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Details

Adresse
Rom, Italien
Architektur
Richard Meier
Fotografie
Edmund Sumner
Fertigstellung
2002

Publikationen

Bauwelt, Linie 1 in Nizza, Bauverlag BV GmbH, Berlin 2008.

Presseschau

4. Juli 2008 Giorgio Muratore
Bauwelt

Streitfall Ara Pacis

Die Diskussionen um den Ausstellungsbau von Richard Meier für die Ara Pacis in Rom gehen weiter. Der neue Bürgermeister Gianni Alemanno kann sich gut vorstellen, dass er wieder abgerissen wird. Frühere Kritiker des Neubaus sind indes dagegen.

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10. September 2006 Franziska Leeb
Spectrum

Weiß, pur, klar

Rom jubelt, Rom schimpft. Zwei Bauten Richard Meiers: eine Kirche, die weiß ist und weiß bleibt, und ein Museum, das ein Monument einhüllt - und manche an eine Tankstelle oder eine Kläranlage erinnert.

Ein jüdischer Architekt hat den Wettbewerb für den Neubau einer Kirche in Rom gewonnen", vermeldete Radio Vatikan vor zehn Jahren. Es ging nicht um irgendeine Kirche, sondern um die „Jubiläumskirche“ für das Heilige Jahr 2000. Fertiggestellt wurde sie erst drei Jahre später. Und jetzt, wo die Jubelhymnen des internationalen Architekturfeuilletons über den spektakulären Sakralbau verstummt sind, der Ansturm der Architekturtouristen sich gemäßigt hat und das effektvoll publizierbare Gotteshaus sich im Alltag bewähren muss, kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass es nicht unbedingt einen guten Katholiken als Architekten braucht, um hochklassige, spirituelle Kirchenarchitektur zu planen. Richard Meier - bekannt für seine ausgeprägte architektonische Handschrift und die stets weißen Bauten - gewann den Wettbewerb gegen seine renommierten Kollegen Frank Gehry, Günther Behnisch, Santiago Calatrava, Peter Eisenman und Tadao Ando. Fast zeitgleich beauftragte der damalige römische Bürgermeister und jetzige Kulturminister Francesco Rutelli den New Yorker Pritzker-Preisträger direkt mit der Planung einer neuen, heuer fertiggestellten Einhausung der Ara Pacis im historischen Zentrum und sorgte damit für eine hitzige Architekturdebatte. Doch davon später.

Den Akzent des schwarzen Priesters, der im August den Pfarrer vertritt, versteht die rüstige Pensionistin nicht recht und zieht deshalb ein Schwätzchen auf dem Kirchenvorplatz der Predigt vor. Aber auf die neue weiße Kirche ist sie ebenso wie die anderen Gemeindemitglieder sichtlich stolz.

Wie ein Schiff mit drei riesigen, vom Wind geblähten Segeln steht der strahlend weiße Bau inmitten des Wohnviertels Tor Tre Teste am östlichen Stadtrand von Rom. Auf den ersten Blick ist er ein Fremdkörper zwischen den hohen Wohnblocks. Eine weitläufige, mit Travertin gepflasterte Piazza liefert dem glamourösen Schiff einen adäquaten Ankerplatz. Mauern umgeben den schlichten, unmöblierten Platz. Die profane Umgebung ist weitgehend ausgeblendet. Die Vermutung, es sei Überheblichkeit und Effekthascherei bei der Konzeption dieses katholischen Prestigebaus im Arbeiterviertel zugange gewesen, zerschlägt sich vor Ort sofort. Kirche und Platz sind ein Hort der Ruhe und eine städtebauliche Mitte in einer disparaten Umgebung. Schnell erschließt sich das Gebäude, das trotz der eigenwilligen Form durchaus klassischen Kirchenkonzeptionen mit Hauptschiff, Seitenschiffen und Glockenturm entspricht. Viel Tageslicht - und im August auch die Sommerhitze - erfüllen den Kirchenraum durch die verglasten Dächer, die zwischen die weißen Betonscheiben gespannt sind. Innovative Technologie soll das Weiß der Kirche „Dives in Misericordia“ langfristig erhalten.

Mehl aus Carraramarmor macht die Betonfertigteile strahlend weiß, und beigemengte Partikel aus Titanoxid - das Ganze nennt sich fotokatalytischer Zement - sorgen dafür, dass organische Schmutzpartikel durch Sonneneinstrahlung abgebaut werden.

Neben der lichtdurchfluteten Kirche beinhaltet der Komplex ein viergeschoßiges Gemeindezentrum, das im Norden an den hohen Kirchenraum anschließt. Es ist erstaunlich, wie pur sich das Innere auch nach einigen Jahren Gebrauch präsentiert. Keine Spur von Gummibäumen und Teppichen, mit denen in modernen Kirchen oft hilflos wirkende Versuche zur Vergemütlichung eines kargen Raumes unternommen werden. Meier gelang trotz der Klarheit und Absenz von Farbe ein Raum von hoher Spiritualität, der selbst ohne Hintergrundwissen zum Symbolgehalt sich den Besuchern und Gläubigen zu erschließen vermag. So richtig überzogen wirken eigentlich nur die von Bulgari für die Kirche hergestellten liturgischen Gegenstände aus Silber, die wie in einem Juwelierladen präsentiert werden.

Wenig schmeichelhaft hingegen sind die Attribute, die Meiers zweitem Bau in Rom zugedacht wurden: Tankstelle oder gar Kläranlage nennen die Römer die neue Einhausung der Ara Pacis. Der ursprünglich an der Via Flaminia, der heutigen Via del Corso, situierte Altar wurde unter Mussolini zum 2000. Geburtstag des als Vorbild gut tauglichen Imperators Augustus an einer im Stadtbild wirkungsvolleren Stelle als dem Fundort, zwischen Augustus-Mausoleum und dem heute stark vom Verkehr frequentierten Lungotevere wiederhergestellt. Überbaut wurde er nach Plänen des Architekten Vittorio Ballio Mopurgo (1890 bis 1966) mit einem für damalige Verhältnisse ungewöhnlich großzügig verglasten tempelartigen Pavillon.

Da der alte Schutzbau angeblich die Konservierung des zur Erinnerung an die Pax Augusta und zur Huldigung des Kaisers im Jahr neun vor Christus eingeweihten Altares mit seinen kostbaren Reliefs nicht mehr gewährleistete, beschloss Bürgermeister Rutelli den Abriss und bestellte bei Richard Meier einen räumlich umfassenderen Neubau für ein Ara-Pacis-Museum, der zwangsläufig größer als der Vorgängerbau werden musste. Die Römer standen dem Vorhaben von Anfang an skeptisch gegenüber, forderten gar den Abriss, und selbst nach der unter Polizeischutz vorgenommenen Eröffnung am 21. April, dem Jahrestag der Gründung Roms, haben sich die Wogen der Entrüstung nicht geglättet. Zu massiv sei der Bau, er gebe nach außen hin zu wenig vom Altar preis, und es wurde „in architektonischer, archäologischer und historisch-städtebaulicher Hinsicht mit dem Neubau der Bezug zum Kontext radikal verfehlt“, wie es einer der vehementesten Gegner, der Architekt Giorgio Muratore (bauwelt, Juni 2006), formuliert, dem eine unspektakuläre Sanierung des Bestandes lieber gewesen wäre.

Mehrmals musste Meier den Entwurf überarbeiten und zum Beispiel die zum Lungotevere hin abschirmende Natursteinwand verkleinern. Und obwohl die in den harten Kontroversen vorgebrachten Argumente der Gegner nicht ganz nachvollziehbar sind, wünschte man sich heute doch, das Projekt wäre mit weniger Sturheit seitens der römischen Stadtregierung durchgeboxt worden. Im Vergleich zur Kirche am Stadtrand ist das Ara-Pacis-Museum in architektonischer Hinsicht wenig aufregend. Es erfüllt die Funktion, dem antiken Bauwerk eine bestens klimatisierte Hülle und den Besucherscharen eine höchst angenehme Besichtigung zu gewährleisten - viel mehr aber nicht.

Jener Zeitgenosse, der auf der Abbildung am Bauzaun das Gebäude mit einem „Ikea“-Logo versah, hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Ordentliches Design, gut brauchbar, aber für die ganze große Klasse reichte es halt nicht.

17. Juni 2002 Hanno Helbling
Neue Zürcher Zeitung

Ein Ort für Kaiser Augustus

Die Zukunft der Ara Pacis

Seit dem Bau der Stazione Termini nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich staatliche und kommunale Verwaltung der römischen Innenstadt weitgehend auf Restaurationen, archäologische Sicherungen und Tiefbauten beschränkt. Die Neugestaltung der Piazza Augusto Imperatore soll nun einen längst fälligen urbanistischen Eingriff realisieren.

Als im Jahr 1937 das italienische Erziehungsministerium den Auftrag erhielt, die Ara Pacis, den «Friedensaltar», wiederherstellen zu lassen, drängte die Zeit. Schon in das folgende Jahr fiel der zweitausendste Geburtstag des Stifters, des Kaisers Augustus. Das Grabmal des römischen Imperators, das zwischen der Via del Corso und der Via di Ripetta gelegene «Mausoleo di Augusto», war soeben aus neuzeitlichen Überbauungen herausgelöst, in seinem durch jahrhundertelangen Zerfall reduzierten Bestand gesichert und einer zusätzlichen Bestimmung vorsorglich gewidmet worden: Der italienische Imperator hatte es sich zur letzten Ruhestatt ausersehen.

Zwei Obelisken hatten den Eingang zu dem Mausoleum flankiert; der eine ist 1786 vor dem Quirinalspalast aufgestellt worden, der andere, eine römische Imitation, steht seit 1587 auf der Piazza dell'Esquilino. Ein dritter, den Augustus von Heliopolis hatte kommen lassen, ein Obelisk aus der Zeit Psammetichs II., seit 1792 auf der Piazza di Montecitorio, stand etwa dreihundert Meter entfernt von dem Grabmal; er diente als Zeiger einer sehr grossen, durch Bronzeleisten auf dem Boden fixierten Sonnenuhr. Am 23. September, am Geburtstag des Kaisers, traf der Schatten seiner Spitze die Ara Pacis.

Der Altar, der auf Senatsbeschluss vom Jahr 13 v. Chr. von griechischen Künstlern geschaffen und nach vier Jahren geweiht wurde, sollte am nördlichen Zugang zur Stadt Rom den von dem Princeps erkämpften Friedenszustand symbolisieren. Das eigentliche Heiligtum, dessen Figurenschmuck nur unvollkommen erhalten ist, steht in einem rechteckigen, annähernd quadratischen Gehäuse; Stufen führen zu den Eingängen an den etwas schmaleren Seiten dieses Gevierts. Sowohl die Aussen- wie die Innenwände der etwa 11,6 auf 10,6 Meter messenden Marmorstätte zeigen in hochwertiger Reliefarbeit mythologische und allegorische Motive, vor allem aber zwei Prozessionen, die das sakrale und das dynastische Programm der augusteischen Herrschaft zur Anschauung bringen.

Das historisch wie künstlerisch bedeutsame Werk ist im Lauf von Jahrhunderten - von 1568 bis eben 1937 - an seinem ursprünglichen Standort stückweise zum Vorschein gekommen: unter dem Palazzo Peretti (dann Fiano, noch später Almagià) an der Via del Corso, der antiken Via Flaminia. Die Fragmente gerieten da- und dorthin, in den Louvre, nach Florenz, in das Museo Nazionale Romano, in die Villa Medici auf dem Pincio, in die Vatikanischen Museen. Der Architekt, dem nun die Wiederherstellung anvertraut war, Vittorio Ballio Morpurgo, musste die teils im zurückerstatteten Original, teils in Gipsabgüssen vorliegenden Teile zusammensetzen. Da es eilte, blieben viele Bruchstücke liegen, deren Einordnung nicht gleich gelang; die Rekonstruktion lässt sich anscheinend auch nachträglich nicht mehr vollständig durchführen.

Ballio Morpurgo, der 1938 - ein Opfer der von Mussolini übernommenen deutschen Rassengesetze - nicht weiterarbeiten durfte, hat eine fragmentarische, unglückliche Lösung eines kaum lösbaren Problems hinterlassen. Um die Ara Pacis an ihrem alten Ort wieder aufzustellen, hätte man eine Lücke in die Häuserreihe an der Via del Corso reissen müssen, die nun seit vielen Jahrhunderten nicht mehr, wie zur Zeit des Augustus, die nördliche Einfallstrasse, sondern eine Hauptstrasse der Innenstadt war. Der Verlust der historischen Funktion liess sich nicht rückgängig machen; man musste versuchen, ein Augustus- Ensemble als städtebaulichen Schwerpunkt in vergleichsweise zentraler Lage zu schaffen, und dieses Ensemble konnte - nach der Entfernung der Obelisken und dem Verschwinden der Sonnenuhr - nur noch in Mausoleum und Ara Pacis, umgeben von grossflächigen Fassaden faschistischer Bauart und drei stehen gebliebenen Kirchen, bestehen.

Auf der Westseite, gegen den Tiber hin, stand noch eine schmale Häuserreihe, die den Bau des Lungotevere und die Zerstörung des Porto di Ripetta überlebt hatte; sie wurde nun der Errichtung eines Pavillons geopfert, der die Ara Pacis aufnahm - einer an sich nicht unschönen Konstruktion aus Travertin, Glas und Bronze, die aber weder durch ihre Dimensionen oder durch ihre Ausstrahlung den Platz überzeugend abschliessen konnte noch für die Konservierung des Altars tauglich war. Dies vor allem: dass man um den Bestand des ungenügend geschützten Monuments besorgt sein musste, löste schon bald nach dem Krieg eine Diskussion aus, die das hier oft beobachtete Merkmal des Nichtendenwollens aufwies, zuletzt aber doch in die Entscheidung für ein ausgereiftes Projekt mündete.

Der Architekt, der dieses Projekt vorlegte und mit ihm den Beifall der zuständigen Behörden fand - einen Beifall, der durch nachdrückliche Zustimmung bedeutender Sponsoren mit inspiriert wurde -, heisst Richard Meier und ist Amerikaner. Dass sachverständige und andere Personen den Auftrag eher einem italienischen und noch eher einem römischen Künstler gegönnt hätten, führte dazu, dass Meiers Entwurf in der Presse eine Zeit lang mit dem Attribut «kontrovers» versehen wurde, was aber der Situation nicht entsprach und (deshalb oder dennoch) ohne Wirkung und Folgen blieb.

Der geplante und in absehbarer Zeit zu realisierende Neubau entspricht, unnötig zu sagen, dem hohen Anspruch an die Schutzmassnahmen, die ein sehr ungünstiges Mikroklima erfordert; denn der exponierte, grossen Temperaturschwankungen unterworfene Standort zwischen dem verkehrsreichen Lungotevere und der Via di Ripetta wird beibehalten. Und auch eine bessere als die bisherige Raumgestaltung strebt Meier an, indem er das Glashaus, das ähnlich wie bei Ballio Morpurgo den Altar umschliesst, in die Mitte eines langgestreckten Baukörpers stellt, der teils auf dem Niveau der Via di Ripetta, teils auf dem etwas höheren des Lungotevere ein die Piazza Augusto Imperatore wirklich begrenzendes Gegengewicht zu dem Grabmal des Kaisers bildet. Er kann oder muss so die Anlage zu einem eigentlichen Augustus-Museum erweitern; ob sie zu einem Publikumsmagneten wird? Ob sie die kalte, leere Monumentalität des Platzes vergessen macht? Man wird mit Bäumen nachhelfen müssen.