Veranstaltung

This is not a shirt.
Ausstellung
This is not a shirt. © Josef Grillmeier
14. März 2019 bis 20. April 2019
vorarlberger architektur institut
Marktstraße 33
A-6850 Dornbirn


Eröffnung: Mittwoch, 13. März 2019, 19:00 Uhr

Und was hat das mit Architektur zu tun?

18. März 2019 - Martina Pfeifer Steiner
Stofflich-sinnlich fühlt es sich bei der Ausstellung im vai in Dornbirn an. Anna Heringer war mit Ihrem Beitrag „This ist not a shirt. This is a playground“ bei der vergangenen Architekturbiennale mit dem übergeordneten Thema „Freespace“ nicht das erste Mal in Venedig eingeladen. Schon zwei Jahre zuvor realisierte sie mit dem Lehmbauspezialisten Martin Rauch im Biennale-Hauptpavillon in den Giardini eine sogenannte Pepita, übersetzt „Goldstück“ – und im sinnlichen Erlebniswert, eine Rückzugshöhle aus Lehm. Dass es bei ihrer aktuellen textilen Installation um Architektur geht, erläutert sie: „Soziale und gebaute Räume werden durch die Herstellung der Kleidung, die wir tragen und der Textilien, die wir täglich nutzen wesentlich beeinflusst. Es ist wichtig das in seiner vollen Tragweite zu verstehen.“ Jeder Mensch beeinflusst durch Kaufverhalten und Geldflüsse Räume. Wenn Menschen mangels Arbeitsplätzen ihre Dörfer verlassen müssen, in unkontrolliert wachsende Ballungsräume abwandern und unterbezahlt in den Slums enden, hat das sehr viel mit gebautem Raum und Siedlungsstrukturen zu tun.

Made in Rudrapur

Mit Bangladesh verbindet Anna Heringer schon eine sehr lange Geschichte. Im kleinen Dorf Rudrapur baute sie mit den Menschen vor Ort nämlich ihr erstes Gebäude, die Meti-School, die 2007 mit dem Aga Khan Preis ausgezeichnet wurde. Handgemacht, mit den vorhandenen Ressourcen Lehm und Bambus. Heringer interessiert sich aber auch für die Lebensumstände der BewohnerInnen, die ökonomischen und kulturellen Bedingungen der Orte, an denen sie baut. Bangladesh hat eine lange Textiltradition. So entstand die Idee zur Initiative „Didi Textiles“ mit der gemeinnützigen lokalen Organisation Dipshikha und der Schneiderin Veronika Lang. Es ging darum eine Alternative zu zeigen, die auf der wundervollen bengalischen Textilkunst aufbaut und den Menschen das Leben und Bleiben in ihren Dörfern ermöglicht: Die Saris der Frauen und Wickelröcke der Männer werden traditionell über die Jahre gesammelt und mit feinen Stichen zu Decken vernäht – also ein erstes Up-Cycling. Bevor diese Decken dann nur noch für Putzlappen oder Kinderwindeln taugen, übernimmt sie nun „Didi Textiles“ und macht daraus hochwertige Kleidungsstücke. „Den Wert einer Kultur sieht man häufig in deren Abfall. Wenn dieser Stoff nochmals aufgewertet und neu genutzt werden kann, ist das ein großer Gewinn. Unsere Ressourcen sind wertvoll und wir veredeln sie mit Handwerk, um etwas Einzigartiges zu schaffen“, sagt Anna Heringer. In Fertigstellung begriffen ist das von ihr geplante Desi-Trainingcenter. Dort soll Menschen mit Behinderungen das Schneidern beigebracht werden. Im Obergeschoss wird es eine Textilwerkstatt geben, in der Frauen im Auftrag von „Didi Textiles“ Kleidung nähen. Organisiert über Dipshikha werden sie gut bezahlt und gleichzeitig sorgt die NGO dafür, dass auch Geld in die Dorfgemeinschaft fließt und Schulen und Betreuung unterstützt werden.

„Das faszinierende bei den Projekten von Anna Heringer ist, dass sie nicht über den Lebenszyklus eines Gebäudes spricht, sondern über Wirtschaftskreisläufe, über Autonomie, über Selbstermächtigung. „Architecture is a tool to influence life“, sagt sie immer. Es geht also darum, den Menschen damit ein selbstbestimmtes Leben zu erleichtern und sie von ausbeuterischen globalen Systemen unabhängiger zu machen“, erklärt Verena Konrad. Deshalb sei die Ausstellung nur eine konsequente Fortführung der Programmlinie im vai und des Schwerpunkts Ökologie. „Ökologie ist immer auch Gesellschaftskritik.“

Golden Box und Pop-Up-Store

Die Ausstellung im vai hat mit „This is not a shirt“ nicht nur den gleichen Titel wie auf der Biennale. Als „Kleider machen Leute“ stoppte sie in der Architekturgalerie München und wurde dort um einige bestickte Textilien bereichert. Auf diesen sind die Bauprojekte Meti-School und Desi-Trainingcenter von Studio Anna Heringer in Rudrapur mit aufgestickten Grundrissen, Ansichten und einem Masterplan dokumentiert.

Ein sehr berührendes Element der Ausstellung ist die goldene Box: Außen glänzend und verspiegelt, innen beklemmend und mit Berichten über Katastrophen tapeziert steht sie stellvertretend für das Leben im Umfeld der Fabriken: Das Äußere für die Träume der Menschen und für die Shoppingmalls unserer kapitalistischen Welt. Das Innere konfrontiert einen mit der Realität. Die Wände sind mit Zeitungsartikeln über erschreckende Arbeitsbedingungen und Unglücke tapeziert, die in der Vergangenheit passiert sind. Spätestens seit dem Brand in der Tazreen-Kleiderfabrik, in einem Außenbezirk der Hauptstadt Dhaka, im November 2012 mit 117 Toten und mehreren hundert Verletzten oder dem Einsturz des Textilfabrikgebäudes Rana Plaza in Sabhar (1135 Tote und 2438 Verletzte) ein Jahr später, darf niemand mehr wegschauen.

Auch in Dornbirn wird der „Didi Textiles“-Pop-Up-Store eröffnet und man kann die wunderschönen, fein gearbeiteten, mehrschichtigen Didi-Shirts, Didi-Skirts und Kissenüberzüge, die mit fußbetriebenen, alten Maschinen, die keinen Strom brauchen, genäht wurden, auch kaufen. Der Erlös geht an die Schneiderinnen, ein Teil davon wieder in die Dorfentwicklung. Das Highlight bei der Ausstellungseröffnung im vai ist die Modeschau, bei der diese Textilkunst in Szene gesetzt wird.

Mit der Ausstellung zu „BASEhabitat – Architektur für Entwicklung“ im Herbst schließt sich der thematische Kreis im vai, der „Mit Erde gebaut“ begann. Es sei also Roland Gnaiger, dem Gründer von BASEhabitat, das passende Schlusswort überlassen: „Wir können heute ohne Verzicht und Einschränkung Häuser bauen, die die Ressourcen ihrer Orte nützen anstatt auszubeuten, die die Umwelt bereichern anstatt zu zerstören und die den Menschen damit lebenswerte Räume bieten.“
Der Text erschien in der Ausgabe von KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, http://www.kulturzeitschrift.at

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