Veranstaltung

Kirchberg am Wagram im GEHspräch
Führung
Samstag, 6. April 2024, 14:00 bis 16:00 Uhr
Treffpunkt: Gemeindeamt
Marktplatz 6
A-3470 Kirchberg am Wagram


Anmeldung bis: Freitag, 5. April 2024
Ganz in der Tradition der „Promenadologie“, die der Schweizer Soziologe Lucius Burckhardt begründet hat, veranstaltet ORTE interaktive GEHspräche, um Orts- oder Stadtentwicklungen anhand von Gebautem und Ungebautem zu entschlüsseln. Beim gemeinsamen Gehen, Betrachten und miteinander Sprechen werden Maßstäblichkeiten wahrgenommen, rücken Bauten, Areale, Straßen wie Landschaften in die Wahrnehmung und bewirken ein Sensibler-Werden für den eigenen Lebensraum. So ist auch das GEHspräch in Kirchberg am Wagram ein dialogischer Rundgang, bei dem Eigentümer:innen, Politiker:innen, Planer:innen, Anrainer:innen und Interessierte die Möglichkeit zum Kennenlernen und Fragen, zum Meinungs- und Interessensaustausch erhalten.

Der geführte Spaziergang beginnt am Marktplatz und wird aktuelle Themen der Ortsentwicklung ansprechen: Stärken, Schwächen, Potenziale, Leitbilder. Ein zweites Hauptthema widmet sich der ehemaligen Jugenderziehungsanstalt, einem belasteten Ort mit beträchtlichem Zukunftspotenzial und fantastischem Ausblick. Vom „Gefängnisgarten“ ist die Zäsur zwischen dem oberen alten Ortskern, den Hangbebauungen und den jüngeren Siedlungsentwicklungen am Fuße des Wagrams ablesbar. Der Rundgang streift einige der unten angeführten Erneuerungsprojekte und endet am zentralen Parkplatz, der den Anstoß zur verkehrsplanerischen Kernfrage bilden soll: Wie schaut „am Land“ die Mobilität der Zukunft aus? Die Brisanz und Fülle der Themen bieten reichliche Gelegenheiten für einen konstruktiven Erfahrungsaustausch.

Es führt Architekt Franz Denk in Begleitung von Bürgermeister Franz Aigner. 
„Von allen Orten am Wagram ist Kirchberg der Schönste“, schreibt „Falters Feiner Reiseführer“ und er hat zweifellos recht: nähert man sich dem zwischen Krems und Stockerau gelegenen Ort an, geben beinahe aus allen Richtungen, teils in Löß eingeschnittene, teils durch üppige offene Landschaften führende Zufahrtswege reizvolle Blicke auf die einprägsame Silhouette des Ortes frei. Lediglich die Annäherung von Süden, etwa mit der Franz-Josefs-Bahn aus dem Tullnerfeld, führt durch heterogene Gewerbe- und banale Wohnhausquartiere und mündet in einen obligaten Kreisverkehr. Das Umland des Ortes ist landwirtschaftlich geprägt und der Wein- und Obstanbau liefern qualitätvolle Genüsse: die Wagramer Nuß, Kirschen und vor allem den Grünen Veltliner. Ein Tipp nebenbei: die zahlreichen, tief eingeschnittenen Kellergassen der Umgebung bieten, besonders im Herbstlicht, ein grandioses Natur- und Wandererlebnis. Als „1. essbare Gemeinde Niederösterreichs“ hat Kirchberg Pionierarbeit geleistet und besitzt mit der Permakulturanlage „Alchemistenpark“ - einer Ansammlung von seltenen und alten „Gemüse-, Gewürz- und Obstbäumen“ - eine echte Attraktion.

Der historische Kern des 1.500 Einwohner-Ortes thront einzigartig auf der 40 m hohen Wagramkante und bietet weite Ausblicke über das Tullnerfeld bis hin zur Donau. Die strategische Lage erkannten schon die Menschen der Hallstattzeit und sie erklärt auch die Wiederbesiedlung um 1100 durch das Bistum Passau. Der historisch entscheidende Impuls für eine bis in die Gegenwart anhaltende wirtschaftliche Entwicklung erfolgte 1493 durch die Verleihung des Marktrechtes - und damit der Gerichtsbarkeit - von keinem geringeren als Kaiser Friedrich III. Den Markt gibt es bis heute. Hohes Prestige brachte das mittelalterliche „High-Tech-Labor“ für Experimente zur Metallurgie und Goldgewinnung im ca. 2 km entfernten Schloss Oberstockstall. (Die umfangreiche Sammlung im Alten Rathaus ist zurzeit leider geschlossen). Der ökonomische Reichtum der Marktgemeinde kulminierte in der Barockisierung der Wallfahrtskirche. Man beauftragte die besten Künstler der Zeit, ein Impuls, der im 19. Jahrhundert einen regelrechten Pilgerboom auslöste. Heute dominieren, neben der Landwirtschaft und einer beträchtlichen Anzahl von klein- und mittelständischen Betrieben, vor allem der Tourismus- und Dienstleistungssektor das Wirtschaftsleben der Marktgemeinde. 
Zurück zur Schönheit des Ortes: Hügel und Geländekanten, Einschnitte und Steigungen, Brücken und gekrümmte Straßen prägen eine reizvolle Topografie. Das planlich angelegte mittelalterliche Ortsbild wird dominiert von historistischen Fassaden aus dem 19. Jahrhundert. Sie bilden ein geschlossenes Platzensemble, um das sich besonders der Dorferneuerungsverein kümmert. Der zentrale Marktplatz weitet sich angerförmig auf und bildet mittig eine baumbestandene Erholungszone. In diesem Ambiente erinnern einige Kleindenkmäler an Ereignisse aus der Vergangenheit und erzeugen kleinteilige, unverwechselbare Orte zum Innehalten. Das dominante Gebäude am Marktplatz ist das 1912 errichtete „Bezirksgericht“, wo nicht nur ein ehemaliger Bundespräsident tätig war, sondern der Rücktrakt als Gefängnis und später als Erziehungsanstalt für schwererziehbare Jugendliche genutzt wurde. „Mitten im Ort und trotzdem verborgen“ versucht man heute eine Aufarbeitung der äußerst problematischen Geschichte dieses Hauses mit wissenschaftlichen und künstlerischen Mitteln. 
Beispiele einer gelungenen Ortserneuerung stellen drei Gebäude am Ein- und Ausgang des Marktplatzes dar: die Sanierung des „Weinhauses“ von Laurenz Vogel entwickelte durch schlichte Architektur und dem Marktplatz vorgelagerte Gärten einen historisch gewachsenen Kommunikationsraum weiter. Das „Weritas“ von Gerner Gerner Plus ist ein in den Hang modellierter, multifunktionaler Neubau „abseits marktschreierischer Absichten, bei dessen Signifikanz nicht vergessen wurde, der Landschaft und Dorfstruktur Respekt zu zollen“, so Franziska Leeb.  Gleich daneben befindet sich das „Wohnzimmer“ von Laurenz Vogel, ein ruhiger Zubau zu einem alten Winzerkeller, der das Kunststück zuwege bringt, gleichermaßen Aussicht und Natur nach außen und Stimmungen, Licht und Geborgenheit nach innen zu vermitteln. Kirchberg kann mit zwei weiteren Beispielen zeitgemäßer Architektur aufwarten: das jüngste Bauwerk, wiederum von Laurenz Vogel, ist die mehrfach ausgezeichnete Wagramhalle. Der hölzerne Zubau beherbergt Musikverein und Turnsaal. Er komplettiert das bestehende Schulensemble in einfacher und gedanklich logischer Konsequenz auf handwerklich hohem Niveau. Der 2019 von Raumkunst am südöstlichen Ortsrand errichtete Sportpark fügt sich mit seiner Betonung der Horizontalen und den schlichten, maßstäblichen Baukörpern ebenfalls harmonisch in die Umgebung ein. Mit diesen Beispielen präsentiert sich Kirchberg am Wagram wiederholt als Ort, dem zeitgemäße Antworten ein Anliegen sind. 

Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei, die Anreise erfolgt in Eigenregie.
Eine Anmeldung ist erforderlich unter office@orte-noe.at
Es wird darauf hingewiesen, dass bei der Veranstaltung Fotos gemacht und zum Zweck der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Dokumentation verwendet werden.
 

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Weiterführende Links:
ORTE Architekturnetzwerk NÖ