Bauwerk

museum kunst palast Ausstellungsgebäude
Oswald Mathias Ungers - Düsseldorf (D) - 2001

Kulturbastion mit Verwaltungshaus

Der Düsseldorfer Kunstpalast von Oswald Mathias Ungers

10. September 2001 - Werner Jacob
Kaum zwei Katzensprünge von der Königsallee entfernt, fristete das Düsseldorfer Kunstkarree «Ehrenhof» lang ein Schattendasein. Wo Mitte der zwanziger Jahre mit der «Gesolei» - einer Gewerbe- und Kunstschau - und ihren von Wilhelm Kreis neusachlich überformten und neu geschaffenen Ausstellungsbauten auch architektonischer Aufbruch herrschte, machte sich nach kurzer Nachkriegsblüte bald Desinteresse breit. Denn das um einen stillen Innenhof angelegte klösterliche Ensemble verführte Besucher wie Betreiber eher zu Kontemplation denn zu Aktion. Obwohl das hier Anfang des 20. Jahrhunderts begründete Kunstmuseum, das neben einem Kaleidoskop mitteleuropäischer Kunst mit der Akademiesammlung einen Schatz grafischer Blätter von Weltrang beherbergt, als Hort der Düsseldorfer Malschule des 19. Jahrhunderts galt, herrschte Stillstand, ja Rückschritt: Nur eine Notoperation rettete in den achtziger Jahren den Westflügel des Ehrenhofs, der östliche war so marode, dass er aufgegeben wurde, um neu aufgeführt zu werden.


Private Geldspritze

Ein Zusammengehen der öffentlichen Hand mit dem Energiekonzern E.ON sicherte über eine Stiftung den 60 Millionen Mark teuren Neubau und garantiert darüber hinaus rund 30 Millionen Mark für den laufenden Betrieb der nächsten zehn Jahre. Dafür überliess die Stadt der E.ON für rund 20 Millionen Mark ein unmittelbar an den Ehrenhof grenzendes Grundstück, auf dem diese einen ambitiösen Verwaltungsbau errichten liess - und nun am Mehrwert der von ihr mitfinanzierten Kunst teilhat: Das neckisch «museum kunst palast» titulierte Institut ist nämlich sowohl räumlich als auch infrastrukturell und ideell kurzgeschlossen mit der Energiezentrale. Architektonisch konzipiert wurde das Ensemble vom Kölner Altmeister der konstruktiven Reduktion, Oswald Mathias Ungers. Man mag lächeln über Ungers' Manie, immer neu und immer gleich und doch immer wieder variiert seine Ode an das Quadrat vorzutragen. Dabei gelingen ihm gelegentlich zumindest äusserlich eindrückliche Bauwerke wie im Falle dieses Düsseldorfer Doppelbaus, auch wenn das Verwaltungshaus hineingezwängt werden musste zwischen Kreis' denkmalpflegerisch sakrosankten Ehrenhof und den Kolossalkomplex einer Versicherung.

Auf dem durch Teilabriss des Ostflügels freigeräumten Grundstück errichtete Ungers ein neues Gehäuse, das statt der einstigen 13 000 m 2 nur noch 3000 m 2 Ausstellungsfläche aufweist. Die Ungers'sche Neuschöpfung orientiert sich hinter der erhaltenen Klinkerbandfassade von Kreis in Mass und Masse am erhaltenen Westflügel. Entstanden ist ein scharfkantiger, langgestreckter Kubus, dem auf der Rückseite ein doppelschaliger, über einem Kreissegment sich erhebender Bau gegenübersteht. Skrupulös abgestimmt auf die Höhenlinien des architektonischen Bestands und die dadurch vorgegebenen Sichtachsen, hält sich der von zehn auf sechs Geschosse terrassierte Doppelhalbkreis vornehm zurück. Granitenes Pflaster vermittelt zwischen dem rechteckigen, mit Muschelkalk und Klinker verkleideten Kunstriegel und dem gekurvten Verwaltungsbau in römischem Travertin. Die steinerne Fläche lockert ein Buchsbaum-Labyrinth auf, zu dem hin sich die Terrasse einer Cafeteria orientiert, die zugleich Kantine der E.On ist wie «Café des Artistes» fürs Museumsquartier.

Obwohl räumlich separiert, sind Kunst und Kapital durchdrungen von einem virtuellen Beziehungsgeflecht. So schmückt sich einerseits der Verwaltungsbau mit künstlerischen Federn, wenn die «Glasgalerie», eine spektakuläre Skylobby zwischen den beiden Ringbauten, Ausstellungen der E.On-Kulturabteilung zeigt. Und umgekehrt reklamieren die Geldgeber den im neuen Museumstrakt wieder eingerichteten, multifunktional instrumentierten Robert-Schumann-Kammermusiksaal für gelegentlichen Eigenbedarf. Dieses Schatzkästlein schmückte der Architekt mit seigneuralem Interieur. Eingebunden in die Gebäude-Organisation, kommt der längsrechteckige, 850 Besucher fassende Veranstaltungssaal mit seinen Pfeilerreihen, Arkaden und Galerien auch akustischen Anforderungen entgegen. Selbstverständlich unterteilte Ungers auch hier das Rechteck in Quadrate. Markant besonders im Deckenraster, worin Licht- und Klangeinrichtungen hinter dunkelbraunen Paneelen ihren Dienst tun. Wände und Decken sind gekleidet in bienenwachsfarbenes Spitzahornfurnier, dem Parkett aus rötlichem Schweizer Birnbaum sind kaffeebraune Mooreichenquadrate intarsiert.


Kunst in der Zyklopenhalle

Das gediegene Design vermag hier noch am ehesten eine Schwäche von Ungers' Innenräumen zu kaschieren: Mit viel Detailgenauigkeit verkleidet er Wände, Säulen und Treppenläufe. Wirken die quadratischen Pfeiler im Konzertsaal noch halbwegs proportioniert, laufen die Massverhältnisse in den Ausstellungsräumen aus dem Ruder. Dies zeigt sich schon im Entrée. Erschlossen wird der 133 Meter lange, 21 Meter tiefe Kunstriegel von einem mittigen Foyer, das knapp 20 Meter aufstrebt. Zwanzig quadratische, um die quadratische Aula postierte Stützen nehmen die Lasten auf, quer liegende Träger bilden die Stockwerksteilungen ab. Bekrönt ist dieser Raum von einer 12,5 Meter weiten Flachkuppel, in deren Tambour ein Kranz quadratischer Fenster Licht einfliessen lässt - und die ungeschlachten Dimensionen der leider nur im Ansatz gut gegliederten Konstruktion beleuchtet.

Solch kölnischer Neoklassizismus beherrscht auch die vier neuen Ausstellungsräume. Nachgerade herkulisch wuchtet Ungers die Plafonds über Stützpfeiler, die ohne Not kolossal aufgebläht wurden. Darauf lasten die üppig durchfensterten Kunstlichtdecken - ausgerüstet für illusionistischen Wolkenzug (!) - mit einem optischen Gewicht, als seien sie hier nur versehentlich verwendete Module einer Zyklopenhalle. Das wird überdeutlich in der zur Wiedereröffnung vom neuen Direktor Jean-Hubert Martin inszenierten Schau «Altäre - Kunst zum Niederknien». Einmal abgesehen vom problematischen Ansatz, kann es kaum überzeugen, noch den läppischsten Fetisch zeitgenössischer Religiosität in die Schau aufzunehmen und so der aus aller Welt zusammengetragenen Kitsch-Menagerie höhere Weihen zu verleihen. Doch diese bonbonbunt und jahrmarktslaut auftrumpfende Talmiprozession wird übertönt von Ungers ' präpotenter Fortifikationsarchitektur. Städtebauliche Zeichen sind bei Ungers in guten Händen, museologische Raumgestaltung indes ist seine Sache nicht.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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