Veranstaltung

Innenansichten
Ausstellung
10. Juni 2006 bis 20. August 2006
Architekturmuseum Basel
Steinenberg 7
CH-4001 Basel


Veranstalter:in: Kerez Christian, S AM Schweizerisches Architekturmuseum

Künstler und Pädagoge

Christian Kerez im Schweizerischen Architekturmuseum Basel

3. Juli 2006 - Lutz Windhöfel
Spätestens seit der grossen Ausstellung, mit welcher Herzog & de Meuron das von ihnen erbaute Münchensteiner Schaulager im Jahr 2004 eröffneten, scheint die Zunft der Architekten Gefallen an der Inszenierung ihrer Kreativität zu finden. Jedes Styroporklötzchen wird mittlerweile von den Baukünstlern in fast schon beängstigender Vollständigkeit ausgebreitet. Auch der Architekt und Architekturfotograf Christian Kerez versucht in einer Ausstellung des Schweizerischen Architekturmuseums in Basel seine Kreativität zu inszenieren. Er tut dies nicht mit der grossen Geste, sondern mit ruhiger, sachlicher, beharrlicher und erfrischender Präzision. Aber wie Jacques Herzog hat auch er einen Hang zur Pädagogik. Im Eingangssaal wird auf einem Riesentisch das gestalterische Laboratorium von Kerez mittels Modellen ausgebreitet - ähnlich wie unlängst bei seiner Schau in Lausanne.

Der Tisch ist so gross und raumgreifend, dass nur ein schmaler Gang in die weiteren Ausstellungsräume bleibt. Merke: Nur über die Mühsal des Probierens, der Unzufriedenheit, der Wiederholung, der Verdichtung und des handwerklichen Fleisses entsteht die Form. Und da Kerez nicht allein auf das computergestützte Entwerfen vertraut, wird dieser Weg in Plastiken aus Metall, Karton, Styropor, Plexiglas oder Gips auch anschaulich. Die pädagogische Übung zeigt, wie bei Kerez Raumerkundung und Raumfindung deshalb einen skulpturalen Charakter haben, weil jeder Schritt zwischen Miniatur und Grossform in sich vollendet ist. Dies im Gegensatz zu Computer-Entwürfen, wo dieser Prozess auf flache und jederzeit manipulierbare Perspektivansichten reduziert wird.

Christian Kerez, der 1962 geboren und an der ETH zum Architekten ausgebildet wurde, gründete 1994 sein Büro in Zürich, machte sich aber auch als Architekturfotograf einen Namen. Als Mitarbeiter von Rudolf Fontana (Domat/Ems) nahm man ihn bei der Kapelle in Oberrealta (1994) erstmals als Baumeister wahr. Mit zwei Werken in Zürich (Mehrfamilienhaus Forsterstrasse, 2002/03) und im sankt-gallischen Eschenbach (Schulhaus, 1999-2002) wurde er schlagartig bekannt. Die Ausstellung in Basel zeigt - neben den Modellen - das Haus in Zürich in einer (als eine Art Katalog-Ersatz produzierten) Postkartenserie sowie ein 1:10-Styropormodell des mit einem Architekturpreis geehrten und mit Artikeln überhäuften Erstlings. Daneben finden sich grosse Modelle für Architekturen, die gerade im Bau sind: ein Schulhaus in Zürich Leutschenbach und ein Zweifamilienhaus in Witikon.

Das Modell des Hauses Forsterstrasse, auf seine nackte Struktur reduziert, hat etwas ähnlich Profan-Unheimliches wie die Polyurethan-Plastik «Casa metafisica e di speculazione» (1984/85) von Fischli/Weiss, und mit ihrer Leere wirken beide austauschbar. Bei dieser Anlehnung an die Plastik der Gegenwartskunst achtet Kerez streng auf euklidische Geometrien. Das statische Konstruktionsprinzip, welches in der filigranen Metallstruktur des Schulhauses Leutschenbach sichtbar wird, lässt an die konstruktive Plastik der zwanziger Jahre denken. Jedoch weist es über das reine Kunstprodukt hinaus, da das Tragwerk zum Prinzip der Plastik wird. Beim Schulhaus in Leutschenbach mit der originellen Turnhalle im obersten Geschoss finden sich konstruktive Parallelen zum Sportzentrum Pfaffenholz in St. Louis (1995) von Herzog & de Meuron oder zur doppelstöckigen «Brücke der Nordtangente» von Steib & Steib in Basel (2005). Das Modell des neuen Hauses in Witikon ist aus MDF-Platten geschreinert und hat einen Beton-Feinguss als Aufsatz. Allein der Holzsockel unterstreicht Anspruch und Wirkung dieser Raumplastik, die man sich ebenso gut in der angrenzenden Kunsthalle ausgestellt denken könnte.

Kerez hat beide Plastiken auf entgegenlaufenden Achsen des grossen Museumssaales placiert und ihnen statt musealer Ruhe (was durchaus möglich gewesen wäre) eine sanfte Enge aufgezwungen. Ein neues Modell und Pläne eines unrealisierten Wettbewerbsprojektes in Zürich (Berufsschule Salzmagazin, 1997) runden die Ausstellung ab. Von kleinen Fotografien auf den Tischvitrinen abgesehen, hält Kerez seine Werkpräsentation auf konsequent entwerferischem Niveau. Ein paar jener farbigen Postkarten, die man dem Besucher nun zum Kauf im Kartonschuber anbietet, hätten der Ausstellung als grossformatige Bilder gut getan. Als strenger Lehrer verfolgt Christian Kerez die Nüchternheit bis zum Nullpunkt. Dort, wo die Ausstellung pädagogisch wirkt, hat sie einen Zug zur Bevormundung. Dort, wo sie Kunstwerke zeigt, ist sie eindrücklich.

[ Bis 20. August. Zur Ausstellung liegen eine 13-teilige Postkartenserie (Fr. 18.-) sowie die Lausanner Broschüre «Les Echelles de la Réalité. L'Architecture de Christian Kerez» (Fr. 21.-) vor. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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