Veranstaltung

Montenegro
Ausstellung
Montenegro © Adolph Stiller
19. September 2013 bis 15. November 2013
Architektur im Ringturm
Schottenring 30
A 1010 Wien


Veranstalter:in: Vienna Insurance Group
Eröffnung: Mittwoch, 18. September 2013, 18:30 Uhr

Felsen, Buchten und Beton

Montenegro als Kristallisationspunkt der südosteuropäischen Moderne: Aber was hat man sich unter montenegrinischer Architektur vorzustellen? Zu einer Ausstellung im Wiener Ringturm.

11. Oktober 2013 - Iris Meder
Das Land der „Schwarzen Berge“ ist nicht die erste Adresse, wenn man an Architektur der Moderne denkt. Mit seinen schroffen Felsküsten, dem südlichsten Fjord Europas, der kargen, jäh abfallenden, weit ins Land verzweigten Bucht von Kotor, ausgedehnten, kaum bevölkerten Gebirgswäldern, der lange Zeit nur über einen Eselspfad von der Küste zugänglichen ehemaligen Hauptstadt Cetinje, dem in der Nachkriegszeit als Hauptstadt der jugoslawischen Teilrepublik aufgebauten Titograd und seit den 1960er-Jahren verstärkt entwickelter touristischer Infrastruktur am Meer präsentiert sich Montenegro mit seiner ruralen Tradition undgroßartigen Naturkulisse eher als Folie, vor der sich die unterschiedlichen Architekturströmungen der Moderne abbilden.

In Wien eine Ausstellung zur Architektur der Moderne in Montenegro zu veranstalten ist nicht unbedingt die nächstliegende Idee. Wenn dies im Rahmen der von Adolph Stiller kuratierten Reihe „Architektur im Ringturm“ nun geschieht, so hat das natürlich damit zu tun, dass die im Ringturm ansässige Vienna Insurance Group in dem Land an der südöstlichen Adria tätig ist. Aus dem Engagement der Versicherung in Ostmittel- und Südosteuropa resultiert aber vor allem eine nunmehr bereits äußerst beachtliche Reihe an Architekturausstellungen, die sich zumeist das Bauschaffen eines Landes oder zumindest seiner Hauptstadt im 20. und 21. Jahrhundert zum Thema nehmen. Nach, unter anderem, Slowenien, Kroatien, Belgrad, Polen, Bulgarien, Rumänien, der Ukraine und Tirana ist nun das seit 2006 unabhängige Montenegro an der Reihe.

Nach einem Exkurs zu traditionellen Steinhäusern mit Pultdach und ummauerten, mit den Nachbarn verbundenen Vorhöfen ist ein der Fachwelt bislang unbekanntes Highlight die französische Botschaft in Cetinje, eine von zahlreichen neu gebauten Gesandtschaften in der damaligen Hauptstadt des Fürstentums, das ab 1910 als Monarchie selbstständig war und 1922 Teil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen wurde. Die französische Botschaft entwarf 1911 Paul Guadet, der die architektonische Planung Auguste Perret, einem der Pioniere der französischen Moderne, überließ.

Einem feierlichen Klassizismus folgt das 1932 vom in Wien ausgebildeten kroatischen Bildhauer Ivan Meštrović entworfene Njegoš-Denkmal auf dem montenegrinischen Nationalberg Lovćen, während mit der 1935 entstandenen, nach wie vor genutzten Orthopädischen und Neurochirurgischen Klinik in Risan an der Bucht von Kotor bereits die Schlichtheit der Neuen Sachlichkeit einzog. Von ihrem Architekten Milan Zloković, der, 1887 in Triest geboren, in Graz studierte und nach Paris-Aufenthalten schließlich in Belgrad lebte, stammt auch das 1965/66 realisierte, aus mehreren Pavillons bestehende Hotel Mediteran in Ulcinj an der albanischen Grenze, von dem Teile nach dem Erdbeben 1979 geschleift werden mussten.

Ein weiterer Protagonist der Moderne in Montenegro war der aus dem südungarischen Pécs stammende, durch sein Studium in Prag von der radikalen tschechischen Moderne um Karel Teige geprägte Nikola Dobrović. Nach seinen in den 1930er-Jahren für tschechische Touristen gebauten ikonischen Hotels auf der Insel Lopud vor Dubrovnik realisierte er in seiner Spätzeit Anfang der 1960er-Jahre in Montenegro das Postamt von Herceg Novi und ein Kindererholungsheim in Igalo. Heute steht es, wie zahlreiche in der Ausstellung vorgestellte Bauten, leer, während neue, oft von russischen Investoren erstellte Hotelbauten ohne jegliche architektonische Ambition, aber mit enormer Rendite an der Küste emporgeschossen sind.

Die glorreiche Vergangenheit des Hotelbaus in Montenegro repräsentiert das ab 1955 als Hotelinsel ausgebaute Fischerdorf Sveti Stefan, das der Gegend einen Hype als Promi-Urlaubsresort bescherte, inklusive urbanistischen Leitplans, den der slowenische Architekt Edo Ravnikar Ende der 1960er-Jahre ausarbeitete, der aber nur teilweise realisiert wurde. Eine bemerkenswerte Lösung stellt Zlatko Ugljens in seiner differenzierten Struktur auf die Silhouetten des umgebendenBerglandes Bezug nehmendes Hotel Fjord in Kotor dar, das, 1979 entstanden, heute wie Dobrovićs Kinderheim leer steht.

Auch im Landesinneren findet man bemerkenswerte Bauten, in der Hauptstadt etwadas 1967 von Svetlana Radević entworfene Hotel Podgorica mit seinen schräg emporragenden Steinwänden oder das von Radoslav Zeković im Rahmen eines Wettbewerbs 1965 entworfene Verwaltungsgebäude der Republik Montenegro, ein spektakulärer Bau mit zwei parallelen Riegeln auf einem quer liegenden Gebäudesockel. Dank mehrerer in den letzten Jahren erschienenen Fotobände zur jugoslawischen Architekturmoderne mit einem Star-Status ausgestattet ist auch die skulpturale Sichtbetonstruktur des 1976 von Marko Mušić entworfenen Kulturzentrums Kolašin, das als Mahnmal für den Volksbefreiungskampf fungiert.

Von einer spezifisch montenegrinischen Architekturmoderne kann man dabei kaum sprechen, waren doch die verschiedensten Architekten im Land tätig. Gerade darin liegt aber das Spezielle einer Betrachtung der früheren jugoslawischen Teilrepublik als Kristallisationspunkt verschiedener Strömungen der südosteuropäischen Moderne. So bringt die Ausstellung nicht nur Österreichern die Baugeschichte der Region nahe, sondern bietet überhaupt den ersten Überblick zur Architektur der Moderne in diesem Land.

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