Zeitschrift
Bauwelt 11.07
Das Khandama-Projekt
Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Warschau
Warschau will am Fuß seines Wahrzeichens, des 230 Meter hohen Kulturpalastes aus der Stalinzeit, ein Kunstmuseum bauen. Es geht um die Aufwertung des Stadtzentrums durch herausragende Architektur. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an das Ergebnis des internationalen Wettbewerbs. Dass die Jury den zurückhaltenden Entwurf des Züricher Architekten Christian Kerez zum Sieger gekürt hat, sorgt in der Bevölkerung für Diskussion, geschürt durch das Protestschreiben eines Jurymitglieds.
9. März 2007 - Friederike Meyer
Mitten in Warschaus zugigem Zentrum soll ein Museum für moderne und zeitgenössische Kunst entstehen. Damit folgt die polnische Hauptstadt einem Stadtmarketingtrend, der in den letzten Jahren einen weltweiten Museumsbauboom ausgelöst hat. EU-Fördermittel für das auf 60 Millionen Euro Baukosten geschätzte Haus stehen in Aussicht, die Sammlung soll sukzessive aufgebaut werden. Die Stadt hat ein prominentes Grundstück zur Verfügung gestellt. Früher hielt die sozialistische Partei- und Staatsführung hier ihre Kundgebungen ab. Seit der Wende wird über die städtebauliche Leere um den Prachtbau aus der Stalinzeit diskutiert. Im Jahr 1992 hatte eine Jury unter Vorsitz von Leon Krier einen Masterplan gekürt, der nicht zuletzt aufgrund seiner problematischen städtebaulichen Form eines kreisrunden Boulevards unverwirklicht in den Schubladen der Stadtverwaltung verschwand. Mittlerweile hat das Planungsamt unter der Leitung des Chefarchitekten Michał Borowski einen neuen Masterplan erarbeitet. Er weist auf dem seit Jahren als Markt- und Parkplatz genutzten „Plac Defilad“ zwei L-förmige Grundstücke aus, die den Hauptzugang zum Kulturpalast neu fassen sollen. Auf einer Seite, angrenzend an den Świętokrzyski Park soll der Kunstbau entstehen, auf der anderen sind ein Kaufhaus und ein Musicaltheater angedacht.
Der Wettbewerb war international ausgeschrieben. Von 180 Bewerbern wurden 109 zugelassen. Um deren Arbeiten zu beurteilen, nahm sich die 13-köpfige, je zur Hälfte polnisch und international besetzte Jury unter Vorsitz von Michał Borowski drei Tage Zeit. Im Gremium saßen polnische und zwei Londoner Museumsdirektoren sowie Adam Szymczyk, Leiter der Kunsthalle Basel, Daniel Libeskind und Christine Binswanger vom Büro Herzog und de Meuron. Aus einer Vielzahl von verschlungenen, gefalteten oder in Teile zerstückelten Vorschlägen, die sich weit über das vorgegebene Grundstück ausbreiten, wählte die Jury am 18. Februar drei Projekte aus, die sich formal streng an die Wettbewerbsvorgaben halten.
Der erstplatzierte Architekt Christian Kerez, bekannt geworden durch ein kompromissloses Beton-Glas-Mehrfamilienhaus in Zürich, hat gar nicht erst versucht, mit dem „Zuckerbäcker-Märchenschloss“ nebenan zu konkurrieren, und die Qualitäten seines Entwurfs hinter einer „schwebenden“ Betonblende versteckt. Das Dach besteht aus einer mehrfach gewölbten Lichtdecke, wenige tragende Stützen sollen größtmögliche Flexibilität auf allen drei Ebenen erlauben. Der Platz davor ist durch gemusterte Bodenplatten strukturiert.
Den 2. Preis erhielt das Warschauer Büro Szaroszyk & Rycerski mit einem L-förmigen Baukörper, der durch eine farben- und materialfrohe Kolonnade und ein begrüntes Dach Abwechslung in die Umgebung zu tragen versucht und im Inneren an eine Shopping-Mall-Passage erinnert. Ein weiteres Schweizer Büro landete auf Platz drei: Das Zürcher Atelier WW antwortet auf die vertikale Dominanz des Kulturpalastes mit einem ruhigen, horizontal ausgerichteten Baukörper.
Der erste Preis dürfte, so er realisiert wird, ein herausragender Bau im Warschauer Stadtzentrum werden. Doch dem bläst Wind entgegen. Kaum war die Entscheidung gefallen, entbrannte in Warschau eine öffentliche Diskussion, angekurbelt von Tadeusz Zielniewicz, dem für die Organisation des Wettbewerbs Verantwortlichen. In einer Stellungnahme, die er auf die Webseite des Wettbewerbs www.museumcompetition.pl stellen ließ, erklärt er seinen Rücktritt, distanziert sich von der Entscheidung der Jury, die er als ihr Mitglied unterzeichnet hat, und versucht, den mit einer Besonderen Erwähnung versehenen Entwurf von ALA Oy, Helsinki, und Grupa 5, Warschau, ins Blickfeld der Entscheider im Kulturministerium zu heben: ein schillernder Blob mit Projektionsrückwand, ein Vorschlag, der auf den ersten Blick Strahlkraft suggeriert, jedoch viele Fragen hinsichtlich seiner Umsetzung offenlässt.
Vielen Warschauern spricht er ganz offensichtlich aus dem Herzen, wie die polnische Tagespresse widerspiegelt. Höchste Erwartungen hatten sie an diesen Wettbewerb gerichtet, dessen Ergebnis allen Frust über das existierende Stadtbild aufwerten sollte. Denn ihre Sehnsucht nach einem architektonischen Bilbao-Spektakel gründet sich auf dem Vorhandenen, das die Vorstellung von Beton und Struktur für sie zum Alptraum hat werden lassen. Der Sozialismus hinterließ immer gleiche Zeilen und Blöcke zwischen den breiten Straßen, die Nachwendezeit verdichtete um globale Büro- und Hoteltürme und Shopping-Center.
Handelt es sich aber wirklich nur um ein kulturelles Missverständnis, das entsteht, wenn Schweizer Strukturalismus auf überzogene Erwartungen und polnische Vergangenheitsbewältigung trifft? Es geht hier auch um das alte Problem der Beurteilung anhand von Bildern. Was die Jury erkannt und völlig zu Recht als beste Arbeit ausgezeichnet hat, steckt in den Zeichnungen und bleibt architektonischen Laien oftmals verborgen, ebenso wie die Tatsache, dass es bei Architektur in erster Linie um Räume geht. Die Warschauer Oberbürgermeisterin hat unterdessen angekündigt, die Entscheidung der Jury zu akzeptieren und den Siegerentwurf umsetzen zu wollen – ein gutes Signal für die noch junge polnische Wettbewerbskultur, die unter den neuen EU-Mitgliedsstaaten durch viele offene internationale Wettbewerbe bisher beispielhaft in Erscheinung getreten ist.
Der Wettbewerb war international ausgeschrieben. Von 180 Bewerbern wurden 109 zugelassen. Um deren Arbeiten zu beurteilen, nahm sich die 13-köpfige, je zur Hälfte polnisch und international besetzte Jury unter Vorsitz von Michał Borowski drei Tage Zeit. Im Gremium saßen polnische und zwei Londoner Museumsdirektoren sowie Adam Szymczyk, Leiter der Kunsthalle Basel, Daniel Libeskind und Christine Binswanger vom Büro Herzog und de Meuron. Aus einer Vielzahl von verschlungenen, gefalteten oder in Teile zerstückelten Vorschlägen, die sich weit über das vorgegebene Grundstück ausbreiten, wählte die Jury am 18. Februar drei Projekte aus, die sich formal streng an die Wettbewerbsvorgaben halten.
Der erstplatzierte Architekt Christian Kerez, bekannt geworden durch ein kompromissloses Beton-Glas-Mehrfamilienhaus in Zürich, hat gar nicht erst versucht, mit dem „Zuckerbäcker-Märchenschloss“ nebenan zu konkurrieren, und die Qualitäten seines Entwurfs hinter einer „schwebenden“ Betonblende versteckt. Das Dach besteht aus einer mehrfach gewölbten Lichtdecke, wenige tragende Stützen sollen größtmögliche Flexibilität auf allen drei Ebenen erlauben. Der Platz davor ist durch gemusterte Bodenplatten strukturiert.
Den 2. Preis erhielt das Warschauer Büro Szaroszyk & Rycerski mit einem L-förmigen Baukörper, der durch eine farben- und materialfrohe Kolonnade und ein begrüntes Dach Abwechslung in die Umgebung zu tragen versucht und im Inneren an eine Shopping-Mall-Passage erinnert. Ein weiteres Schweizer Büro landete auf Platz drei: Das Zürcher Atelier WW antwortet auf die vertikale Dominanz des Kulturpalastes mit einem ruhigen, horizontal ausgerichteten Baukörper.
Der erste Preis dürfte, so er realisiert wird, ein herausragender Bau im Warschauer Stadtzentrum werden. Doch dem bläst Wind entgegen. Kaum war die Entscheidung gefallen, entbrannte in Warschau eine öffentliche Diskussion, angekurbelt von Tadeusz Zielniewicz, dem für die Organisation des Wettbewerbs Verantwortlichen. In einer Stellungnahme, die er auf die Webseite des Wettbewerbs www.museumcompetition.pl stellen ließ, erklärt er seinen Rücktritt, distanziert sich von der Entscheidung der Jury, die er als ihr Mitglied unterzeichnet hat, und versucht, den mit einer Besonderen Erwähnung versehenen Entwurf von ALA Oy, Helsinki, und Grupa 5, Warschau, ins Blickfeld der Entscheider im Kulturministerium zu heben: ein schillernder Blob mit Projektionsrückwand, ein Vorschlag, der auf den ersten Blick Strahlkraft suggeriert, jedoch viele Fragen hinsichtlich seiner Umsetzung offenlässt.
Vielen Warschauern spricht er ganz offensichtlich aus dem Herzen, wie die polnische Tagespresse widerspiegelt. Höchste Erwartungen hatten sie an diesen Wettbewerb gerichtet, dessen Ergebnis allen Frust über das existierende Stadtbild aufwerten sollte. Denn ihre Sehnsucht nach einem architektonischen Bilbao-Spektakel gründet sich auf dem Vorhandenen, das die Vorstellung von Beton und Struktur für sie zum Alptraum hat werden lassen. Der Sozialismus hinterließ immer gleiche Zeilen und Blöcke zwischen den breiten Straßen, die Nachwendezeit verdichtete um globale Büro- und Hoteltürme und Shopping-Center.
Handelt es sich aber wirklich nur um ein kulturelles Missverständnis, das entsteht, wenn Schweizer Strukturalismus auf überzogene Erwartungen und polnische Vergangenheitsbewältigung trifft? Es geht hier auch um das alte Problem der Beurteilung anhand von Bildern. Was die Jury erkannt und völlig zu Recht als beste Arbeit ausgezeichnet hat, steckt in den Zeichnungen und bleibt architektonischen Laien oftmals verborgen, ebenso wie die Tatsache, dass es bei Architektur in erster Linie um Räume geht. Die Warschauer Oberbürgermeisterin hat unterdessen angekündigt, die Entscheidung der Jury zu akzeptieren und den Siegerentwurf umsetzen zu wollen – ein gutes Signal für die noch junge polnische Wettbewerbskultur, die unter den neuen EU-Mitgliedsstaaten durch viele offene internationale Wettbewerbe bisher beispielhaft in Erscheinung getreten ist.
Für den Beitrag verantwortlich: Bauwelt
Ansprechpartner:in für diese Seite: Redaktion