Bauwerk

Quartier Riedenburg
Schwarzenbacher Struber Architekten, Fally plus Partner, Atelier Thomas Pucher - Salzburg (A) - 2019
Quartier Riedenburg, Foto: Kurt Kuball
Quartier Riedenburg, Foto: Kurt Kuball
Quartier Riedenburg, Foto: Kurt Kuball

Abseits der Festspiele

Wohnungen, Geschäfte, ein Kindergarten und ein Park beieinander vereint: Das neue Quartier Riedenburg formt aus einer Vielzahl funktioneller und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen einen Ort, zu dem Menschen ein Gefühl der Verbundenheit entwickeln können. Besuch in Salzburg.

2. Februar 2019 - Romana Ring
Wovon träumen Touristen, wenn sie nach Salzburg kommen? Würden Mozart und die Trapp-Familie vor dem Hintergrund eines rigoros durchgerasterten Häusermeers die gleiche Wirkung entfalten wie in der Getreidegasse und auf dem Domplatz? Man muss nicht Architektur studiert haben, um den spannungsvollen Wechsel der Salzburger Altstadt zwischen Enge und Weite, dem Abbild von Alltag und von Hochkultur, den Bürgerhäusern und den Repräsentationsbauten der Mächtigen zu schätzen. Offensichtlich fällt es Millionen Menschen leicht, sich auf dieser Bühne in Lebensgeschichten hineinzudenken. Das ist sicherlich auch dem Umstand zu verdanken, dass selbst die gut konservierte historische Bausubstanz Salzburgs ursprünglich nicht als Kulisse errichtet wurde, sondern als lebendige Stadt gewachsen ist.

Was aber erwarten Salzburger von ihrer Stadt? Ihre Wünsche sind denen der Touristen wohl ziemlich ähnlich. Mit dem Unterschied, dass es die eigenen Lebensgeschichten sein sollen, die ihre Stadt erzählt. Diese Geschichten mögen in ihrer Gesamtheit nicht besonders spektakulär sein; auch legt noch keine aus zeitlichem Abstand geborene Ungenauigkeit der Wahrnehmung den Schleier romantischer Verklärung über sie. Für die Qualität des Stadtraumes macht das keinen Unterschied. Es ist heute wie immer schon die Aufgabe einer Siedlung, aus einer Vielzahl funktioneller, kultureller und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen einen Ort zu formen, zu dem Menschen ein Gefühl der Verbundenheit entwickeln können. Mit reiner Funktionalität kommt man da nicht weit, man muss auch Emotionen wecken. Vieles kann dazu beitragen: die Bewegung im Raum etwa, Gelegenheiten zur Kommunikation, Ruhezonen, Bereiche, in denen kleine Kinder spielen, Jugendliche sich treffen, alte Leute am öffentlichen Leben teilnehmen können, die Verbindung mit dem Vorgefundenen und der Dialog des Gebauten mit dem Landschaftsraum.

In unmittelbarer Nähe des touristisch geprägten Salzburgs entsteht gerade ein Stadtteil, in dem dank eines mit großer Geduld und einiger Hartnäckigkeit geführten Vorbereitungs- und Planungsprozesses eine Fülle von Überlegungen dieser Art baulich umgesetzt werden konnte. An der westlichen Flanke des Rainbergs, etwa 500 Meter von den Tiefgaragen im Rücken des Festspielbezirks entfernt, werden auf einem annähernd 35.000 Quadratmeter großen Areal rund 330 Wohnungen, Geschäftsflächen, ein Stadtteilzentrum, ein Kindergarten und ein 5000 Quadratmeter großer, öffentlich zugänglicher Park errichtet. Der nördliche Teil der von Neutorstraße, Moosstraße, Sinnhubstraße und Leopoldskronstraße begrenzten Anlage ist seit Herbst in Betrieb. Der südliche Abschnitt ist noch im Bau und wird heuer im Sommer fertiggestellt. Möglich wurde die Aufwertung eines bislang eher vorstädtisch geprägten Viertels durch den Abbruch der ehemaligen Riedenburgkaserne und den Willen der neuen Eigentümer des Areals, mit dem Projekt nicht das Maximum an Rendite zu erzielen, sondern das Bestmögliche an Lebensraum für die Bewohner der Stadt zu schaffen.

Die Gemeinnützige Salzburger Wohnbaugesellschaft und die UBM Development Österreich beauftragten die Sieger des im Jahr 2014 durchgeführten Architektur- und Landschaftsplanungswettbewerbs mit der Planung des Quartiers, dessen Wohnungen zu 75 Prozent den Regeln des geförderten Wohnbaues unterliegen und nur zu 25 Prozent frei finanziert sind. Die in Salzburg ansässige Arbeitsgemeinschaft Schwarzenbacher Struber Architekten und Fally plus Partner Architekten entwickelten das städtebauliche Leitprojekt und einen Großteil der Objekte. Das Grazer Architekturbüro Pucher wurde auf Anraten der Wettbewerbsjury mit der Planung der Gebäude an der Neutorstraße beauftragt. Der Entwurf der Freiraumplanung stammt von Agence Ter aus Karlsruhe, ausgeführt wurde sie vom Büro Freiraum und Landschaft aus Zell an der Pram. Dass diese zahlreichen in den Planungsprozess eingebundenen Persönlichkeiten das Quartier Riedenburg nicht in eine mit guten Ideen gefüllte Wundertüte der Architektur verwandelt haben, ist wohl der Sensibilität und der Ernsthaftigkeit zu verdanken, mit der sie sich ihrer Aufgabe in gut zweieinhalb Jahre dauernder, vom Salzburger Gestaltungsbeirat begleiteter Arbeit gewidmet haben.

Zunächst galt es, dem Stadtteil das bislang von einer Mauer umwehrte und somit dem Raum entzogene Kasernenareal zurückzugeben. Das gelingt durch die offene Anordnung der Gebäude, die abwechslungsreiche, mit dem Umfeld verknüpfte Wege durch das Quartier begleiten. So wird die in die Moosstraße mündende Späthstraße etwa in der Mitte des Bauplatzes durch einen befestigten Freiraum fortgesetzt. Dieser mündet in den Park, der mit seiner sanften Aufwärtsbewegung den bewaldeten Abhang des Rainbergs vorwegnimmt. Die Anhebung des Geländes zur Leopoldskronstraße hin ist dem Schutz des Grünraumes vor dem Verkehrslärm geschuldet, der in allen vier flankierenden Straßen erheblich ist und nur durch ein Bündel von Maßnahmen neutralisiert werden konnte. Dazu zählt die scheinbar zwanglose Positionierung der Gebäude, die jeweils einen eigenen, individuell gestalteten Freiraum umschließen.

Auch in der Höhe sind die Baukörper gestaffelt, was die Anbindung an die kleinteilige Struktur des Stadtteiles erleichtert hat und spannende Außenräume mit abwechslungsreicher Lichtführung und zahlreichen Aus- und Durchblicken mit sich bringt. Um die mit der Gruppierung der Häuser einhergehende Eindeutigkeit der Adressbildung zu unterstreichen, haben die dem Freiraum zugewandten Fassaden kräftige, dem jeweiligen Cluster zugeordnete Farben bekommen.

Die Erdgeschoßzone ist entsprechend ihrer Nutzung gestaltet. So spaziert man, vom Platz an der Neutorstraße kommend, an Geschäftslokalen vorbei, schaut in das eine oder andere Atelier hinein, setzt sich in den Schatten eines Baumes, genehmigt sich einen Kaffee, bevor es Zeit ist, die Kinder aus dem Kindergarten abzuholen, oder schaut auf ein Schwätzchen im Stadtteilzentrum vorbei. Es ist durchaus denkbar, dass die Touristen das Quartier Riedenburg so bald nicht entdecken werden. Viele von ihnen würden in Gedanken an ihre Heimatstädte wahrscheinlich sagen: In Salzburg müsste man sein.

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