Veranstaltung

NEU BAU LAND
Ausstellung
23. Juni 2007 bis 26. August 2007
Deutsches Architektur Museum
Schaumainkai (Museumsufer) 43
D-60596 Frankfurt / Main


Veranstalter:in: Deutsches Architekturmuseum (DAM)
Eröffnung: Freitag, 22. Juni 2007, 19:00 Uhr

Leistungsschau und Problembilanz

Neues Bauen in Ostdeutschland im Architektur-Museum Frankfurt

In den neuen deutschen Bundesländern sind trotz weiterhin bestehenden Problemen bemerkenswerte Bauten entstanden. Eine Ausstellung in Frankfurt a. M. gibt einen Überblick über das Baugeschehen.

13. Juli 2007 - Hubertus Adam
Nach der deutschen Wiedervereinigung sprach man von «blühenden Landschaften». Grosszügige Abschreibungsmodelle führten zu Investitionen; in Leipzig etwa wurden seit den neunziger Jahren drei Viertel des gründerzeitlichen Bestands von 105 000 Wohnungen saniert und 1,6 Millionen Quadratmeter Bürofläche erstellt. Gleichzeitig aber gingen viele alte Arbeitsplätze verloren, ohne dass Ersatz im nötigen Umfang geschaffen worden wäre. Der Erfolg des neu errichteten Messegeländes erwies sich als ebenso illusionär wie das Label «Medienstadt», mit dem man den einstigen Ruf als Stadt des Buchdrucks und der Verlage erneuern wollte. Die Erosion der Bevölkerung dauerte an, obwohl Leipzig aufgrund seiner Lage und seines attraktiven Zentrums gegenüber Städten wie Halle, Cottbus oder Hoyerswerda im Vorteil war. Doch in den letzten Jahren gelang es durch ein geschicktes Standortmarketing (und weitere Subventionen), Konzerne anzulocken: Das BMW-Werk mit seinem Zaha-Hadid-Bau zeugt vom Aufwärtstrend, der von der Stadt durch Investitionen in Infrastruktur und Kultur – etwa den Neubau des Museums der bildenden Künste – flankiert wurde. Ohne Zweifel, Leipzig gilt heute als die attraktivste Stadt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Und Leipzig verzeichnet wieder einen Bevölkerungszuwachs.

Chronologischer Bilderreigen

Städtebau und Architektur sind die Bereiche, in denen sich der Wandel in den jungen Bundesländern mit all seinen Erfolgen und Misserfolgen am deutlichsten ausdrückt. Was sich in diesem Sektor in knapp zwei Jahrzehnten ereignet hat, will die Ausstellung «Neu Bau Land» aufzeigen, die von dem Architekturkritiker Oliver Hamm, dem Kunsthistoriker Ernst Busche und dem Vizedirektor des Deutschen Architekturmuseums, Wolfgang Voigt, erarbeitet wurde und nun in Frankfurt am Main zu sehen ist. Dies nicht ohne Grund, denn nach einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr hat die Hälfte aller Einwohner der alten Bundesländer die neuen nie besucht. Das Ziel der Ausstellung und des sie begleitenden, materialreichen Katalogs besteht also darin, eine Leistungsbilanz zu präsentieren, ohne dabei die virulenten Probleme zu verschweigen.

Der Leistungsbilanz ist das Erdgeschoss des frisch renovierten Museumsbaus vorbehalten. Streng chronologisch präsentieren die Kuratoren in einem langen Bilderfries das Bauen in den neuen Bundesländern, wobei sie berechtigterweise Berlin aussparen, das als Bundeshauptstadt und wiedervereinigte Metropole einer anderen Entwicklungsdynamik und anderen Rahmenbedingungen unterliegt. Der Bogen spannt sich vom Umbau der Alten Nikolaischule in Leipzig durch das Büro Storch Ehlers, mit dem 1990 begonnen wurde, bis hin zum vor wenigen Tagen eröffneten Erlebniszentrum «Arche Nebra» des Zürcher Architekturbüros Holzer Kobler (NZZ 6. 7. 07).

Wie immer bei einer derartigen Auswahl mag man über die Plausibilität diskutieren. Grundsätzlicher ist indes die Frage, ob statt der gewählten chronologischen Aufreihung nicht ein anderes Gliederungsprinzip mehr Erkenntnisgewinn gebracht hätte. Etwa die Ordnung nach Bauaufgaben und Problemfeldern wie Verwaltungs-, Kultur-, Universitäts- und Wohnbauten oder denkmalpflegerischen Projekten und Umnutzungen von Plattenbauten. Denn der Strudel einzelner Objekte, die jeweils nur mit einer Foto und ohne erläuternde Texte präsentiert werden, führt letztlich zu einer visuellen Nivellierung.

Ein wenig Abwechslung schaffen die innerhalb des Bilderreigens ausführlicher vorgestellten 25 Bauten. Sie werden mit Texten, Plänen und Modellen auf riesigen roten Sockeln in Umrissform der fünf neuen Länder raumfüllend präsentiert. Ihre Auswahl ist mehrheitlich überzeugend: Es finden sich Inkunabeln wie die amöbenförmige Bibliothek in Cottbus von Herzog & de Meuron, das geschickt das maritime Bauen thematisierende Technologie- und Forschungszentrum von Jean Nouvel in Wismar, das formal wie ökologisch Massstäbe setzende Umweltbundesamt in Dessau von Sauerbruch & Hutton oder die Preziose der Neuen Synagoge von Wandel Hoefer Lorch & Hirsch in Dresden, aber auch unbekanntere Bauten wie die in der Marienkirche Neubrandenburg eingerichtete Konzerthalle des finnischen Architekten Pekka Salminen oder das Staatsweingut Schloss Wackerbarth in Radebeul bei Dresden (von h.e.iz.Haus Architektur). Gleichsam als Kontrast zu dieser positiven Bilanz ist auf dem Boden des Ausstellungssaals ein Mosaik von Schwarzweissbildern des Fotografen Gerhard Zwickert ausgelegt, das die omnipräsente Alltäglichkeit des Bauens zeigt: geschmacklose Einkaufszentren, aus der Angebotspalette von Baumärkten arrangierte Wohnhäuser oder pseudopostmoderne Bürohäuser.

Zwänge und Potenziale

Im ersten Obergeschoss weicht der auf den Einzelbau konzentrierte Fokus einer urbanistischen Perspektive. Leinefelde, im nordwestlichen Zipfel Thüringens nahe der Grenze zu Niedersachsen gelegen, erkannte früh schon das Problem der sich leerenden Plattenbausiedlungen. Mitte der neunziger Jahre wurden in dem ehemaligen Zentrum der Textilindustrie Strategien zur Umwandlung von Grossblocks in kleinere Einheiten entwickelt. Abgebrochene Grossplattenelemente wurden in Cottbus neu zu kleinen Häusern zusammengefügt, denn die Elementbauweise erlaubt nicht nur den Abriss, sondern auch eine sinnvolle Umnutzung. In Leipzig versucht man, in überzählige Gründerzeit-Viertel Grünzüge zu schlagen und punktuell innerstädtische Einfamilienhausquartiere anzulegen. Aus der Schrumpfung resultiert die perforierte Stadt, die sich wegen der neuen Eigenheimzonen am Stadtrand trotzdem weiter ausdehnt. In Dresden hingegen ist rings um die rekonstruierte Frauenkirche ein kommerziell gesteuerter Themenpark aus pseudohistorischen Bauten im Entstehen, der die noch erhaltenen Geschichtszeugnisse eliminiert. Wirksame Lösungen kann auch «Neu Bau Land» nicht anbieten; doch die Mahnung der Kuratoren, weniger Geschichtsvergessenheit und mehr Phantasie walten zu lassen, ist zweifellos berechtigt.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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