te. Wer auf dem Grü­nen Hü­gel kei­ne Kar­ten be­kommt (oder die Mu­sik nicht mag) der kann un­ten in der Stadt sei­ne ei­ge­ne Wag­ner-Oper er­le­ben. In drei Auf­zü­gen, in­ter­ak­tiv. Und voll­kli­ma­ti­siert! Da schlägt die Vil­la Wahn­fried das Fest­spiel­haus um ei­ne gan­ze Epo­che.

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