Bauwerk

Fractal Chapel
INNOCAD - Graz (A) - 2024
Fractal Chapel, Foto: Paul Ott
Fractal Chapel, Foto: Paul Ott
9. Oktober 2025 - HDA
Die Lukaskapelle, die sich am Gelände des LKH-Univ. Klinikum Graz in unmittelbarer Nähe der Universitätsklinik für Chirurgie befindet, wird von der evangelischen Kirche betreut. Sie dient Patient:innen, medizinischem Personal und Besucher:innen als Gebets- und Rückzugsraum. Das Design basiert auf den neuesten Erkenntnissen der Neurowissenschaften und Umweltpsychologie und integriert naturnahe Elemente sowie fraktale Muster, wodurch ein harmonischer und wohltuender Rückzugsort entsteht. Die fraktalen Muster wurden gezielt eingesetzt, um das Wohlbefinden zu unterstützen, da sie nachweislich zu einer Stressreduktion beitragen können.

Mit einer Fläche von 35 Quadratmetern und einer einseitigen, raumhohen Glasfassade folgt dieser Sakralbau mit seinem niedrigen Eingangsbereich einer religiösen Szenografie und öffnet sich im Inneren zu einem acht Meter hohen Altarraum. Das Konzept verfolgt die Idee, eine beruhigende, einladende und entspannende Atmosphäre für eine oftmals anspruchsvolle und herausfordernde Krankenhausumgebung zu schaffen. Im Interieur werden mehrere biophile Gestaltungsstrategien miteinander kombiniert – natürliches Licht, erdige Materialien und fraktale Muster. Entlang der bestehenden Wände winden sich perforierte Paneele mit fraktalem Muster in spiralförmiger Anordnung – eine Allegorie auf den menschlichen Lebenszyklus –, die Sakristei, Multimedia-Ausstattung und Gebäudetechnik verbergen. Das durch die Paneele gefilterte Licht erzeugt eine besondere Dynamik und verleiht dem Raum eine Ausdruckskraft, die Gelassenheit und Stille vereint.

Die fraktalen Muster, die die Kapelle auskleiden, wurden in einer transdisziplinären Kollaboration zwischen dem Produktdesignstudio 13&9 Design und Prof. Richard Taylor (University of Oregon / Fractals Research) entwickelt. Fraktale bilden die Grundlage vieler in der Natur vorkommender Muster. Taylors wissenschaftliche Studien zu Fraktalen untersuchen die positiven psychologischen, physiologischen und neurologischen Reaktionen, die beim Betrachten fraktaler Muster ausgelöst werden. Die harmonische Wiederholung erzeugt visuelle Komplexität, und löst einen natürlichen Entspannungseffekt aus, wobei das Stresslevel beim Betrachten um bis zu 60 % sinken kann.
Seine Ansätze zu stressreduzierenden Mustern hat er unter anderem bereits in den 1980er-Jahren für die NASA erforscht, um das Stresslevel von Astronaut:innen in isolierten Umgebungen zu senken. Die Musterentwürfe für die Lukaskapelle bauen auf diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen auf und gewinnen besonders in gebauten Umgebungen an Bedeutung, in denen der Mensch keinen oder nur eingeschränkten Zugang zur Natur hat. Gerade in komplexen Gesundheitseinrichtungen können fraktale Gestaltungselemente helfen, Menschen wieder mit den gesundheitsfördernden Effekten natürlicher Muster zu verbinden.
Die fraktalen Muster werden von einem eigens vom transdisziplinären Team entwickelten Computerprogramm generiert. Dieses flexible Tool verbindet künstlerische Ansprüche aus dem Design mit quantitativen wissenschaftlichen Analysen. Begleitend führte das Team psychologische Experimente durch, um die positiven Wirkungen der fraktalen Muster zu untersuchen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse flossen in die Gestaltung der Wandpaneele der Kapelle ein. Die Muster schaffen ein ausgewogenes Zusammenspiel von Ästhetik und räumlicher Wirkung, das zugleich entspannende wie auch stimulierende Eigenschaften besitzt.
Die Ergebnisse, die in einer Sonderausgabe zum Thema „Biophilic Design Rationale” in der Fachzeitschrift Frontiers in Psychology veröffentlicht wurden, zeigen, dass die fraktalen Muster besonders wirksam darin sind, bei einer breiten Betrachtergruppe ein ausgewogenes Verhältnis von Aufschwung, Stimulanz und Beruhigung zu erzeugen. Insbesondere zeigen diese Muster die größte Übereinstimmung zwischen Individuen hinsichtlich ihrer Präferenz, Anregung und Erfrischung, während sie gleichzeitig eine beruhigende Wirkung beibehalten. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Einsatz fraktaler Muster sich positiv auf ein breites Spektrum von Nutzer:innen auswirkt.

In der Lukaskapelle wird die Neurodiversität mithilfe der fraktalen Muster auf kraftvolle und grundlegende Weise zum Ausdruck gebracht. Um das Zusammenspiel von Licht und Fraktalen noch stärker zu betonen, wurde die Materialauswahl auf ein Minimum reduziert. Ausschließlich Holz – in Bodenbelag, Decke, Bänken und Altar – trägt zur erdigen Haptik sowie zur warmen Farbgebung bei. Das Herzstück der Kapelle bildet der vom Künstler Manfred Erjautz geschaffene Altar aus einem umgedrehten Wurzelstock eines jahrhundertealten Walnussbaums. Er soll an die Wurzeln des Lebens erinnern, die tief in der unsichtbaren Erde des Raumes verankert sind. Der transformierte Wurzelstock stammt von einem ehemaligen Friedhof, der heute als Kindergarten-Spielplatz genutzt wird, und erzählt eine tiefgründige Geschichte von Veränderung, Vergänglichkeit und wandelnder Bedeutung. Umgeben von fraktalen Oberflächen und durch ein ausgeklügeltes Beleuchtungssystem in Szene gesetzt, lädt dieser Altar zu Momenten der Stille und Kontemplation ein – ein Ort, der den hektischen Rhythmus des Alltags mit der zeitlosen Vitalität der Natur kontrastiert. (Text: Architekt:innen)

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Für den Beitrag verantwortlich: HDA

Ansprechpartner:in für diese Seite: Karin Wallmüllerbaudatenbank[at]hda-graz.at

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