Bauwerk

Felsentherme Bad Gastein
kofler architects - Bad Gastein (A) - 2004

Alte (Un)Bekannte II

Vom Felsenbad zur Felsentherme

29. August 2003 - Norbert Mayr
Bad Gastein war in der Donaumonarchie einer der mondänsten Kurorte Europas und Treffpunkt der internationalen Gesellschaft. In den 1960er Jahren wollte Bürgermeister Anton Kerschbaumer dem steten Niedergang begegnen und vom rasant wachsenden Tourismus profitieren. Er holte sich den jungen Architekten Gerhard Garstenauer.

Die Aufbruchstimmung fand im Felsenbad (1966/­1968), einem der wenigen Bauwerke dieser Zeit in Salzburg von internationalem Rang, ihre erste Umsetzung. Der beengte Bauplatz für ein Thermal-Hallen-Freibad führte Garstenauer zur entscheidenden Überlegung, den Raum für die Schwimmhalle aus dem Berg herauszusprengen. Die unbearbeiteten Felswände aus Tauerngneis sorgen im Kontrast zur konstruktiv-präzisen Architektur in Beton mit der großen Fensterfront für einen bemerkenswerten Raumeindruck. Dem schalrein belassenen Skelettbau wurden vorgefertigte Betonteile vorgesetzt mit Raumtrennungen durch nichttragende Alu-Glas- bzw. beidseitig verschalte Holzwände.

Das Bauwerk ist, wie Friedrich Achleitner schrieb, „ein gelungenes Beispiel für die Überbauung eines Ortes, für die Sichtbarmachung seiner topographischen Gestalt, ohne eine Interpretation zu versuchen.“

Es waren nicht primär die nach dem Ölschock gewandelten Anforderungen an die Bauphysik, die Gerhard Garstenauers Felsenbad und dem zweiten Hauptwerk in Bad Gastein, dem Kongresszentrum (1968/1974) zusetzten, sondern unsachgemäße Veränderungen und Pflege. Die Bauten verloren „immer mehr an funktionellem Wert und optischer Wirkung“ (Garstenauer, Memorandum 1991). Prinzipiell legitime Anpassungen eines Gebäudes an veränderte Anforderungen wurden ohne Konsultation Garstenauers ­ trotz mehrmaligem Angebots seinerseits ­ durchgeführt. Neben der Verkleinerung des Balkons, Änderung der Außentreppe und einer kitschigen Grotte im Freibadbereich bildete der neue Gästelift „den Höhepunkt an gestalterischem Unvermögen und fachlicher Inkompetenz“.

Im Jahr 2000 wurde für Kongresszentrum und Felsenbad beim Österreichischen Bundesdenkmalamt (BDA) ein Antrag auf Unterschutzstellung eingereicht. Berechtigte Sanierungs- und Erweiterungsüberlegungen sollten ohne weitere Verstümmelungen stattfinden, irreversible, strukturelle Zerstörung verhindert werden. Die Kehrseite der Medaille liegt in einer mit dem Denkmalschutz gelegentlich plötzlich einsetzenden „Umklammerung“ durch das Denkmalamt. Bisweilen entsteht aber auch mit engagierten Architekten ein produktiver Dialog, manchmal gelingt deren Sensibilisierung für wertvolle Bausubstanz. Oft sind es baubehördliche Nachrüstungs-Forderungen, die für das Baudenkmal (er)schlagend werden.

Das Österreichische BDA steht ­ im Gegensatz etwa zu Deutschland ­ erst am Beginn der Beschäftigung mit der Moderne der 1960er und 1970er Jahre sowie deren baustrukturellen Eigenheiten und Anforderungen. Ende 2000 kündigte Präsident Georg W. Rizzi an, sich in Bad Gastein persönlich ein Bild machen zu wollen und meinte, dass „nachhaltige Veränderungen“ möglicherweise den „a priori gegebenen hervorragenden künstlerischen Wert entsprechend“ mindern könnten. Nachhaltiges Hinauszögern von Besuch und Entscheidung führte zu „nachhaltigen Veränderungen“. Der lokale entwerfende Baumeister des verunglückten Lifts realisierte 2002 einen Steg, eine weitere, die Straßenfront verunklärende Anbindung.

Der sogenannte „Panorama-Übergang“ über die Bahngeleise kracht an das Felsenbad. Bei seinem Erweiterungsentwurf aus dem Jahr 2001 sollte u. a. die Glasfront nach vorne versetzt werden. Durch sein Erlebnisbad sollte Bad Gastein „die Konkurrenz der neu entstandenen Bäder Ostösterreichs nicht mehr zu scheuen haben“. Deren architektonische Unbedarftheit ist bekannt.

Schließlich akzeptierte die Stadt Badgastein doch einen Architekturwettbewerb. Baumanager Sabfinanz bereitete den auf sieben Büros beschränkten Ideenwettbewerb allerdings unprofessionell und ohne Einbindung von Gerhard Garstenauer vor.

Friedrich Achleitner lehnte den kurzfristig angefragten Juryvorsitz ab und erteilte der Ausschreibung, die bei ihm „Horrorvisionen erzeugte“, eine vernichtende Kritik: „Die Chance, wie sie der Bestand böte, zu einer wirklich neuen Bäderkultur vorzustoßen, wird offenbar nicht gesehen. Ich glaube, dass man mit diesen Vorgaben keinen ernst zu nehmenden Architekten auf den Weg schicken kann. Was sie brauchen, sind Dekorateure.“

Die unersättlichen Bild-Ingenieure der Erlebnis-Thermalisierung zauberten das Thema „Kristall“ aus dem Hut. Ein „beleuchteter Kristall“ auf einer kleinen Insel des frei geformten Erlebnisbeckens und „Felsen und Kristallkunstwerke“ sind Großnippes zur Erzeugung einer „Glitzertraumwelt“. Eine interaktive, themenspezifische, mit multimedialen Effekten auszustattende Rutsche sollte zum neuen Symbol des Bades werden. Der Entspannungsbereich sollte einen „Musikraum mit Farb- und Dufteffekten“ erhalten, themenspezifisch eingeblasen durch die Lüftungsanlage. Keine Rede von strukturellen Überlegungen, bei denen die Architektur selbst Identität stiften kann. Die Fachpreisrichter Gerhard Mitterberger (Vorsitz) und Ernst Fuchs verwarfen diese Bestandteile der Ausschreibung.

Die Jury entschied sich am 28. Juni 2002 einstimmig für das Projekt von Ludwig Kofler. Der Salzburger Architekt argumentierte bei dem angrenzend im Berg situierten Erweiterungsvorschlag mit der bewährten „Verbindung von Stein und Wasser“. Sein Wettbewerbsteam griff bei der Erlebnishalle mit darüberliegendem Saunabereich Garstenauers Betonung der Horizontale auf. Nach Rücksprache mit Garstenauer verzichtete Kofler auf unmotiviert gerundete Beckenformen. Nun erst durchgeführte geologische Untersuchungen bestätigten massiven Felsen, die notwendigen Abtragungskosten wurden als zu hoch bewertet. Dies führte zum Abrücken der 30 Meter messenden Erlebnistherme um Hallenlänge in den Erdhang im Süden. Das Thema Stein verflüchtigte sich. Um eine zentrale Liegeterrasse werden sich die „Ruhetherme“ (Garstenauers Schwimmhalle) und Koflers Saunatrakt und „Erlebnistherme“ gruppieren, zusammen die „Felsentherme“. Für die Bestandssanierung sollen nur 10 Prozent der 7,3 Millionen Euro Herstellungskosten eingesetzt werden. So bleiben spätere Verstümmelungen, aber auch originale Elemente wie die Isolierverglasung des Schwimmhallenfenster unverändert. Nach einem weiteren Vorstoß Garstenauers soll die Außengrotte beseitigt werden. Das knappe Budget bedeutet eine Beschränkung auf das Notwendigste, wodurch auch auf tiefgreifende Sanierungen verzichtet wird. Bleibt zu hoffen, dass nach dem Sieg des Wettbewerbsteams bei der Ausführung jene Qualitätsverluste vermieden werden, die bei anderen Bauvorhaben zu beobachten sind.

Stefan Bammer, Geschäftsführer der Bad Gasteiner Kur- und KongressbetriebsgmbH, findet Garstenauers Bauten „ganz in Ordnung“, bezeichnet sich gar als Fan seiner funktionalen Architektur. Am 17. Oktober 2002 hatte er über das Kongresshaus noch gemeint: „Natürlich können wir den Betonklotz äußerlich nicht verändern, aber wir können ihn innen mit kleineren Investitionen [Š] auf den neuesten Stand bringen.“ Mittlerweile ist das Innere durch gelb gestrichene Sichtbetonteile „freundlicher“

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