Bauwerk

Kirche Donau-City
Heinz Tesar - Wien (A) - 2000

Architektur und Kirche

Heinz Tesar, Jahrgang 1939, zählt heute zu den renommiertesten Architekten Österreichs.

7. Juni 2003
Zu den wichtigsten Bauten von Heinz Tesar zählen u. a. das Schömer-Haus in Klosterneuburg, das Keltenmuseum in Hallein, die Evangelische Kirche in Klosterneuburg, das Museum Sammlung Essl, das Haus am Zwinger in Dresden, ein Geschäftshaus am Gendarmenmarkt in Berlin oder der Kirchen-Neubau in der Donau City in Wien.

Tesar, gebürtiger Innsbrucker, absolvierte sein Studium an der Akademie der bildenden Künste bei Roland Rainer. Seit 1973 arbeitet er als freischaffender Architekt in Wien. Über spezielle Anforderungen beim Neu- und Umbau von Kirchen sprach kultur.ORF.at mit dem Architekten.

Frage: Was sind die entscheidenden Kriterien beim Neubau einer Kirche?

Tesar: Wesentlich ist der Ort, weil jede Architektur mit dem Ort in Beziehung tritt, ihn erforscht, ihn kennen lernt. Der Ort muss also in ein Gesamtgefüge eingebaut werden, wenn man etwas Neues macht. Natürlich ist auch der Inhalt wichtig. Bei einer Kirche ist das klar. Ort, Inhalt und Bezugssystem im städtischen Geflecht sind jedenfalls die ausschlaggebenden Dinge.

Frage: Welche Rolle spielt dabei das Material?

Tesar: Materialien sind Träger von Mitteilungen. In der Kirche arbeiten wir viel mit ungewohnten, nicht aber mit ungewöhnlichen Materialien. Früher waren das Vergoldungen, oder im Barock Marmorisierungen. Die Materialien haben ja auch einen unmittelbaren Bezug zum Körperempfinden.

Frage: Welche Materialen werden heute verwendet?

Tesar: Wichtig ist heute die Angemessenheit. Man muss auf die Aussage des Materials achten. Bei meiner Kirche in der Donau City habe ich außen Chromstahlplatten verwendet. Und zwar deshalb, weil es diese im Fassadenbau nicht gibt. Der Chromstahl ist der härterste und wertvollste Stahl, den es gibt. Verwendet wird er gewöhnlich für Turbinen oder Flugzeugmotoren. Seine Schönheit besteht in seinem Glanz. Die in Säure getauchten Platten ergeben eine dunkle Hülle.

Aber das ist nicht alles. Erst durch die Anbohrungen kommt die eigentliche Materialqualität zum Vorschein. In einer Umgebung, in der Glas und Beton dominieren, macht es den gewünschten Effekt. Bei der Donau City gibt es nur Vorhang-Fassaden. Mit der Wahl des Chromstahls wollte ich auch demonstrieren, dass der Bau Gewicht hat. Er senkt sich ja auch in den Boden ein. In der Umgebung streben alle anderen Gebäude himmelwärts. Warum soll das auch die Kirche tun?

Frage: Gibt es besondere Forderungen von Seiten der Kirche an die Architektur?

Tesar: Man erwartet, dass ein Sakralraum geschaffen wird. Das hängt von der Raumdimension, vom Licht, von der Bewegung, von der gesamten Atmosphäre ab. Die Fixpunkte, die im Kirchenraum sind, nehmen hierauf Bezug. Wenn man z. B. keine ordentliche Prozession machen kann, wenn man sich nicht konzentrieren kann, dann ergeben sich natürlich auch liturgische Probleme.

Beim Bau einer Kirche muss man alle Szenarien mehrfach durch spielen. Die Architektur besteht ja nicht nur aus funktionalen Dingen. Die Grundvoraussetzung ist, dass der Raum funktioniert. Wobei die Gleichung Funktionalität ist gleich Lösung sicher nicht stimmt. Die Offenheit des Kirchenraumes soll Vieles ermöglichen. Damit es nicht beim Ungefähren bleibt, muss man an eine Taufe genauso denken, wie an einen Gottesdienst.

Frage: Was ist für einen Architekten eine größere Herausforderung: Ein Kirchen-Neubau oder ein -Umbau?

Tesar: In einer neuen Kirche kann man noch stärker auf die liturgischen Faktoren eingehen. In bestehenden Räumen muss man sich mit den Gegebenheiten abfinden. Manche durchaus konstruktive Ideen sind dort oft einfach nicht realisierbar.

Frage: Gibt es Konflikte mit der Liturgie?

Tesar: Bei Umbauten sicher. Wenn es Präferenzen gibt, ist das nie gut. Wichtig ist, dass Gespräche stattfinden, damit man gemeinsam eine Lösung findet. Beim Neubau von Kirchen gibt es solche Probleme nicht.

Frage: Für viele Menschen bedeutet der Umbau ihrer Kirche auch den Eingriff in eine vertraute Umgebung. Wie sind diesbezüglich Ihre Erfahrungen?

Tesar: In der Kirche möchte man sich auch ungeschützt öffnen. Hier ist auch eine gewisse Vertrautheit wichtig. Diese muss jedenfalls respektiert werden. Es kann aber mit der Erneuerung einer Kirche auch zu einer inneren Umorientierung der Menschen kommen.

Frage: Wie ist das Prozedere bei einem Umbau?

Tesar: Die Frage ist: Wo liegt das Thema? Meistens sind die Wünsche ziemlich klar, auch wenn sie nicht immer akzeptabel sind. Oft wird mit einer Übervorsicht argumentiert. Die Architektur braucht aber eine klare Sprache.

Gerade in bestehenden Kirchen ist schon viel da. Es geht hier eher um eine gedankliche Interpretation. Natürlich auch um die bauliche und künstlerische Konsequenz. Gerade in bestehenden Kirchen, glaube ich, ist weniger meist mehr. Das ist aber keine Radialität. Vielmehr ist es eine Abwägung des Notwendigen. Das Notwendige bindet sich dann in das Gegebene ein.

Frage: Gibt es auch Konflikte mit der Denkmalpflege?

Tesar: Ja, meiner Meinung nach ist ihre Grundhaltung von einem zu starken Beharren geprägt. Fachlich kann ich das verstehen. Der Architekt muss seine Aussage aber am Stand der Dinge formulieren. Die Denkmalpflege ist kein kreativer Prozess. Sie ist ein empfehlender, ein bewahrender. Heute gibt es in der Denkmalpflege schon Verflachungen, wo alles Alte schützenswert ist. Das ist mir zu undifferenziert.

Frage: Kann die Architektur das Werden einer Gemeinschaft unterstützen?

Tesar: Ganz sicher. Als ich zum Beispiel die Evangelische Kirche in Klosterneuburg gebaut habe, sind plötzlich um 80 Prozent mehr Besucher gekommen. Das gesamte Werden ist ja eine Gemeinschaftshandlung.

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