Veranstaltung

13. Architektur-Biennale Venedig 2012
Ausstellung
29. August 2012 bis 25. November 2012
Giardini della Biennale, Arsenale
I-30122 Venedig


Veranstalter:in: Biennale di Venezia

Protest auf großer Fahrt

Projekt der Architekten Ortner & Ortner für Venedig

Sie dürfe ins Auge stechen, schrieb Laurids Ortner einmal über provisorische Architektur. „Alles, was sich zur überfallsartigen Irritation des Betrachters eignet, ist hier wesentlich. In der Wahrnehmung verbrennt solche Überformung mit faszinierender Erhellung.“

28. August 2012 - Anne Katrin Feßler
Um Erhellung städtischer Geister und Irritation starrer Gemüter ging es auch den Studenten der renommierten Berliner Ernst-Busch-Schauspielschule, als sie im April diesen Jahres nach dem Motto „Wir wollen das öffentliche Leben hacken“ die ganze Stadt zu ihrer Protestbühne machten: ein fahrendes Theater, das las und spielte oder die performative Strategie der lautstarken Störung medienwirksam in Günther Jauchs TV-Talk nutzte.

Grund der üblen studentischen Verstimmung: Auch der dritte Anlauf, Ersatz für das alte, asbestverseuchte, verschimmelte und überdies viel zu kleine Hauptgebäude der Hochschule zu schaffen, drohte an zu hohen Kosten zu scheitern. Inzwischen hat sich der Senat zwar für den Siegerentwurf vom Architekturbüro Ortner & Ortner (Berlin, Köln, Rostow, Wien) ausgesprochen, nur muss der Bau noch ins 33 Millionen Euro Budget gezwängt werden.

Das Verbindungsstück zwischen diesem Entwurf der Architekten und dem damit verbundenen studentischen Aufruhr zeigt sich aktuell im Berliner O & O Depot (einem nicht zuletzt der künstlerischen Identität der ehemaligen Haus-Rucker-Co Laurids und Manfred Ortner gewidmeten Ausstellungsraum) und in ihrer Installation On European Ground für die Architektur-Biennale in Venedig: Das im internationalen Pavillon geparkte Objekt mit der reizvollen, durch Textil und Farbe erzielten Struktur ist eine Art temporäres Protestmöbel, eine Wanderbühne mit Namen Thespis-Karren. Denn vom griechischen Tragödiendichter, Schauspieler und Theaterleiter aus dem 6. Jahrhundert ist überliefert, er sei mit einem Wagen herumgezogen.

Das praktische und noch dazu schicke Gefährt wollte man den Studenten in Berlin zur Verfügung stellen; und die zusammengeklappt kaum einen Meter tiefe Bühne hätte jeden Berliner Trottoir aufgeputzt. Doch zum Glück war das bald nicht mehr nötig.

Seiner Funktion gerecht und doch noch bespielt wird der Thespis-Karren nun während der Eröffnungstage in Venedig. Perfekt ins moralische Motto „Common Ground“ von Kurator David Chipperfield passend, erinnert er so an den Protest als politisch wirksame Maßnahme einer Demokratie.

Dieser öffentliche Charakter spielt auch im Entwurf für die Ernst-Busch-Schule eine Rolle: Ablesbar ist er in der offenen Struktur der Probebühnen. Untergebracht in einem Turm, den die beiden Österreicher mit einfachen Holzplanken verkleidet zu „einer Art Wiener Pawlatsche“ machen.

Und während der reale Thespis-Karren in Venedig weilt, mahnt in Berlin eine Zeichnung desselben und das Modell der Hochschule: Auch Schauspielschüler sind ewig gleiches Theater einmal leid!

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