Bauwerk

Wohnhaus Steyr
Proyer & Proyer Architekten - Steyr (A) - 2000

Keine Kiste

Neue Häuser

Energetisch optimierte Häuser müssen nicht unbedingt öde Schachteln sein, wie ein Einfamilienhaus in Steyr von den Architekten Proyer & Proyer beweist.

1. Juni 2002 - Franziska Leeb
Passivhäuser zeichnen sich dadurch aus, dass ohne aktives Heizungs- oder Klimatisierungssystem ganzjährig ein komfortables Wohnklima erreicht wird. Eine kompakte Form, um den Wärmeverlust über die Außenwände zu minimieren, gute Wärmedämmung, Luftdichtigkeit, Südorientierung gelten kurzgefasst als die wichtigsten Grundvoraussetzungen für die immer beliebter werdenden „Häuser ohne Heizung“.

Weniger als 15 kWh pro Quadratmeter und Jahr darf der Heizwärmebedarf eines Passivhauses betragen. Energiegewinne durch passive Sonnenenergienutzung und eine kontrollierte Wohnraumlüftung bilden die Basisversorgung, der restliche Bedarf sollte zur Gänze durch erneuerbare Energien zu decken sein.

Das klingt relativ restriktiv, und angesichts der meisten realisierten Passivhäuser scheint für architektonische Gestaltung wenig Spielraum zu bleiben. Hin und wieder nährt das eine oder andere Projekt zum Glück die Hoffnung, dass der allseits verbreitete Wille zum Energiesparen nicht zwangsläufig in Massen von langweiligen Hütten ausarten muss. Ein solches Vorzeigebeispiel, das nicht schon von weitem mitteilt, „ich bin zwar hässlich, dafür aber bauphysikalisch korrekt“, steht auf einem terrassierten Südhang in Steyr.

Geplant haben es Karin und Hermann Proyer, die zwar explizit ein aus energetischer Sicht optimiertes Haus bauen wollten, beim Entwurf aber in erster Linie den speziellen Ort - die ausgesprochen attraktive Hanglage mit Blick in die weite Hügellandschaft um Garsten - berücksichtigten. Das Motto: Die Architektur zuerst, der Rest ist technische Routine.

Der Hauptbaukörper liegt parallel zum Hang, der übrigens kaum verändert wurde. Ein Riegel aus vorgefertigten Holzpaneelen führt im rechten Winkel dazu als Garagen-und Eingangsbau ins Haus und kragt nach Süden als aufgestelzter Würfel, in dem das Wohnzimmer untergebracht ist, aus. Das an drei Seiten im Erdreich eingegrabene Untergeschoß gewinnt an der Gartenseite viel Tageslicht durch die großen Verglasungen. Die massiven Wandflächen sind mit Schiefer verkleidet, der erstens für optische Bodenhaftung sorgt und zweitens gleichsam als „Bratpfanne“ Sonnenwärme speichert.

Das Geschoß darüber wird hauptsächlich vom großen Esszimmer eingenommen, das nach Süden und Westen verglast ist und über große Schiebetüren in die schwellenfrei anschließende Terrasse übergeht. Zu den verglasten Schiebetüren ist anzumerken, dass nicht nur die Gläser modernsten Anforderungen hinsichtlich eines niedrigen Wärmedurchgangswertes entsprechen, sondern auch die in Lärche ausgeführten Profile mit einer vier Zentimeter starken Korkeinlage gedämmt sind. Nur deshalb konnten die in Passivhäusern sonst eher gemiedene Offenheit und Öffnungsmöglichkeiten ohne nennenswerte Energieverluste realisiert werden.

Der in die Terrassenfläche eingelassene Swimmingpool wird dadurch zu einem integrativen und stets präsenten Teil der Wohnebene. Auf wenigen schlanken, mit Beton vergossenen Stahlsäulen ruht der weiße Quader des Obergeschoßes. Er kragt über der darunter liegenden transparent gehaltenen Etage aus und spendet so Schatten und Witterungsschutz. Eine dünn wirkende Dachscheibe bildet den abschließenden Deckel, spendet mit weiten Überständen ebenfalls Schatten und trägt auch die thermischen Solarkollektoren zur Warmwasseraufbereitung sowie die den in Spitzenzeiten zusätzlichen Energiebedarf abdeckende Fotovoltaikanlage.

Großzügiges Wohnen in einem ansprechenden Ambiente mit viel Freiraumbezug lässt sich also durchaus mit radikalen Energiesparmaßnahmen vereinen, ohne architektonische Abstriche machen zu müssen.

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