Bauwerk

Landesgalerie Niederösterreich
Marte.Marte Architekten - Krems an der Donau (A) - 2018
Landesgalerie Niederösterreich, Foto: Faruk Pinjo
Landesgalerie Niederösterreich, Foto: Faruk Pinjo

Was Wien von Krems lernen kann

In dem Donaustädtchen wird dieser Tage – trotz Warnungen der Weltkulturerbeschützer – ein spektakulärer Museumsbau eröffnet. Die Hauptstadt hingegen verweigert sich attraktiver zeitgenössischer Architektur – wie das Beispiel Heumarkt zeigt.

24. Mai 2019 - Gerhard Vogl
In dem altehrwürdigen Donaustädtchen Krems-Stein wird ein spektakulärer Museumsbau eröffnet. Trotz Warnungen der Schützer des Weltkulturerbes der Wachau hatten Erwin Pröll und Johanna Mikl-Leitner den Mut, sich für den gewagten Entwurf des renommierten Vorarlberger Architektenduos, der Gebrüder Marte, zu entscheiden. Der stieß anfänglich mancherorts auf Kritik, man fragte, ob sich Altstadt und Moderne vertragen würden. Bei der Voreröffnung im April wurde die „Tänzerin im Paillettenkleid“ – wie Wojciech Czaja im STANDARD schrieb – gestürmt. Es scheint, als könne architektonische Qualität doch auch Skeptiker überzeugen.

Wien hingegen kämpft seit Jahrzehnten mit dem modernen Bauen. Wenige andere Hauptstädte Europas verweigern sich so stark zeitgenössischer Architektur wie die Donaumetropole. Kommt als Ironie dazu: Gerade das einfallslose, unattraktive Hochhaus am Heumarkt könnte der Stadt den Status des Weltkulturerbes zu kosten.

Schon 1994 stellte sich der damalige Chefredakteur der Wochenpresse, Christian Ortner, die berechtigte Frage, warum Wien mit der modernen Architektur so über Kreuz liegt. Sein damaliger Befund gilt bis heute: „Auf den Fundamenten der Zweiten Republik, Konsens und Ausgleich, lässt sich vieles errichten – außer bedeutende Bauten. Wo stets alle Für und alle Wider in den Plan des Architekten einfließen müssen, kann naturgemäß nichts Spannendes das Ergebnis sein.“

Verbautes Geld

Dabei geben uns andere europäische Städte manch attraktives Vorbild: die Hamburger Elbphilharmonie, die Osloer Oper, das Weltmuseum in Lyon – erbaut vom österreichischen Stararchitekten Wolf D. Prix, in Amsterdam das attraktive Filminstitut des heimischen Architekten-Erfolgsduos Delugan-Meissl, die Reichstagskuppel in Berlin von Lord Forster. Von den Museumsbauten des Amerikaners Frank Gehry in Paris und Bilbao ganz zu schweigen. All diese Bauten ziehen Millionen von Besuchern an – nicht etwa der Reichstag, sondern die Kuppel ist der Magnet. Die einst so umstrittene Glaspyramide im Louvre zählt heute zu den Wahrzeichen von Paris. Wobei nicht verschwiegen werden soll, dass viele dieser Bauten, vor allem deren Kostenüberschreitungen, den Steuerzahler arg belastet haben. In der Langzeitrechnung – die abgewrackte Hafenstadt Bilbao zieht seit 1997 jährlich eine Million Besucher an – dürften sich die hohen Kosten für extravagante und teure Kulturbauten auszahlen.

Die zentrale Frage – schon damals wie heute – ist die Rolle der Bauherren. ORF-Langzeit-Generalintendant Gerd Bacher, einer der aktivsten in dieser Rolle – man denke nur an die preisgekrönten Peichl-Landestudios –, befand schon in den 70iger-Jahren: „Der öffentliche Bauherr von heute baut nicht, er verbaut Geld und Gegend.“

Öffentlichen Bauten entscheiden meist zögerliche Politiker und vorsichtige Beamte; die Populisten in der Politik und den Boulevard nicht zu vergessen. Mit dieser Einstellung wäre ein Projekt wie die Wiener Ringstraße samt den Museen, der Oper und dem Burgtheater nie gebaut worden.

Der bekannte Architekturkritiker Dietmar M. Steiner äußert sich über den Umstand, dass signifikante Merkmale des preisgekrönten Entwurfs des Museumsquartiers wie der Leseturm dem Plebiszit eines Massenblatts zum Opfer fielen: „Der eigentliche Bauherr des Museumsquartiers war die Kronen Zeitung.“

Als kleines Äquivalent entsteht gegenwärtig auf dem Dach des Leopold-Museums ein zartes Gebilde: die „Libelle“. Geplant vom Architekten des verhinderten Leseturms, Laurids Ortner, soll der 600 Quadratmeter große, gläserne Veranstaltungsraum mit einem atemberaubenden Blick auf Wien nicht nur Ausländer, sondern mehr Wiener anziehen. Die soeben eröffnete, drei Stockwerke umfassende Ausstellung Wien 1900 verdient nämlich einen ähnlichen Ansturm wie Traum und Wirklichkeit 1985 im Künstlerhaus.

Wiener Unterwerfung

Dass es trotzdem geht, zeigen private Bauherren mit genau dem im öffentlichen Bereich fehlenden Gen: etwa der Kunstsammler Herbert Liaunig. Er demonstrierte, dass man ein Museum sowohl attraktiv modern wie auch preiswert bauen kann, indem er einen zu teuren Entwurf verwarf. Dass es auch in der Politik Bauherren des apostrophierten Zuschnitts gibt beziehungsweise gegeben hat, zeigte 2003 in Graz das rot-schwarze Duo Alfred Stingl und Helmuth Strobl, das gegen großen Widerstand mit dem kühnen Entwurf der „Blauen Blase“ ein neues Markenzeichen für Graz geschaffen hat.

Stellen Denkmalschutz und Welterbe eine notwendige Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert vor unüberwindbare Hürden? Der bekannte Raumplaner Reinhard Seiß verneint das, wirft aber der Wiener Politik vor, sie habe sich auf diesem sensiblen Platz – Stichwort Canaletto-Blick – völlig dem Investor und dessen Renditedenken unterworfen, eine seriöse Standortanalyse ebenso wie eine städtebauliche Einbettung versäumt.

Vielleicht schafft es der Wiener Wahlkampf, mit den unterschiedlichen Positionen von SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig und ÖVP-Chef Gernot Blümel, den gordischen Knoten zwischen Maximierung der Kubatur, Vertragstreue zum Investor und Erhaltung eines schützenswertes Ensembles zu lösen? Bleibt für Architekturfans also vorerst nichts anders übrig, als in andere Hauptstädte zu fahren? Vielleicht genügt schon ein Kurztrip nach Krems.

[ Gerhard Vogl ist gebürtiger Kremser und Ex-Chefredakteur im ORF . ]

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wettbewerb

Das Projekt ist aus dem Verfahren Galerie Niederösterreich Krems hervorgegangen

1. Rang, Gewinner
Marte.Marte Architekten ZT GmbH


2. Rang, Preis
Querkraft Architekten ZT GmbH


3. Rang, Preis
Buschina & Partner ZT GmbH, Smartvoll Architekten ZT KG


4. Rang, Preis
Elmar Ludescher, Philip Lutz


5. Rang, Preis
Winkler Architektur, Christian Leeb


6. Rang, Preis
COOP HIMMELB(L)AU Wolf D. Prix & Partner ZT GmbH


7. Rang, Preis
synn architekten ZT OG, Bauer Kurz Stockburger & Partner


8. Rang, Preis
Architekt Scheibenreif ZT GmbH, PPA architects


1. Nachrücker auf Preise
Juri Troy


2. Nachrücker auf Preise
LEICHT Structural Engineering and Specialist Consulting GmbH


3. Nachrücker auf Preise
PLOV Architekten ZT GmbH


1. Stufe
STUDIOVLAY, Land in Sicht - Büro für Landschaftsplanung


1. Stufe
RIEPL RIEPL ARCHITEKTEN ZT GMBH


1. Stufe
BWM Architekten und Partner


1. Stufe
sitka kaserer architekten ZT GmbH


1. Stufe
Ortner & Ortner Baukunst ZT GmbH


1. Stufe
SEHW Architektur


1. Stufe
Michael A. Hein, iC Consulenten ZT GmbH


1. Stufe
Ernst Linsberger ZT GmbH


1. Stufe
Architekt Strixner ZT GmbH


1. Stufe
B+U Baumgartner + Uriu, LLP


1. Stufe
PPAG architects ZT GmbH


1. Stufe
YF architekten zt gmbh


1. Stufe
Katzberger ZT GmbH


1. Stufe
ARTEC Architekten Bettina Götz + Richard Manahl


1. Stufe
Daniel Nocker, DIN A4 Architektur ZT GmbH


1. Stufe
Hermann & Valentiny und Partner Architekten ZT GmbH, AXIS Ingenieurleistungen ZT GmbH


1. Stufe
Poos Isensee Architekten BDA


1. Stufe
Hoppe Architekten ZT GmbH, Bence Bap


1. Stufe
soma ZT GmbH, Architektur Consult ZT GmbH


1. Stufe
Ernst Beneder, Anja Fischer, Pörner Ingenieurgesellschaft mbH


1. Stufe
Mitiska * Wäger Architekten ZT OEG


1. Stufe
Birk Heilmeyer und Frenzel Gesellschaft von Architekten mbH


1. Stufe
Irene Ott-Reinisch


1. Stufe
maxRIEDER ZT GmbH


1. Stufe
pbp Architekten Patzelt Barth + Partner zt-gmbh


1. Stufe
Architekt Krischanitz ZT GmbH


1. Stufe
feld72 architekten zt gmbh


1. Stufe
Paolo Piva, Kiskan Kaufmann + Venturo ZT GmbH


1. Stufe
franz zt gmbh, SUE Architekten ZT GmbH


1. Stufe
Kohlmayer & Oberst GmbH


1. Stufe
LP architektur ZT GmbH


1. Stufe
Treberspurg & Partner Architekten ZT GmbH


1. Stufe
Dietrich | Untertrifaller Architekten ZT GmbH


1. Stufe
heri&salli, Fritz Brandstätter


1. Stufe
Architekten Maurer & Partner ZT GmbH


1. Stufe
otmarhasler-architektur ZT GmbH


1. Stufe
Bechter Zaffignani Architekten ZT GmbH, DI Josef Galehr ZT GmbH


1. Stufe
Wendl ZT GmbH, Schulz Architektur ZT GmbH


1. Stufe
Weinhäupl Architekten ZT GmbH, Smertnik Kraut ZT GmbH


1. Stufe
Klaus Stattmann, Alexander Katzkow & Partner GmbH, Michael Wallraff


1. Stufe
Thomas Tauber


1. Stufe
Architects Collective ZT-GmbH


1. Stufe
Architekt Friedrich Göbl ZT GmbH, Atelier Hayde Architekten ZT GmbH


1. Stufe
kadawittfeld architektur gmbh


1. Stufe
kub a / Karl und Bremhorst Architekten


1. Stufe
Plan Forward GmbH


1. Stufe
Caramel architekten zt-gesellschaft m.b.H.


1. Stufe
Architekt Zieser ZT GmbH