Bauwerk

Wohnbau GartenLounge Kagran
WUP architektur - Wien (A) - 2018

Wohnbau: Mehr als die üblich netten Zuckerln?

Nichts geht mehr im geförderten Wohnbau – man leidet derzeit an hohen Baukosten und am Zwang zu sparen. Dennoch finden sich Spielräume. Ein Beispiel aus der Donaustadt.

21. September 2019 - Franziska Leeb
„Generationenwohnen“ lautet nun etliche Jahre ein viel bemühtes Schlagwort im geförderten Wiener Wohnbau. Kurz gefasst geht es darum, allen Altersgruppen gleichermaßen Entfaltungsmöglichkeiten und ein adäquates Umfeld zu bieten. Eh selbstverständlich, meint man. Aber was nun der besondere Mehrwert für das intergenerationelle Zusammenleben ist, außer dass es Einheiten für betreutes Wohnen, einen Gemeinschaftsraum und einen Spielplatz für die Kleinen und Sitzgelegenheiten für die reiferen Semester gibt, ist bei vielen Projekten nicht ganz klar.

Für den Bauträgerwettbewerb für das Gebiet Kagran West III im Jahr 2015 brüteten die Architekten des Büros WUP-Wimmer und Partner (Helmut Wimmer, Bernhard Weinberger, Andreas Gabriel) darüber, wie sie dem Thema mit mehr als den üblichen netten Zuckerln gerecht werden können. Seit nicht ganz einem Jahr ist das Produkt der Überlegungen, das vom Bauträger Building Development Network umgesetzt wurde, fertig und eingewohnt.

Innerhalb zweier Jahrzehnte hat sich das Areal zwischen Donaufelder Straße und Prandaugasse völlig verändert. Die Glashäuser und Felder der Gärtnereibetriebe sind bis auf wenige Relikte verschwunden. Nach einem städtebaulichen Leitbild von Elsa Prochazka und Ernst Hoffmann aus den 1990er-Jahren entstand ein dichter neuer Stadtteil von durchwachsener architektonischer Qualität. Ganz im Zeichen der Verbundenheit des Bezirks Donaustadt mit dem Partnerbezirk Arakawa in Tokio steht die Benennung der öffentlichen Flächen. Der Bauplatz für den „Gartenlounge“ getauften Wohnbau von WUP liegt in der Bonsaigasse, direkt am drei Hektar großen Kirschblütenpark. Im Frühling machen die blühenden Zierkirschen dem Namen alle Ehre, sonst leidet der Park (Planung: Yewo Landscapes) sichtlich unter dem Sparstift, der Ausstattung und Pflege von Grünanlagen in Neubaugebieten viel zu oft diktiert.

Sparen hieß es auch für die Schöpfer der Gartenlounge, die nichtsdestotrotz alles daranlegten, für einen Ort der Identitätsbildung zu sorgen. Die Grundlage dafür bildet die städtebauliche Konstellation, die sich der Zeilen- und Kammstruktur des Leitbildes entzieht. Die Gebäudefigur entsteht durch das Gruppieren von Wohnungen zu „Häusern im Haus“ um eine Erschließungsfläche, die sich zu Plätzen weitet oder schmäleren Gassen verjüngt. In gewisser Weise wurden die typischen Komponenten eines Wohnbaus dekonstruiert und neu kombiniert. Die Nebenräume sind aus den Wohnzonen herausgelöst und bilden Vorsprünge, die zur weiteren räumlichen Differenzierung der 270 Quadratmeter großen Allgemeinfläche pro Geschoß beitragen. Abgerundete Ecken sorgen dafür, dass der Raumfluss geschmeidig bleibt.

Einen Gemeinschaftsraum im üblichen Sinn gibt es nicht. Die Plätze und Gassen übernehmen diese Funktion viel besser und vielfältiger, als ein abgetrennter Raum dies je könnte. Die Architekten entwarfen dafür Mobiliar, das nach Kartonmodellen vom Schlosser gebaut wurde. Sitzmodule in Form von an zwei Seiten offenen Hohlkörpern wurden um Tische angeordnet oder zu Bänken gruppiert. Den Kindern dienen sie als Kriechtunnel. Aus dem gleichen gelb beschichteten Stahlblech wurden Minigolfbahnen produziert, für jeden Stock eine andere; zusammen ergibt sich ein vertikaler Minigolfparcours. Brettspiele wie Schach und „Mensch ärgere dich nicht“ wurden ins Großformat übertragen, die Spielfeldmarkierung bildet das Fliesenmuster des Bodens. Auf schwarzen Tafelwänden werden per Kreide Botschaften ausgetauscht. Kleine Eye-Catcher sind die darauf angebrachten, jeweils anders gestalteten Wurfspiele. Es entstanden geschoßweise kleine Nachbarschaften, eine Art halböffentlicher Raum im Inneren, der dank Minigolf über die Geschoße hinweg der Bewohnerschaft – darunter jener von zwei Studierenden-Wohngemeinschaften – Anlass gibt, immer wieder das ganze Haus zu erkunden. Ausblick in die Umgebung gewähren aus diesen Binnenräumen Verglasungen zwischen den Wohnungsgruppen. Die Gebäudekonfiguration fördert die Kommunikation, sorgt zudem dafür, dass keine nur nach Norden gerichteten Wohnungen entstehen, sondern zweiseitig orientierte Kopfwohnungen, nur ein Stiegenhaus das ganze Gebäude erschließen kann und zu ebener Erde verschiedene Freiraumqualitäten (EGKK Landschaftsarchitektur) und eine gewisse Durchlässigkeit zur Umgebung entstehen kann.

Einen Flügel des Erdgeschoßes besetzt ein von der Volkshilfe betreutes Seniorenwohnprojekt, die anderen ein Kindergarten und dazwischen der überdeckte gemeinsame Vorplatz – mit Sitzbänken und Tischtennistisch ebenso ein Ort der Begegnung. Bereits in der Rohbauphase fanden Workshops statt, um die Ideen der Architekten zu kommunizieren und Mieterwünsche berücksichtigen zu können. Eine moderierte Begleitung zumindest bis zur Einzugsphase schafft früh die Grundlagen für ein gedeihliches Zusammenleben und ist eine Investition, die später viel Ärger spart.

Nichts geht mehr im geförderten Wohnbau, verlauten bundesweit alle damit Befassten unisono. Hohe Grundstücks- und Baupreise stehen der Großzügigkeit der Räume und einer über das Notwendige hinausgehenden Ausstaffierung meist entgegen. Durften die Architekten in der Bonsaigasse etwa urassen, oder werden die Mieter verstärkt zur Kasse gebeten? Nein, betonen Bernhard Weinberger und Andreas Gabriel. Man hat gespart, wo es nur ging und es nicht auffällt. Zwei Fenstergrößen und verzinkte Geländer mussten genügen. Für die Fassadenfarben wählte man verschiedene Beigenuancen aus der RAL-Palette, womit auch Fensterrahmen und außen liegende Fallrohre keiner Extrabehandlung bedurften und sich dennoch harmonisch einfügen. In Stiegenhäusern und den Erschließungsflächen suchte man möglichst günstige Fliesen in Grautönen und Gelb. Am billigsten sind die grauen, von denen es am meisten gibt, zu den Flächen erhöhter Aktion hin verdichten sich die gelben, die teurer sind und daher stückgenau kalkuliert werden mussten.

Gern hätten die Architekten das Freigelände zum Park hin offen übergehen lassen. Den Zaun, den sie errichten mussten, versahen sie für einen raschen Parkzugang mit einer Tür, was der zuständigen Behörde missfiel. Sie setzte der Gartenlounge kurzerhand ein weiteres Stück Zaun vor die Tür.

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