Bauwerk

St. Josef
Arbeitsgruppe 4 - Salzburg (A) - 1964
St. Josef, Foto: Norbert Mayr
13. Februar 2002 - Initiative Architektur
Während mit der Kirche in Salzburg-Parsch (1953-56) die Architektenkarrieren von Johannes Spalt, Friedrich Kurrent und Wilhelm Holzbauer begannen, stellt das zwischen 1961 und 1964 entstandene Kolleg St. Josef die letzte gemeinsame Arbeit der Arbeitsgruppe 4 dar. Beide Inkunabeln der Österreichischen Architekturgeschichte ermöglichte ein außerordentlich engagierter Bauherr, die „Kongregation der Missionare vom kostbaren Blut“. Das Kolleg St. Josef entstand aus der Auseinandersetzung mit der internationalen Architekturdebatte und in der Reflexion der österreichischen Moderne. Nicht publizierte, frühe Entwürfe zeigen einen Betonbau mit Orientierung an der Klassischen Moderne. Zwar ist bereits das Grundkonzept als klarer, durch Zäsuren gegliederter „Vierkanter“ ausgebildet, die Konstruktion spielt aber noch nicht die spätere Rolle. Das Kolleg reiht sichin eine Serie von Bauten und Projekten der Arbeitsgruppe 4 ein, die nach der Begegnung mit dem Architekten Konrad Wachsmann an der Internationalen Sommerakademie für bildende Kunst ab 1956 entstanden war. Wachsmannsrational-struktureller Ansatz, welcher Fragen der modularen Ordnung, der Vorfertigung und des flexiblen Bauens beinhaltete, beeindruckte Kurrent und den ehemaligen Flugzeugbauer Spalt. Beide suchten beim Kolleg nach einer möglichst schlüssigen und kompakten Grundstruktur. Holzbauer, der in Amerika andere Anregungen erfahren hatte, wollte den Baukörper hingegen auflockern. Entstanden ist ein vielschichtiger Bau, der sich innerhalb einer konstruktiven Stahlstruktur entwickelt. V-förmige Blechträger liegen auf zweigeschoßigen Stützen und tragen das horizontal ausladende Dach. Aufbauend auf dem Gerüstraster 2,5 x 2,5 Meter wurde das Priesterseminar räumlich organisiert.

Im Zentrum des Vierkanters von 40x40 Metern Seitenlänge steht die ebenfalls quadratische Kapelle. Ihre Sitzbänke reihen sich hufeisenförmig um den Altar und sind nach unten - zur Ebene des Altars hin - abgestuft. Die Kapelle als geistiger Mittelpunkt des Priesterseminars erhält ausreichend Licht von oben. Betont schlicht und reduziert, mit holzverkleideten Wänden gestaltet,strahlt sie eine ruhige wie gleichermaßen einladende Atmosphäre aus. Sie ist räumlich immer präsent, da sie von einer zweigeschoßigen Halle – ähnlich einem Kreuzgang- umschlossen wird. Die Halle wird ebenfalls durch Lichtkuppeln belichtet und erschließt Räume wie Bibliothek, Refektorium, Küche, Wirtschaftsräume u.a.m.. Über Stiegen erreicht man die Galerie desObergeschoßes mit den 40 Einzelzimmern der Theologiestudenten. Außerhalb dieses Klausurbereichs ist die Halle ein äußerst attraktiver Begegnungsraum für Bewohner und Besucher des Hauses.

Inmitten des großzügigen Parks der Trapp-Villa entstand ein Bauwerk von gegliederter Strenge ohne dogmatischer Verkrampfung. Die Fassaden variieren die räumlichen Möglichkeiten des Gerüstbaus, der konsequent in einem kräftigen rot gestrichen ist. Die Wandebene – die Ausfachungen sind aus Durisolplatten, Holz und Glas - befindet sich entweder in der Stützenreihe, dahinter oder davor. Letztere Vorgangsweise wurde bei der transparenten, als zarter Raster strukturierten Südfassade gewählt, hinter der sich Gemeinschaftsräume wie Speisesaal, Bibliothek und Gymnastikraum befanden. Diese Aufteilung änderte sich durch Umbauten Anfang der achtziger Jahre. Damals fanden Vorschläge von Spalt, Kurrent und Holzbauer keine Akzeptanz, sodass besonders die Rasterstruktur der Südfassade zerstört wurde.

Diese und andere Veränderungen konnten den strukturellen Qualitäten des seit 2001 unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks noch nicht substanziell schaden. Friedrich Achleitner hat darauf hingewiesen, dass der Bau in „Opposition zur konventionellen Glas-Stahl-Ästetk der 50er- und frühen 60er-Jahre“ stand und damals als absolut neu empfunden wurde. Auch die intensive Beschäftigung von Spalt und Kurrent mit den Erneuerern der Österreichischen Baukunst, Otto Wagner und Adolf Loos, fand ihren Niederschlag. Otto Kapfinger hat die vielschichtige Synthese, die das Kolleg St. Josef auszeichnet, folgendermaßen umrissen: "Konrad Wachsmanns Methodik ist … durch ein Filter der Auseinandersetzung mit - den in manchem ja gegensätzlichen - Wagner und Loos gebrochen, nicht zu vergessen noch die Erfahrungen der virtuosen Licht-Regie des frühen Holzmeister und die gemeinsame Prägung im kulturellen Flair von Salzkammergut und Salzburger Land. … St. Josef vereint auf einer neuen Stufe der Komplexität das Disparate: historische Referenz und raumbildende Innovation des Konstruktiven; Sachlichkeit und suggestive Emotionalität von Licht- und Farbstimmung; zentrierten kontemplativen Ortsbezug und pavillonhafte, transitorische Leichtigkeit." (Text: Norbert Mayr)

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