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World Trade Center
Minoru Yamasaki Associates, Inc., Emery Roth & Sons - New York (USA) - 1972
World Trade Center © Minoru Yamasaki Associates
World Trade Center © Minoru Yamasaki Associates

Stahlgerüste in USA Stahlbeton in Europa

Bauexperten uneinig über statische Haltbarkeit

15. September 2001 - Christoph Prantner
Wien - „Wir Hochhausbauer waren alle von den Socken“ - Otto Raschauer, der als Projektleiter den Bau des 113 Meter hohen Florido-Towers in Wien-Floridsdorf abwickelt, kann die Ereignisse in New York immer noch kaum begreifen. Nach den Terrorattacken auf das WTC sei in seiner Firma, der UBM-Realitätenentwicklung AG (eine Porr-Tochter), die Arbeit stillgestanden. Alle hätten gebannt in die Fernseher gestarrt und den Zusammensturz der Skyscraper live miterlebt.

Einen solchen Einsturz hätte es nach Einschätzung des Experten bei einem österreichischen Gebäude nicht - oder nicht so unvermittelt - gegeben. „Ich habe die Hoffnung, dass durch unsere massiveren Konstruktionen die unteren Geschoße stehen bleiben und den Flüchtenden einen Ausweg bieten würden“, so Raschauer.

Grund dafür sind dem Bauingenieur zufolge die unterschiedlichen Hochbauphilosophien in Amerika und Europa. In Übersee würden die Wolkenkratzer in reiner Stahlbauweise, hierzulande als Stahlbetonkonstruktionen errichtet. „Diese haben um 30 bis 40 Prozent mehr Gewicht, halten höhere Temperaturen und eine höhere kinetische Energie bei Aufprallen aus.“

Das Problem bei den WTC-Türmen, so Raschauer, sei die große Hitzeentwicklung des brennenden Kerosins gewesen. Diese habe Träger und Verstrebungen des Stahlgerüsts schmelzen lassen. Damit sei die statische Verspannung durcheinander geraten und das habe die Türme letzten Endes gefällt. Wäre ein Flugzeug in ein Hochhaus europäischer Bauart gerast, hätte es an der Explosionsstelle natürlich auch große Zerstörungen gegeben, aber die Konstruktion wäre wahrscheinlich stehen geblieben, ist der Baumanager überzeugt.

Natürlich, so Raschauer, sei dies keine Wertung: „Die Amerikaner bauen seit 100 Jahren nach ihrer Art und bisher ist nichts passiert.“ Gegen ein derart perfides Attentat gebe es kaum baulichen Schutz. Wer absolut sichere Hochbauten errichten wollte, müsse schon AKW oder einen Flakturm bauen.


Keine Chance

Etwas anderer Ansicht sind Bauexperten, die in Konstruktiv, der Zeitschrift der Architekten und Ingenieure Österreichs, zitiert werden. Laut dem Statikexperten und Zivilingenieur für Bauwesen Wolfdietrich Ziesel etwa hat „das beste Statikkonzept keine Chance, wenn drei oder vier Geschoße von oben nach unten beschädigt werden. Damit ist das Haus nicht mehr zu retten, eine Decke fällt auf die andere. Es gibt auch bis dato noch keine Konstruktionen, die solchen Anschlägen standhalten würden.“

Ziesel ist überzeugt, dass der Trend zu Hochhäusern nicht aufhört. Architekt Boris Podrecca, einer der Planer des höchsten Wolkenkratzers Österreichs, des Millennium-Towers in Wien, ist anderer Meinung: „Der Hochhausbau wird sicher einen Dämpfer bekommen. Es wird neue Kriterien geben. Das sehe ich auch für Österreich. Rein psychologisch gibt es sicher ein Nachdenken.“

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