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anthos 2007/3
Zukunft Landschaft Schweiz
anthos 2007/3
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Landschaftsplanung als Überwindung des sektoralen Denkens

Landschaft ist in letzter Zeit wieder verstärkt ein Thema. Damit in Zukunft die Multifunktionalität der Landschaft gewahrt bleibt und nicht einzelne Sektoralpolitiken dominieren, braucht es die Landschaftsplanung.

25. September 2007 - Margit Mönnecke
Es ist das Jahr 2032. Bei einer Fahrt durch das Zürcher Oberland komme ich an Gemeinden vorbei, in denen die HSR vor fast 25 Jahren die Erarbeitung von Landschaftsentwicklungskonzepten begleitet hat. Im Vergleich zu 2007 zeigt sich ein neues Bild der Landschaft: Die Gemeinden haben sich flächenmässig ausgebreitet, die letzten Baureserven sind verbaut, es ist städtischer geworden. Dennoch betonen die mit Einzelreihen sowie mit Baumgruppen und -streifen gestalteten Siedlungsränder und Ortseingangsbereiche die Unterschiede zwischen besiedeltem und unbesiedeltem Raum. In Räumen, in denen dies nicht mehr möglich war, sind die Siedlungsgebiete zu einem grossen städtischen Raum zusammengewachsen. Dieser neue «Stadtraum» ist durch grosszügig angelegte Alleen und grüne Erholungsbänder strukturiert. Ich fühle mich wie in einem Stadt-Landschaftspark.

Bäche, die früher eingeholt waren, sind offen gelegt; sie schlängeln sich durch die landwirtschaftlich geprägte Landschaft, die vielfältig wirkt: Intensiv genutzte Landwirtschaftsflächen für den Futterbau grenzen an Flächen mit Triticale und Phacelia, die für die regional betriebene Biogasanlage verwendet werden.

Trespen-Halbtrockenwiesen und Kammgras-Weiden dehnen sich am Hangfuss aus. Neu gepflanzte Obstgärten sind ebenso zu erkennen wie kleinere Grünstreifen und -bänder mit kleinen Wäldchen, Bäumen, Gehölzen, Wiesenstreifen und Wegen, die sich durch die unbesiedelte Landschaft ziehen. Sie finden ihre Fortführung in den Siedlungsräumen, in denen neue Plätze geschaffen sind, die zum Verweilen, Spielen und geselligen Zusammensein für alle Generationen einladen.

Zurück von dieser Gedankenreise in die Zukunft, stellt sich die Frage, was für eine solche positive Entwicklung zu tun wäre.
Die Diskussionen um den Stellenwert der Landschaft für die Standortattraktivität sollte für zukunftsorientierte Gemeindepolitiker Anlass sein, der landschaftlichen Entwicklung ihrer Gemeinde mehr Gewicht beizumessen. Einen massgeblichen Beitrag kann dazu die Landschaftsplanung leiten. Im Gegensatz zu anderen raumbezogenen Fachplanungen betrachtet sie die Landschaft aus einem umfassenden Blickwinkel. Vorschläge zur Landschaftsentwicklung beziehen sich auf den gesamten Raum, innerhalb und ausserhalb der Siedlungen. Auf der Grundlage der Analyse der biotischen und abiotischen Naturgüter und unter Berücksichtigung der Landschaftsgeschichte, der kulturellen Besonderheiten sowie der aktuellen Nutzungen und zukünftiger Vorhaben und Planungen werden Vorschläge und Umsetzungsmassnahmen unter partizipativer Mitwirkung der Bevölkerung erarbeitet.

Unverwechselbarkeit der Landschaft sicherstellen

Angesichts einer immer stärker fortschreitenden Zersiedlung des Mittellandes, die einher geht mit einer starken Gesichts- und Identitätslosigkeit der bebauten und unbebauten Landschaft, muss die aktuelle Diskussion um den Stellenwert der Landschaft forciert werden. Die Entwicklungsperspektiven für die Gemeinden dürfen nicht nur auf attraktive Arbeitsplätze, gute Verkehrsanbindungen an die grossen Agglomerationszentren oder auf bezahlbares Bauland zielen. Um in der Standortgunst in vorderster Reihe stehen zu können, sind attraktive unverwechselbare Kulturlandschaftsräume und Erholungslandschaften ebenso wie ein attraktives innerörtliches Freiraumangebot von Plätzen und kleineren Parks wichtig für die Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner. In den derzeitigen Immobilien-Rankings ist die Landschaft ein fester Bestandteil der Bewertung. Das zu Beginn beschriebene Landschaftsbild von 2032 einer klein strukturierten Parklandschaftsstadt will Mut machen, in der Neugestaltung von Landschaft neue Identitäten zu finden. Es muss eine Abkehr von der Uniformität der bestehenden Siedlungsräume im Mittelland geben.

Überkommunal denken und agieren

Um die vielfältigen Anforderungen der Bevölkerung nach attraktiven Wohnquartieren, guter Verkehrsanbindung, abwechslungsreichen Erholungsgebieten mit einem verschiedenartigen Aktivitätenangebot gerecht zu werden, sollten Gemeinden die Chance ergreifen, durch Zusammenarbeit überkommunale Konzepte zu entwickeln. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten überkommunale landschaftsplanerische Konzepte. Sie ermitteln die unterschiedlichen landschaftlichen Qualitäten aus ökologischer und landschaftsästhetischer Sicht. Sie zeigen auf, in welchen Räumen Extensivierungs- oder Renaturierungsmassnahmen nötig sind und wo weiterhin Siedlungstätigkeiten tragbar sind oder zu irreversiblen Schäden für Natur und Landschaft führen würden. Da überkommunales Denken den besiedelten Raum einschliesst, ist die Ausscheidung von Siedlungs-, Gewerbeund Industrieflächen in die Landschaftsentwicklung einzubeziehen.

Eine überkommunale Zusammenarbeit ermöglicht ein vielfältiges landschaftsbezogenes Erholungsangebot. Nicht jede Gemeinde muss alles anbieten. Die örtlichen Bedingungen und Nutzeransprüche sollten die Richtschnur sein, an welchen Orten Infrastruktureinrichtungen wie etwa Naturbeobachtungsplattformen, Grillplätze sinnvoll sind und wo Naturerlebnisräume, in denen Kinder und Jugendliche mit Naturmaterialien spielen, experimentieren und bauen können, errichtet werden.

Flächenfunktionen bestimmen

Eine zukunftsorientierte Landschaftsentwicklung zeichnet sich dadurch aus, dass ausgehandelt wird, welche Funktionen die verschiedenen Flächen in Zukunft erfüllen sollen. Es reicht nicht mehr aus zu bestimmen, hier findet Landoder Forstwirtschaft und dort Siedlungsbau statt. Vielmehr ist in einem diskursiven Prozess festzulegen, welche Räume Erholungsfunktion, Produktionsfunktion, Wasserrückhaltefunktion, Naturschutz- oder Wohnfunktion zu erfüllen haben. Sich über zukünftige Funktionen von Räumen zu verständigen, heisst die isolierte Betrachtung von Räumen aus der Perspektive einer Fachdisziplin oder von Sektoralpolitiken aufzugeben. Vielmehr kann diskutiert werden, welche Funktionen die Landschaft in Zukunft erfüllen soll und welche Räume sich besonders dafür eignen. Als Grundlage für eine solche Funktionsbestimmung eignet sich die Landschaftsplanung gut. Zu ihren Aufgaben gehört es, die abiotischen und biotischen Naturgüter sowie die landschaftsästhetischen Qualitäten zu analysieren und Vorschläge zu deren Schutz, Sicherung und Entwicklung zu erarbeiten. Zu diesen Aufgaben gehören auch die Ermittlung der Erholungseignung von Landschaftsräumen sowie das Ausloten von möglichen landschaftsbezogenen Erholungsangeboten.

Partizipation leben

Damit die eingangs geschilderte Situation Wirklichkeit werden kann, sind die Vorstellungen über die zukünftige Landschaftsentwicklung in einem partizipativen Prozess zu entwickeln. Dies schliesst ein, frühzeitig alle relevanten Akteure und Multiplikatoren zu identifizieren und für den Beteiligungsprozess zu gewinnen. Da landschaftsplanerische Projekte für ihre Akzeptanz und ihre Umsetzung auf die Mitwirkung anderer Fachdisziplinen und verschiedener Nutzergruppen angewiesen sind, bestehen hier bereits vielfältige Erfahrungen. Partizipationsprozesse können erfolgreich geführt werden, wenn eine oder mehrere kleinere Arbeitsgruppen kontinuierlich an dem Thema arbeiten und zu wichtigen Entscheidungspunkten die Bevölkerung in einem grösseren Rahmen einbezogen wird, beispielsweise durch Gemeindeorientierungen oder Grossgruppen-Workshops.

Fazit

Der Einfluss einzelner Sektoralpolitiken auf die Landschaft wird längerfristig zu einer Verödung und Uniformität und Austauschbarkeit der Landschaftsräume führen. Nur durch Überwinden und Aufgeben des sektoralen Denkens kann diese Entwicklung korrigiert werden. Die Landschaftsplanung leistet dazu einen entscheidenden Beitrag.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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