Bauwerk

Palais de Tokyo
Lacaton & Vassal - Paris (F) - 2001
Palais de Tokyo, Foto: Paul Raftery / ARTUR IMAGES
Palais de Tokyo, Foto: Paul Raftery / ARTUR IMAGES

Techno im Kuratorenparadies

Lionel Jospin eröffnete am Montag einen lebendigen und experimentellen Kunst-Supermarkt im rechten Flügel des Palais de Tokyo in Paris. Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal entkernten das Art-déco-Gebäude.

23. Januar 2002 - Olga Grimm-Weissert
Paris - Passend zum Webzeitalter heißt die neue Einrichtung für zeitgenössische Kunst im Palais de Tokyo „Site de création contemporaine“. Sämtliche künstlerische Ausdrucksformen, bildende Kunst, Videofilme und -spiele, Tanz, Performances und Mode bis hin zum asiatischen Lifestyle (z. B. einen Stand mit farbenfrohen Nutz- losigkeiten zum Einheits-ein-Euro-Preis) vereint die Site.

Eine riesige Ausstellungshalle, die nur durch eine Längswand unterteilt ist, sowie drei (offene) Säle und ein umfunktionierter Wandelgang im ersten Stock bieten gut 5000 Quadratmeter Ausstellungsfläche.

Ein Mäzen installierte Videoscreens, aus diskret angebrachten Lautsprechern tönt Musik. Österreichs Bauchklang-Gruppe produziert sich beim viertägigen Eröffnungsprogramm in den Abendstunden, die künftig Techno-Flair versprechen. Das Palais de Tokyo ist ab 29. Jänner täglich außer Montag von 12 bis 24 Uhr geöffnet. Eine Bar, ein (zukünftiges) Restaurant, eine Kunstbuchhandlung runden das Angebot ab.

Die beiden Direktoren, der Theoretiker Nicolas Bourriaud (36) und der Eventmacher Jérôme Sans (41), der bereits in der Wiener Secession und in Salzburg aktiv war, schwören auf ein Schlüsselwort, das sowohl architektonisch wie symbolisch als Konzept durchgezogen wird: Durchlässigkeit. Den Durchblick behindernde Mauern im späten Art-déco-Gebäude Palais de Tokyo (Weltausstellung 1937) wurden von den Architekten Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal (Café Una, Museumsquartier Wien) niedergerissen. Man gibt sich offen für alle(s).

Die ausgestellte „fragile“ Kunst ist international geprägt. Held der Eröffnungsschau ist Navin Rawanchaikul: Die Trennwand des Gebäudes wurde von ihm mit einer Plakatfiktion beklebt, auf der ein „Curatorman“, der am 22. 1 .2002 in Paris seine große Zeit erlebte, fünfzig Jahre später auf einen jungen Kunstmanager trifft, der ihn belehrt, dass alle Museen der Welt geschlossen sind und die Kunst nur noch Markt ist: ART = (M)ART. Die beiden Kunst(markt)helden stehen auch als Skulpturen vor einem wegen Kuratorenkrankheit geschlossenen Kunststandl.

Mit diesem Projekt kann nur jenes von Beat Streuli konkurrieren, der die schmalen, hohen Fenster im Eingangsbereich mit Porträtfotos beklebte. Eine umstrittene Ästhetik: Die Besucher brauchen Humor, denn das Gebäude, das immerhin für zirka 4,6 Millionen Euro umgebaut wurde, gleicht einer Baustelle.


Kooperation mit Wien

„Wir wollten lieber in Künstlerisches denn in geputzte Wände investieren“, verkünden die seit ihrer Nominierung vor zwei Jahren heftig attackierten Kuratoren. Trash, Chaos, Ephemeres, rasche Reaktion und kurzfristige Planung gehören zum Konzept ihres Kreativlabors, das mit der Kunsthalle Wien kooperieren wird.

Zeitgleich mit der großen Kunstmaschine wurde vorige Woche ein kleiner zeitgenössischer Kunstraum - Le Plateau - eröffnet, der auf eine lokale Bürgerinitiative zurückgeht. Dort ist die Kunst noch fragiler (bis unsichtbar, was nicht nur an den Kunstwelt-Menschenmassen lag), und der Ort wurde nach drei Tagen auch gleich wieder (bis März) geschlossen. Denn: (M)ART bedeutet Mammon.

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