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Jetzt also Glas. Bereits das letzte Heft war einem Material gewidmet, doch der Zugang ist diesmal ein völlig anderer: konkreter, technischer, detaillierter. Die Entscheidung, welche Themen im Zuschnitt bearbeitet werden, wird von Herausgeber und Redaktion gemeinsam mit dem Editorialboard anhand einer Reihe von Kriterien getroffen. Wichtig ist dabei jedoch immer der Rhythmus der Hefte in ihrer Abfolge. Die Leserschaft des Zuschnitts ist breit gestreut: Von Architektinnen über Politiker und Studierende bis hin zu vielen allgemein am Holz Interessierten reicht die Liste der Abonnenten.

Dem wollen wir gerecht werden, indem sich diese Bandbreite in der Themenauswahl widerspiegelt. Aber auch die inhaltliche Aufarbeitung innerhalb der einzelnen Hefte zielt darauf ab, einen möglichst breiten Zugang zu finden und von architektonischen und technischen bis hin zu kulturellen Beiträgen eine trotz der geringen Seitenanzahl umfassende Sichtweise anzubieten.

Am Beispiel dieses Zuschnitts heißt das: Die Verbindung von Holz und Glas ist mehr als ein (Holz)Fenster in der (Holz)Fassade. Da geht es zunächst um das Wesen dieser ungleichen Materialien. Dann um ihr Verhältnis zueinander, die Art ihrer Begegnung.

An diesem Punkt taucht die Frage der »Fügung« auf. Wie treffen Holz und Glas technisch betrachtet aufeinander und was bedeutet das z.B. für ein Gebäude? Gerade auf diesem Gebiet gibt es derzeit viel Innovatives: Durch neue Verbindungstechniken können die statischen Eigenschaften von Glas genutzt werden, was enorme konstruktive und gestalterische Auswirkungen hat. So entwickelt sich das Heft entlang eines Inhaltsbogens und das Ergebnis ist ein weiterer, hoffentlich interessanter und abwechslungsreicher Zuschnitt.
Eva Guttmann

Zum Thema

Editorial | Eva Guttmann
Nächste Brennstufe | Georg Binder
Im übertragenen Sinn – Zu Holz. Zu Glas | Roland Jörg

Themenschwerpunkt

Juppenwerkstatt Riefensberg – Von steifem Leinen und weichem Balkenwerk | Robert Fabach
Ring House – Holz und Glas zum Wochenende | Eva Guttmann

Im Detail

Ärztezentrum Matrei – Ansichten und Durchblicke | Karin Tschavgova
Sunken House – Schmuckkästchen in Schwarz | Karin Triendl
Kleben statt klotzen | Eva Guttmann
Gute Fügung | Wolfgang Pöschl
Nach außen offen – Christian Walch im Porträt | Eva Guttmann
Fenstergeschichten vom Lichtschimmer | Walter Zschokke

Holzbaupreise 2007/2008

Artikel

12. April 2008 Roland Jörg
zuschnitt

Im übertragenen Sinn Zu Holz. Zu Glas.

Holz und Glas lassen sich nicht so einfach versprachlichen. Denn Holz und Glas bieten in ihrem baulichen Zusammenspiel den Menschen seit Jahrhunderten eine Qualität, die vielschichtig darauf ausgerichtet ist, die Sinne atmen und leben zu lassen und einen intensiven Raum-Körper-Dialog zu ermöglichen. Wie stark die körperliche Affinität beider Materialien reichen kann, lassen Sprachbilder und Redewendungen erahnen, die in unserem Sprachschatz verankert sind: auf der einen Seite das Holzauge, das wachsam sein soll, oder auch das Holzbein, das schmerzt, wenn’s Regen gibt... Andererseits: wer am Abend zu tief ins Glas schaut, hat am nächsten Morgen möglicherweise einen glasigen Blick. Kann sein, dass auch seine Bewegungen noch etwas hölzern wirken.

Das Glasauge wiederum, als mimetisches Objekt, ist eine Ausnahme (so wie auch künstlerisch-dekorative Glasgebilde). Denn Glas verweist in seinem wohl häufigsten Gebrauch als transparentes Material gewöhnlich auf sich selbst und versucht nichts vorzutäuschen, viel unmittelbarer jedenfalls als Holz, das meist erst in seiner Anwendung, in seiner Funktion einen Namen bekommt, der über das Material hinausweist. Holz an sich ist als Werkstoff ein Massebegriff, aus dem sich die vielfältigsten individuellen Dinge und Dinggruppen bilden lassen.

Erst wenn wir Holz als Rahmen begreifen, wird das Glas zum Bild, erst wenn wir Holz als Sockel begreifen, wird das Glas zur Vitrine. Glas und Auge sind unzertrennliche Partner, ob einerseits als Brillen- oder Fernglas oder andererseits als (Fenster)Blickmedium und (Tages)Lichtquelle in Räumen. Gewöhnlich tut Glas so, als wäre es nicht da. Dennoch ist die Haut nicht so dünn, wie sie scheint. Denn Glas ist auch Oberfläche, dicht, verändernd, verzerrend, oft überzogen mit einer Glasur aus Lichtbrechungen und Spiegelungen. Glas ist immer auch ein Filter, der sich vor die Augen legt, in den meisten Fällen ein Grüngraufilter, schon so gewohnt, dass er von den meisten gar nicht mehr wahrgenommen wird. Die Filtereigenschaften reichen jedoch noch viel weiter und umfassen alle Sinnesebenen: Es filtert das Riechen, das Hören und das Tasten. Nur auf unser Temperaturempfinden nimmt es zusätzlich Einfluss, das weiß jeder, der im Glashaus sitzt.

Glas weist ausschließlich eine augenscheinliche Transparenz auf, ansonsten schottet es vom Lebensumfeld mehr ab, als das Holz mit seinen zellularen Eigenschaften je zulassen würde.

Glas lässt sich nicht austauschen – das mag nun widersprüchlich klingen. Als Scheibe ja, aber als Material steht es für sich. Da ist Holz weit stärkeren Surrogatkräften ausgesetzt, die der umfassend sinnlichen Qualität dieses Werkstoffs unverschämt zusetzen. An der Oberfläche unserer visuellen Kultur – oder besser Unkultur – bleiben billige, aber keinesfalls günstige Holzimitate für ein abwaschbares, glattes und keimfreies richtiges Leben im falschen. Dort, wo von naturidenten Effekten die Rede ist, geht uns mit Sicherheit ein Stück eigener Natur verloren. Kaum jemand wird auf die Idee kommen, mit Glasimitaten seinen Lebensbereich aufzumöbeln. Und wenn, dann bleibt es immer noch als Begriff Glas im Sprachgebrauch, sei es als Plexi- oder Acrylglas. Warum das bei Holz anders ist, mag in dem Umstand liegen, dass seine Verarbeitung ein hohes handwerkliches und bautechnisches Niveau erfordert – vom Schlägern und Lagern bis zur Endfertigung.

Auch wenn das Arbeiten mit Glas ein ebenso komplexer Wissensbereich ist, in vielleicht etwas romantisch verklärter Sichtweise ist es jedenfalls der artifiziellere Werkstoff. Wer mit Holz arbeitet oder lebt, lässt sich auf einen Prozess ein, in dem das Knacken im Gebälk ebenso dazugehört wie gewisse Alterungsprozesse und augenscheinliche Veränderungen der Farbigkeit und Oberflächenstruktur. Glas dagegen verändert sich langsamer und fast unmerklich. Je mehr Wissen jedenfalls über Holz verloren geht, umso geringer wird die Bereitschaft sein, sich darauf einzulassen. Am Ende des Lebens werden es dann aber doch die meisten armen Seelen wieder tun.

Holz als Werkstoff erfordert einen professionellen Umgang, der bei Glas als selbstverständlich gegeben scheint. So kann man verstehen, dass Glas weitgehend vom Image der Bretterbuden und Bastelstuben verschont bleibt.

Glas ist prägnanter, präziser und in seinem Anwendungsspektrum schärfer und klarer definiert. Holz dagegen lässt ungleich mehr zu – allerdings auch Fehler und Ungenauigkeiten. Glas ist durch nichts zu ersetzen. Holz ist durch alles zu ersetzen. Doch diese etwas verkürzte Regel kann auch umgekehrt gelesen werden: Alles kann durch Holz ersetzt werden. Mit Ausnahme von Glas.

Bei dem Versuch, beide Materialien in einen Zusammenhang zu bringen, kann ein nostalgischer Rückblick in die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein weiterer Ansatzpunkt sein. Eine in unserem kollektiven Erinnerungsfeld nachhaltig verankerte Holz-Glas-Kombination war wohl jener Radiokasten aus Holz (und später aus in Holzoptik gehaltenem Kunststoff) mit dem magischen grünlichen Glasauge und dem beschrifteten Glas, auf dem die Stationen der großen weiten Welt wie Beromünster, Brno und Luxembourg zu finden waren. Doch das war erst ein bescheidener Anfang. Den nächsten Schritt machte die Welt via Fernsehen direkt in die Nierentischwohnzimmerstuben, der Holzkasten war größer und hatte eine gläserne Mattscheibe, ein magisches Glasauge in seiner Gesamtheit. Der Fernsehapparat trat seinen Siegeszug an als ein Blickmedium, das auf den grundlegenden Eigenschaften von Holz und Glas aufgebaut war. Ein Medium, dessen Holzgehäuse gewissermaßen dem Fensterrahmen entsprach, und ein Medium, dessen Glas den Lichteinfall in den Raum steuerte. Damit wurden Holz und Glas in ihren häuslichen Anwendungsfeldern wieder einem ursprünglichen Zweck zugeführt. Im übertragenen Sinn.

12. April 2008 Robert Fabach
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Juppenwerkstatt Riefensberg

Von steifem Leinen und weichem Balkenwerk

Eine der vielen Geschichten, die immer wieder aus der Symbiose von aufmerksamer Architektur, engagiertem Handwerk und beherzten Kleinstgemeinden entstehen und die in Vorarlberg irgendwie stets gut ausgehen.

Eine der vielen Geschichten, die immer wieder aus der Symbiose von aufmerksamer Architektur, engagiertem Handwerk und beherzten Kleinstgemeinden entstehen und die in Vorarlberg irgendwie stets gut ausgehen.

Alles begann damit, dass Manfred Fitz aus Egg, der letzte Trachtenfärber im Bregenzerwald, altersbedingt seinen Betrieb schloss. Der Fortbestand der traditionsreichen Leinenjuppe, der schwarz gefärbten und hundertfach gefältelten Tracht der Bregenzerwälderinnen war in Gefahr. Die Gemeinde Riefensberg zeigte sich mit Unterstützung des Landes bereit, im Wirtschaftsteil des alten Gasthofs »Krone« eine neue Trachtenfärberei einzurichten, die für den anhaltenden Bedarf an Juppen die Stoffe liefern und Besuchern einen Einblick in den Herstellungsprozess geben sollte.

Der Bregenzer Architekt Gerhard Gruber, der seit Jahren mit großer Sorgfalt, in enger Verbundenheit mit dem Kulturraum und mit dem Wissen um das Potenzial der Bauten, um ihre Bedeutung und Integrität plant, wurde mit der Adaptierung des Wirtschaftstrakts beauftragt.

Im Untergeschoss des Gebäudes entstand die Färberei. Der ursprünglichen Raumaufteilung Rinderstall, Pferdestall und Heustock folgend, sind hier die drei wesentlichen Arbeitsbereiche Appreturküche (schwarz färben und stärken mit Leim), Glästraum (Glänzen) und Fältelraum (Plissieren*) untergebracht. Für den Umbau wurden die alten Raumkonturen nicht verändert, lediglich einige Öffnungen versetzt oder neu geschnitten.

Ein klassisches Paradox der Baukunst

Die Geschlossenheit von holzverkleidetem Speicher- und Wirtschaftsgebäude ist eine der morphologischen Grundkonstanten vieler bäuerlicher Traditionslandschaften. Die Neunutzung der Tenne eines Bregenzerwälderhauses als Schauwerkstatt und Präsentationsraum für ein Trachtenfärbemuseum verlangt aber nach Licht und Öffnung. Beim unbefriedigenden Versuch, in den geschlossenen Baukörper des Tennengebäudes Fensteröffnungen einzuschneiden, entstand die Idee, die gesamte Giebelseite in eine homogene Glasfront zu verwandeln. Große Strukturglastafeln in esg-Qualität im Format von 200 x 76 cm wurden schließlich als zartes Glaskleid über die kräftigen Versalien historischer Zimmermannskunst gespannt. Eine wohlgesetzte Hausbeschriftung führt diese grafisch lineare Anmutung logisch weiter.

Von der Geschlossenheit zur Homogenität

Ursprünglich war die Verwendung stransparenter Kunststoffplatten geplant gewesen, schließlich wurde aber eine Glaskonstruktion realisiert. Möglich war dies durch die Zusammenarbeit mit dem Glas- und Metallbauer Rudolf Meier aus Bezau. Im Wissen um seine Kompetenz vertraute man ihm die Details der Ausführung an. Das Resultat war ein Glashalterungssystem, das horizontal geschuppt ist und dessen senkrechte Fugen mit Silikon abgedichtet sind.

Inhalt und Gehäuse

Aus Gründen der Ökonomie in Bau und Betrieb entschied man sich dafür, den Gesamtraum nicht zu temperieren und die Juppenwerkstatt saisonal zu betreiben. Dies erleichterte den Umgang mit dem Bestand und führte zu einer synchronen Präsentation von Inhalt und Gehäuse. Die neu gewonnene Lichtfülle zeigt die herbe Schönheit des Bestands. Alt und Neu treten als Gebrauchsarchitektur auf und thematisieren zugleich Handwerk und Konstruktion. Die Dachuntersicht im Streiflicht lässt sich als handwerkliche Arbeit, aber auch als ästhetische Struktur lesen. Ähnlich verhält es sich mit dem unbehandelten, meist sägerauen Tannenholz der Möbel und Einbauten.

Die Nähstube

Dem Anliegen des Trachtenverbands nach einem ganzjährig nutzbaren Platz für Nähkurse entsprach der Architekt mit einem frei eingestellten, wärmegedämmten und abgeschlossenen »Raum im Raum«. Großzügige, mit Edelstahlhaltern geklemmte Isolier-Verglasungen an den Längsseiten machen ihn selbst zur Vitrine für die Schaustücke im Inneren.

Diese eingestellte warme Stube übernimmt auch für die Fassade eine wichtige Funktion. Decke und Boden steifen über massive, aber diskrete Stahlflansche die Holzkonstruktion der Giebelwand so aus, dass die daran befestigte Glasfassade nur minimalen Verformungen ausgesetzt ist, denn selbst die massiven Querschnitte der historischen Zimmermannskonstruktion waren insgesamt für den Glasbau zu weich. Rudolf Meier bestand sogar auf einem geprüften Nachweis der maximalen Durchbiegung für die neue Konstruktion.

Nach dem Wesen seines Projekts gefragt, meint Gerhard Gruber, die Juppenwerkstatt entspräche dem Versuch, der Musealisierung der wertvollen Bregenzerwälder Tracht, dem Dickicht und dem Staub von Jahrzehnten entgegenzuwirken und den Dialog zwischen Tradition und Fortschritt in Gang zu halten.

* Die in Riefensberg aufgestellte Plissiermaschine wurde von einem Bregenzerwälder Schlosser in jahrelanger Handarbeit gebaut, nachdem er eine auf der Pariser Weltausstellung 1889 ausgestellte Maschine detailgetreu abgezeichnet hatte, und ersetzt seither das sonst sehr aufwändige »Fälteln« von Hand.

16. März 2008 Eva Guttmann
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Ring House

Holz und Glas zum Wochenende

Eine Restfläche am »Owners Hill«: Schattig und feucht, steil, dicht bewachsen, ohne Aussicht und an zwei Seiten von einer Straße begrenzt. So lässt sich das Grundstück beschreiben, an dem TNA-Architekten (Makoto Takei und Chie Nabeshima) ein Wochenendhaus gebaut und damit einen freundlich-verwunschenen Ort geschaffen haben.

Sommer in Japans Hauptstadt: das bedeutet Hitze und Smog. Wer es sich leisten kann, der hat ein Ferienhaus in einem der kühlen, schattigen Wälder außerhalb, am besten in der Umgebung von Karuizawa, dem Bad Ischl von Tokio, mit dem Shinkansen in eineinhalb Stunden erreichbar. Hier befindet sich auch das »Owners Hill«-Resort, ein bewaldetes Gebiet, in dem hunderte von Wochenend- oder Ferienhäusern locker verteilt zwischen den Bäumen stehen. Die meisten der Grundstücke verfügen über eine gute Aussicht, viel Ruhe und waren binnen kürzester Zeit verkauft. Eines blieb aufgrund seiner Lage und Topografie jedoch übrig, weshalb der Developer die TNA-Architekten mit dem Bau eines Wochenendhauses beauftragte, in der – wie sich herausstellte, berechtigten – Hoffnung, dann einen Käufer dafür zu finden.

Die jungen Architekten errichteten einen Turm aus Glas und Holz, eine horizontal geschichtete Struktur aus transparenten und opaken Bändern, die übereinander zu schweben scheinen. Keine vertikalen Elemente sind auf den ersten Blick sichtbar, keine Geschosse unmittelbar unterscheidbar. Das Gebäude ist eine transparente, visuell aufgelöste Hülle auf einer quadratischen Grundfläche von ca. 6 mal 6 Metern und wurde an der höchstmöglichen zur Bebauung geeigneten Stelle des Grundstücks so positioniert, dass lediglich drei Bäume gefällt werden mussten. Durch den Bau eines Turms erreichten die Architekten nicht nur, dass kaum Grundfläche verbraucht wurde, sondern auch, dass das Gebäude – zugleich hermetisch in seiner Form und völlig offen in seiner Durchsichtigkeit – ganz selbstverständlich zwischen den Bäumen steht, als eines von vielen vertikalen Elementen am Grundstück, dessen »Erklimmen« parallel zu den Stämmen möglich ist. Der Wald ersetzt die fehlende Aussicht, der durch nichts unterbrochene Rundumblick in die Baumkronen eine nutzbare Freifläche.

Neben den Materialien unterstützen die Farben Schwarz und Weiß die Gesamtwirkung des Gebäudes: Durch die dunklen »Holzringe« und die Spiegelung des Glases bei Tag verschmilzt der Baukörper mit seiner Umgebung, die hellen Oberflächen im Inneren treten in den Hintergrund. Am Abend reflektiert die weiße Innenseite der Fassadenbänder das Licht im Haus wie der Schirm einer Lampe – das Gebäude wird zur Laterne im Wald.

Die Konstruktion des Ring-Hauses zielt darauf ab, den sehr reduzierten, schwebenden Eindruck der einander abwechselnden Schichten möglichst ohne störende Elemente umzusetzen. Daher werden alle Funktionen wie Küchenzeile, Geschossdecken, Treppenpodeste oder Sanitäreinheiten hinter den aus Brettschichtholz vorgefertigten, je nach dahinterliegender Funktion unterschiedlich hohen Vierendeelträgern verborgen. Diese sind ohne zusätzliche Diagonalaussteifung biegesteif mit den schlanken Stehern verschraubt, außen gedämmt und mit einer dunklen Zedernholzschalung verkleidet. Die rundumlaufenden Glasbänder werden pro Geschoss von zwei bis drei Lüftungsflügeln unterbrochen, welche den Gesamteindruck einer extrem reduzierten Fassade jedoch kaum beeinträchtigen. Sowohl die Rahmen der beweglichen Fenster als auch die Scheiben der Fixverglasungen sind oben direkt in die genuteten Brettschichtholzträger und unten auf die Wetterschenkel geklebt. Die Lastabtragung erfolgt über eine Klotzung unter den Wetterschenkeln, die ihrerseits mit den Vierendeelträgern verschraubt sind.

Ein massiver Sockel trägt das dreistöckige Bauwerk, das über eine Brücke im ersten Geschoss erschlossen wird, welche im Inneren des Gebäudes in eine frei eingehängte, leichte Treppe übergeht. Diese führt bis aufs begehbare Dach, wo man endgültig auf Augenhöhe ist mit den Bäumen.

12. April 2008 Karin Tschavgova
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Ansichten und Durchblicke

Es gibt sie auch unter den Architekten: die Grübler und die Macher. Letztere halten sich nicht lange mit Grundsätzen auf, sondern denken pragmatisch und zielgerichtet. Form folgt der Funktion und die Anmutung eines Bauwerks eher einem gewünschten Bild als einer intellektuellen Haltung. Gerhard Mitterberger zähle ich zu dieser Gruppe. Seine Architektur scheint in direktem Bezug zu seiner Heimat Osttirol zu stehen. Die schroffe Natur der Berge, das raue Klima und die Kargheit der älplerischen Sprache haben nicht nur den Menschen geprägt, sondern beeinflussen auch seine Bauten. Sie sind was sie sind (und zeigen): geradlinig, kantig und robust, nie geschwätzig, aber auch nie ausdrucksschwach.

In Matrei hat der Architekt einen Bauauftrag abgewickelt, der ganz nach seinem Geschmack gewesen sein muss: eine klar umrissene Aufgabe, widrige Umstände. Einem Landarzt folgen seine Kinder in der Berufswahl. Der Sohn wird Physiotherapeut, eine Tochter Zahnärztin, die zweite Allgemeinmedizinerin, ihr Mann ist Internist. Gemeinsam beschließen sie, die in den 1970ern an das traditionelle ländliche Wohnhaus angebaute Praxis des Vaters zu einem medizinischen Zentrum mit vier Praxen auszubauen. Bedingung ist, dass die Bautätigkeit die Ordination des Vaters nicht langfristig stoppen darf.

Das Konzept des Architekten beruhte darin, den Bestand im Erdgeschoss auf drei Seiten und im Untergeschoss, dessen talseitiger Gebäudeabschluss aufgrund der Hangneigung schon über Terrain liegt, zweiseitig zu umbauen. Auf das dadurch erweiterte Eingangsgeschoss wird die neue Wohnung für den Sohn als leichter Holzständerbau aufgesetzt, bündig mit der neuen Straßenfront.

Was früher außen lag, wird jetzt zum Kern, in dem der Betrieb weiterläuft. Die Erweiterung lässt ein Volumen entstehen, das größer ist als das Tirolerhaus daneben. Der Architekt hat keine Bedenken, den Zubau bis unters flach geneigte Dach des Wohnhauses abstandslos anzuschließen. Er assoziiert ihn mit einem riesigen Stein, der an dieser Stelle fallengelassen wurde, mit einem Felsbrocken, der hier zur Ruhe kam.

Dementsprechend bildet Gerhard Mitterberger die Fassaden des Anbaus aus – der Eindruck einer homogenen Oberfläche soll erzeugt werden. Die geschossweise differenziert ausgebildeten Außenwände – unten Beton, darüber die leichte Riegelwandkonstruktion des Ständerbaus – werden mit großformatigen Laminatplatten verkleidet, die in Farbe und Oberflächenstruktur einer mit Holz geschalten Betonwand entsprechen.

Fensteröffnungen nimmt man meist als Fassadeneinschnitte wahr, weil Rahmen und Flügel zurückgesetzt sind. Dies hätte jedoch die glatte Oberfläche der Fassade und somit deren körperhafte Wirkung beeinträchtigt. Der Architekt setzt daher die Verglasungen so, dass sie – aus einiger Distanz betrachtet – in einer Ebene mit den witterungsbeständigen Platten zu liegen scheinen. Wie bei vorangegangenen Bauten, etwa dem Gemeindezentrum in St. Nikolai im Sausal (Steiermark), sieht er Fensterbänder und Oberlichten vor, die weitgehend aus Fixverglasungen bestehen, in die Rahmen mit Lüftungsflügeln eingeschnitten sind. Die fixen Gläser werden ausnahmslos ohne Rahmen in den Falz eines Anschlagholzes geklebt, obwohl sie an der Außenseite der Fassade liegen. Den Witterungsschutz stellt Mitterberger her, indem die Fassadenplatten über den oberen Glasanschluss reichen. Am unteren Fensterabschluss zieht er wiederum die äußere der beiden Scheiben der Isolierverglasung über das Anschlagholz und die Schnittkante der nächsttieferen Fassadenplatte. Gläser und Platten sind dergestalt von oben nach unten geschuppt und schützen die jeweiligen Anschlussstellen.

Sämtliche Details scheinen technisch ausgereift, sind jedoch wie immer bei Gerhard Mitterberger einfach und unprätentiös. Das gilt in der Regel auch für die Materialien, die der Architekt bevorzugt verwendet: unveredelte Industrieprodukte, robust, manchmal rau bis derb. Mitterberger mag Überinszenierungen nicht und er erreicht auch mit weniger mehr.

12. April 2008 Karin Triendl
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Sunken House

Schmuckkästchen in Schwarz

David Adjaye, gefeiertes Talent der jungen englischen Architektenszene, agiert an der Grenze von Kunst und Architektur. Seine Beschäftigung mit Maßstab, Raum und Licht hat zu Kooperationen mit Künstlern wie Olafur Eliasson geführt und ihm einzigartige Aufträge für eine ausgewählte Klientel eingebracht.

Kürzlich hat er im Londoner East End eine ganz besondere schwarze Box inmitten gregorianischer Ziegelbauten realisiert. Holz und Glas spielen dabei die Hauptrollen, treten aber aufgrund der sorgfältigen Detaillierung bewusst in den Hintergrund. Auftraggeber und stolzer Eigentümer ist ein befreundeter Fotograf – mit eine Erklärung, warum das Projekt ganz dem Spiel von Licht und Schatten gewidmet wurde.

Die 150 m² Nutzfläche verteilen sich auf drei Geschosse. Küche, Esszimmer und Studienzimmer befinden sich im Untergeschoss, auf einer Ebene mit dem abgesenkten Innenhof. Dieser private Außenraum bietet Schutz vor neugierigen Nach- barn und lässt sich im Sommer bequem als zweiter Wohnraum nutzen. Die Eingangsebene liegt auf Straßenniveau und ist mit einer innen- und einer außenliegenden Holztreppe an die übrigen Räume angebunden. Im Obergeschoss zeigen sich die großartigen Fensteröffnungen von ihrer besten Seite, sie lassen das Licht bis tief in den Raum fallen.

Weiße Wände und ein weiß beschichteter Kunstharzboden bieten dafür die ideale Projektionsfläche. Von außen betrachtet wirkt der einheitliche Baukörper wie aus einem Stück Holz gefertigt. Treppen, Brüstungen, Lüftungsöffnungen und Türen sind camouflageartig in die schwarz gestrichene Holzoberfläche integriert. Durch die konsequent einheitliche Materialisierung der Freiräume lässt Architekt Adjaye das Haus in sich selbst versinken. Sogar die Dachfläche ist mit einer Hülle aus schwarzen Holzlatten verkleidet und fungiert als Aussichtsplattform über den Dächern von East London.

Hinter der vorgehängten Holzfassade versteckt sich die tragende Konstruktion aus Massivholzelementen. Das Büro kooperierte mit dem Londoner Unternehmen Eurban, das sich auf vorgefertigte, qualitativ hochwertige Wohnhäuser spezialisiert hat. Die gesamten Bauteile, inklusive Außenhaut und allen Öffnungen, wurden in Deutschland zugeschnitten und vorbereitet. Damit konnte der Rohbau in nur zwei Tagen errichtet werden. Tragende Wand- und Deckenelemente wurden aus Fichtenholz gefertigt, für die Außenhaut wählte der Architekt mit Leinöl behandelte Lärche.

Scheinbar mühelos überwinden Glasanschlüsse die Konstruktionstiefe des Holzbaus und lassen Fixverglasungen sowie Fensteröffnungen selbstbewusst in einer Ebene mit Fassade und Dach erscheinen. Das Glas wurde in einen Stahlrahmen geklebt und bündig bis an die Außenfassade geführt. Obwohl mit herkömmlichen Verbindungen gelöst, erfüllen die angewendeten Details doch in erster Linie ihren Zweck und unterstützen die Homogenität des Baukörpers. Aufgrund der gewählten Tragkonstruktion aus Massivholzelementen musste keine Rücksicht auf Spannweiten, Balken oder Stützen genommen werden. So konnten alle Öffnungen frei positioniert werden und folgen höheren Kriterien wie Ausblick und Himmelsrichtung. Es entstand für jede individuelle Situation die dazu passende Öffnung.

Der fantastische Blick nach Westen, auf benachbarte Gärten mit großen alten Bäumen, hinter denen die Sonne untergeht, wurde in ein fix verglastes Panoramafenster gerahmt. Eine technisch mutig gelöste Überkopfverglasung bringt den Himmel über der Stadt mitten in den Arbeitsraum des Hausherrn. Die transluzente Verglasung im Schlafzimmer mit Blick auf die Bambusgewächse des Nachbarn schafft dramatische Schattenspiele.

David Adjaye versteht es wie kein anderer, durch das Spiel mit Kontrasten und Materialien eine sinnliche und konzeptionelle Wirkung zu erzeugen. Die Kargheit des versunkenen Hauses mag irritieren und wird wohl gemeinhin nicht als »schön« bezeichnet. Bei genauerem Hinsehen aber erschließt sich ein sensibel in das Stadtgefüge integriertes Schmuckkästchen.

16. März 2008 Eva Guttmann
zuschnitt

Kleben statt klotzen

Vom Auto zum Haus

Das Verkleben von Holz und Glas ist eigentlich nichts Neues. Wenn der Glaser die zu Bruch gegangene Scheibe eines gewöhnlichen Kastenfensters ersetzt, dann »klebt« er das neue Glas mit Fensterkitt in den Rahmen. Erst seit dem Aufkommen moderner Isolierverglasungen und Fensterprofile wird Kitt nur mehr für Reparaturen oder Sanierungen verwendet.

Die heutige Klebetechnologie wurde jedoch zuerst für den Fahrzeugbau entwickelt und die Scheiben von Bussen, später auch Waggons, Autos, LKWs etc., mit der Karosserie elastisch verklebt, wodurch die Anschlussstellen dauerhaft abgedichtet waren, Korrosionsanfälligkeit und Gewicht gesenkt werden konnten und – vor allem – die Gesamtsteifigkeit der Karosserie deutlich erhöht wurde. Grund dafür ist die hohe Druckbelastbarkeit von Glas, die dann ihre Wirkung entfaltet, wenn die Lasteinleitung nicht punktförmig, sondern linear über den gesamten Glasrand erfolgt.

Fenster ohne Aussicht?

Die statischen Eigenschaften von Glas sind jedoch nicht nur im Fahrzeugbau von Vorteil, sondern können auch bei Fenstern, Fassaden und Balken »zum Tragen« kommen. Der Impuls, entsprechenden Möglichkeiten nachzugehen, kam ursprünglich von den Holzfensterherstellern: Mit einem Anteil von ca. 30% spielt das Holz- bzw. Holz-Alufenster in Österreich zwar eine im Vergleich mit anderen europäischen Ländern relativ bedeutende Rolle, trotzdem gehen die Marktanteile seit Jahren konstant zurück. Die Fensterindustrie reagierte auf diese Entwicklung mit Innovationsschüben und brachte z.B. Produkte mit höherer Dauerhaftigkeit und/ oder verbessertem Wärme- und Oberflächenschutz in neuartigen Materialkombinationen heraus, die jedoch auch Mehrkosten bedingten. Mit der Adaptierung der Klebetechnologie für den Fensterbau eröffnen sich nun unter gestalterischen und produktionstechnischen sowie wirtschaftlichen Aspekten neue Aussichten für die Fenstererzeuger und ihre Kunden.

Die Technologie

Um Glas in einem Holzrahmen zu verkleben, können elastische und semielastische Ein- und Zweikomponentenklebstoffe etwa auf der Basis von Silikonen, Polyurethanen und Acrylaten verwendet werden. Die Wahl des Klebesystems muss der jeweiligen Anwendung entsprechen. Dabei spielen u.a. die Lage der Klebstofffuge innerhalb der Fenster-/ Fassadenkonstruktion, die statische Beanspruchung, die Verträglichkeit mit den umgebenden Materialien und die Fertigungsbedingungen (v.a. die Aushärtungscharakteristik) eine große Rolle. Die Anforderungen an den Klebstoff beinhalten außerdem die Aufnahme von Winddruck- und -sogkräften, Haftfestigkeit auf verschiedenen Untergründen (unterschiedliche, behandelte oder unbehandelte Holzarten), Beständigkeit in Bezug auf mechanische, chemische und klimatische Bedingungen (Luftfeuchtigkeit, Temperatur, uv-Strahlung) sowie – falls erforderlich – die Abtragung des Eigengewichts der Scheibe bzw. der Bauteilaussteifung.

Fenster am Markt

Bisher stellen geklebte Konstruktionen im Bereich des Fensterbaus eine von den Regelwerken noch nicht beschriebene Variante dar. Trotzdem sind bereits mehrere, im Detail unterschiedlich gelöste, geprüfte Produkte auf dem Markt. Sie alle funktionieren auf Basis einer in den Glasfalz oder auf den Flügelteil geklebten Glasscheibe, die dadurch sowohl das Holz vor Bewitterung schützt als auch die Aussteifung des Rahmens in Flügelebene übernehmen kann, weshalb einfachere Flügeleckverbindungen möglich werden. Daneben ersetzt die Klebetechnik Aufgaben, die bisher durch Klotzung, mechanische Befestigung und Abdichtung erfüllt wurden, wodurch das »Klebefenster« ein im Vergleich einfacher, kompakter Bauteil mit bauphysikalischen Vorteilen ist. Formale Folgen sind geringere Rahmenbreiten, also größere Glasflächen und mehr Transparenz sowie die Möglichkeit einer fassadenbündig gesetzten Glasebene.
Forschungsfeld Fassaden

Wie oben beschrieben, wird Glas als Aussteifungselement seit langem erfolgreich in der Autoindustrie eingesetzt. Diese Technik kann direkt auf den Holzskelettbau übertragen werden und zusätzliche Windverbände oder massive (Holz)Wandscheiben zur Gebäudeaussteifung überflüssig machen. Durch die linienförmige Lasteintragung ist das elastische Kleben die optimale Verbindungsmethode zur statisch wirksamen Integrierung einer Scheibe in eine Primärkonstruktion aus Holz. Die Kraftübertragung erfolgt gleichmäßig, Bauteilquerschnitte werden nicht durch Bohrungen o.ä. geschwächt. Da es jedoch bisher – abgesehen von vereinzelten Bauwerken mit behördlicher Sondergenehmigung – keine ausreichenden Erfahrungen in der baupraktischen Anwendung von aussteifenden Glasfassaden gibt, hat die Holzforschung Austria auf Grundlage vorhandener Ergebnisse der fh Bern und des ift bzw. der fh Rosenheim ein Forschungsprojekt zum Thema umgesetzt. Dabei kommen die Fachleute zu dem Schluss, dass die Holz-Glas-Verbundbauweise zur Aussteifung von Wintergärten und großen Fassaden unter Verwendung elastischer und semi-elastischer Klebesysteme geeignet ist und im Holzhausbau angewendet werden kann. Weitere Untersuchungen bezüglich statischer Bemessung, Langzeitverhalten der Verklebung und Einfluss klimatischer Randbedingungen laufen derzeit.

Der durchsichtige I-Träger

Eine andere Einsatzmöglichkeit eines geklebten Holz-Glas-Verbundes wurde an der ETH Lausanne entwickelt. Dabei handelt es sich um I-Träger mit Holzgurten und einem Glassteg, die einerseits materialsparend sind, andererseits weitgehend transparente Tragsysteme erlauben. Die Wissenschaftler können für ihre Untersuchungen auf ein realisiertes Projekt zurückgreifen: Das Hauptgebäude des Hotel Palafitte in Monruz wurde mit Holz-Glas-Verbundträgern realisiert und dient als Grundlage für Erkenntnisse über die mögliche Biegebeanspruchung von vorgespanntem, mit Holz »bewehrtem« Glas.

16. März 2008 Wolfgang Pöschl
zuschnitt

Gute Fügung

Glas und Holz sind in den letzten 20 Jahren von ausfachenden, sekundären Baustoffen zu eigenständigen, unverzichtbaren Stimmen im Konzert der Materialien geworden.

Die Architektur der Moderne hat nach dem Ersten Weltkrieg neben dem traditionellen Fenster, einem Loch in der Wand eines geschlossenen Raumes, die Vorstellung des »offenen« Raumes mit einem fließenden Übergang zwischen Innen und Außen formuliert; große Teile der Außenhülle sollten räumlich offen und klimatisch doch abschließbar sein. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts konnte die Glastechnologie diesen Wunsch auch in unseren Breiten erfüllen; Glas wurde vom Rahmenfüller zum vielschichtigen und vielseitigen Raumabschluss. Diese stürmische Entwicklung hat das Bauen revolutioniert und in vieler Hinsicht das konstruktive Denken überholt.

Holz war lange Zeit das einzig praktikable Rahmenmaterial für öffenbare Fenster. In bewitterten Fassaden verschwand es hinter dicken Farbschichten und wurde zuletzt immer mehr von Kunststoff und Metall verdrängt. Beim Aufkommen von Glasfassaden war das konstruktive Denken noch ganz in der Vorstellung des Fensters als Loch in der Wand verhaftet. Eine Glasfassade funktionierte wie ein riesiges, fast zur Gänze fix verglastes Stahl- oder Alu-Fenster. Die schwierige Bearbeitung und die mit dem Einsatz von Metallwerkstoffen verbundenen thermischen Probleme führten zu komplex geformten, sehr dünnwandigen Metallprofilen und hoch komplizierten Kunststoffverbindungen. So sank die statische Belastbarkeit und es entstanden extrem teure, plumpe Systeme, die selbst immer mehr zum Problem wurden.

Durch thermisch taugliche und uv-beständige Glasrandverbunde erübrigen sich Halte- und Deckleisten inzwischen weitgehend; das Glas wird zur idealen geschlossenen Außenhaut. Die statische Verbesserung des Randverbundes ermöglicht problemlos großflächige Verglasungen ohne jede Aussteifung. Den Traum der klassischen Moderne von einem optisch fast verschwindenden klimatischen Raumabschluss kann Glas längst rahmenlos erfüllen.

Auf der Seite des Holzes hat sich in den letzten Jahrzehnten ebenfalls sehr viel getan; die technische Holztrocknung und insbesondere die Verleimung von Brettlamellen zu Brettschicht- und Brettsperrholz haben Holz zu einem belast- und berechenbaren Konstruktionsmaterial gemacht, das gleichermaßen als Stab und Fläche zu verwenden ist. Eine vertikale Tragstruktur aus Holz macht eine eigene Tragstruktur für die Glasfassade meist überflüssig. Die Holzstützen können direkt verglast werden; bei der Verglasung liegt Randverbund an Randverbund und es entsteht die thermisch optimierte, geschlossene Außenhaut. Die Tragkonstruktion verschwindet von außen hinter der spiegelnden Glasfläche und ist vor Bewitterung auch ohne Oberflächenbehandlung des Holzes perfekt geschützt.

In einigermaßen wettergeschützten Lagen besteht auch die Möglichkeit, die Verglasung der einzelnen freien Felder zwischen den Stützen mit Deckbrettern in der Breite der Stütze zu halten, sodass die Tragstruktur optisch von der Glashaut durchdrungen wird und außen sichtbar bleibt; dabei kann die tragende Stütze je nach beabsichtigter Wirkung außen oder innen liegen. Durch die thermischen Eigenschaften von Holz können Dächer aus Brettschicht- oder Brettsperrholz einfach über die Glashülle hinweg von innen nach außen geführt werden, was eine elegante Wiedergeburt des Vordaches mit sich bringt.

Wo es eine statische Primärstruktur gibt, die entweder überhaupt nicht in der Nähe der Fassade liegt oder die für eine direkte Verglasung zu große Felder aufweist, eröffnet sich ein weiteres Einsatzgebiet für Holz-Glas-Fassaden. Holzwerkstoffe können als Stäbe oder Flächen genau im notwendigen Ausmaß und an den richtigen Stellen als Aussteifung dienen. Es gibt keinen Zwang, Rahmen zu formen, wobei die leichte Bearbeitbarkeit von Holz Anpassungen und einfachste Befestigungen ermöglicht. Durch die bauphysikalischen Eigenschaften des Holzes entfällt die Kondensationsproblematik, wie sie bei Metallen auftritt. Von dieser minimalen, exakt der Notwendigkeit angepassten Aussteifung einer Glashülle führt der Weg weiter zu einer vielfältigen Differenzierung und Gestaltung der Raumzone zwischen Innen und Außen. Jeder kennt vermutlich aus seiner Kindheit die Besonderheit dieses Platzes am Fenster. Der Über- gang von der Fassade(nkonstruktion) zum Möbel ist fließend. Das einfallende Licht wird durch ein »Fassadenmöbel« umgelenkt, abgeschattet, getönt und so in fast unerschöpflichen Variationen gestaltet. Ein eigenes Thema ist das öffenbare Fenster in einer Glasfassade. Da jede Art von Fensterflügel ihre Stabilität ausschließlich aus einer richtig verklotzten Verglasung bezieht, geht es beim Fensterrahmen eigentlich nur darum, die Dichtungen und Beschläge am Glas zu befestigen; eine Aufgabe, die im Idealfall auch der Glasrandverbund selbst übernehmen könnte. Viele Kunststoff- und Metallfenstersysteme erschweren bei aller Kompliziertheit einen simplen und direkten Einbau in eine Glasfassade, weil sie aus schließlich von den Anforderungen eines in einer massiven Wand eingeputzten Fensters ausgehen. In wettergeschützten Bereichen kann dagegen ein Holzfenster durch einfache, zusätzliche Fälze im Stock sehr gut in eine Glasfront integriert werden.

Auch eine Hebeschiebetür aus Holz kann durch Weglassen des umlaufenden Stocks als innen oder außen laufender Schiebeflügel funktionieren; statt des Stocks werden Leisten mit Dichtungen auf die vertikalen Kanten der angrenzenden Verglasung geklebt.

Holz ist als wertvolles Material mit natürlichen Hightechqualitäten dazu prädestiniert, in direkter Verbindung mit Glas die Lücke zwischen dem Glas als »Verschwindematerial« und dem Fenster als Loch in der Wand im wahrsten Sinne des Wortes »räumlich« zu schließen; nach vielversprechenden Anfängen liegt hier noch ein weites Feld vor uns.

16. März 2008 Eva Guttmann
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Nach außen offen

Christian Walch im Porträt

Was haben Alfred Gusenbauer und der Vorarlberger Christian Walch gemeinsam? Sie wussten schon im Kindergartenalter ganz genau, was aus ihnen einmal werden sollte. Und während der eine von seiner Karriere als Bundeskanzler träumte, wollte der andere dezidiert Tischler werden. Doch Christian Walch ist heute nicht nur Tischler, sondern auch Zimmermann und Architekt, Erfinder und Visionär. Diese Entwicklung war wohl immer schon absehbar, hat jedoch auch einen konkreten Beginn: Anfang der 90er Jahre nahm sich Christian Walch ein Jahr Auszeit, das er dazu nutzen wollte, zu recherchieren, zu lernen und zu forschen, um danach »große Möbel«, also Häuser bauen zu können. Aus dem einen wurden drei Jahre und die Studien umfassten vor allem die Auseinandersetzung mit den Themen Holz, Ökologie, Energie, aber auch Technik, Konstruktionssysteme und – als zweites wichtiges, weil im Hausbau unumgängliches Material – Glas.

Das erste Projekt nach dem »Wiedereinstieg« war ein Einfamilienhaus in Nüziders und zugleich wurden damit die Maßstäbe seines Anspruchs festgelegt: Die Pläne waren gezeichnet, die Baubewilligung erteilt, als Walch den Umsetzungsprozess stoppte, den Entwurf völlig überarbeitete und erst dann das Haus baute, das schließlich zum Sieger des damals zum ersten Mal veranstalteten Vorarlberger Holzbaupreises in der Kategorie Einfamilienhäuser gekürt wurde. Diese Geschichte sagt viel über die Persönlichkeit Christian Walchs aus, die sich durch Anspruch, Leidenschaft und Konsequenz auszeichnet, getrieben von der Überzeugung, eine Idee auch umsetzen zu können. Eine Lebenseinstellung, die sich in seinen Entwürfen widerspiegelt.

Zu einer der ältesten Visionen Christian Walchs gehörte die Idee vom Holzfenster, das sich, wie früher üblich, nach außen öffnet und trotzdem allen bauphysikalischen und technischen Anforderungen gerecht wird. Vorbilder gab es in Skandinavien, daneben die Vorstellung von einem Raum, der nicht durch einen nach innen aufschwingenden Flügel beeinträchtigt wird. Als im Zusammenhang mit einer konkreten Bauaufgabe keine der angefragten Fensterfirmen in der Lage war, so ein Produkt zu liefern, übernahm Walch diese Aufgabe selbst und entwickelte in jahrelanger Pionierarbeit ein eigenes Ganzglasfenster: Die Glasscheibe klebt außen am Holzrahmen und deckt diesen ab, wodurch er vor Bewitterung geschützt und nahezu wartungsfrei ist. Die Konstruktion wird insgesamt schlanker, die Glasfläche im Verhältnis größer. Das Fenster, das 2007 mit dem Adolf Loos-Staatspreis für Design und dem red dot award/best of the best ausgezeichnet wurde, kann fassadenbündig montiert und nach außen geöffnet werden. Parallel dazu entstanden Beschläge, eine entsprechende Fertigungstechnologie sowie ein Fassadensystem, das nach demselben Prinzip funktioniert. Die technischen Lösungen gehen einher mit einer eleganten, reduzierten, anspruchsvollen Gestaltung, die einen achtsamen und sehr frei gedachten Zugang vermittelt.

Begleitet man Christian Walch durch seinen Betrieb, dann spürt man diese Achtsamkeit, den Idealismus und die Liebe zum Holz, die hinter allem steht. Er selbst spricht vom »tiefen Wunsch, in Holz zu den-ken und zu fühlen und die Entwicklung, die Bauherren entlang einer Entwurfs- und Umsetzungsphase machen, mitzuerleben«. Die Produktionshalle ist groß, aber nicht riesig. Sie reicht gerade dazu aus, den aktuellen Auftrag – 10.000 m² Ganzglasfassade auf geräuchertem Lärchenholz in sechs Meter hohen Einzelelementen – produzieren zu können. Manches wird außer Haus erledigt und es gibt die – teilweise schon umgesetzte – Idee für zwei weitere Hallen.

»Das Risiko muss man eigentlich ausblenden, aber trotzdem habe ich viele schlaflose Nächte hinter mir«, antwortet Christian Walch auf die Frage nach der finanziellen und emotionalen Belastung, die er zu tragen hat. Die Verantwortung für eine Firma mit inzwischen 25 Mitarbeitern ist groß, ebenso wie die Erschöpfung nach jahrelanger Pionierarbeit. Unterstützung fand und findet Christian Walch bei Partnerfirmen aus der Industrie sowie bei Institutionen aus den Bereichen der Wissenschaft und der Lehre. Er ist eingebunden in ein Netzwerk aus Forschern, dennoch hat man das Gefühl, dass er ein Einzelkämpfer ist. Dies hat wohl auch damit zu tun, dass er selbst für den Markt »erfindet« und nicht durch eine Institution oder die Entwicklungsabteilung eines großen Betriebs abgesichert ist – die Wirtschaftlichkeit muss immer wesentlicher Parameter sein. Das ist anstrengend, verleiht der Firma aber zugleich die Geschwindigkeit und Flexibilität, marktnah zu sein, auf Anforderungen rasch reagieren, auch einmal einen Schritt zurücktreten und neu beginnen zu können.

Ideen und Pläne hat Christian Walch viele, doch die meisten liegen noch in der Schublade. Zur Zeit ist er damit beschäftigt, die Fenster- und Fassadenproduktion zu optimieren, um wirtschaftlich und in großem Maßstab produzieren zu können, denn die Nachfrage ist da und gemeinsame Projekte mit Architekten wie Bothe Richter Teherani oder Delugan Meissl bestätigen ihn in seinem Weg.

Mittelfristig soll aber Ruhe einkehren, soll wieder Platz sein für Ideen und Experimente, Kreativität und auch für »große Möbel«, denn: »Architektur geht mir gut von der Hand und ist eine große Freude.«

16. März 2008 Walter Zschokke
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Fenstergeschichten

Vom Lichtschimmer zum Ausblick

Als der Psychiater und Anthropologe Paul Parin in einem Dogondorf im Nigerbogen einen Einwohner fragte, warum an seinem Lehmhaus keine Fenster seien, antwortete dieser: »Wozu Fenster. Wenn ich Licht brauche, gehe ich hinaus.« Nun, ganz so einfach war es auch bei diesem Lehmhaus nicht, dessen speziellen Typ Aldo van Eyck bekannt gemacht hatte, denn der runde Kopfteil der Küche braucht Licht zum Arbeiten und einen Abzug für den Rauch. Beidem dient die Tür zur Dachterrasse, die über einen Steigbaum erreicht wird. Eine Türe aber ist kein Fenster, auch wenn Jahrtausende lang das Einraumhaus mit nur einer Türe als Lichtöffnung ausgekommen sein mag.

Jedenfalls ist das Fenster entwicklungsgeschichtlich jünger als die Türe. Es wird dann erforderlich, wenn die Räume keine Außentüren mehr aufweisen und von innen über ein anderes Zimmer oder einen Gang zugänglich sind. Meist ging es darum, wenigstens einen Schimmer von Tageslicht in die umschlossene Finsternis zu holen. Dieses Problem hatten die Ureinwohner der nordamerikanischen Prärien nicht, denn die dünn geschabte Ledermembran ihrer Zelte war durchscheinend, wie der Forscher Maximilian Prinz zu Wied berichtet. Aber bei der Jurte der Kirgisen, wo die offene, zentrale Kuppel dem Rauchabzug und der Belichtung diente, ergab sich ein Problem, als mit Ofen und Rauchrohr gefeuert wurde und die Kuppel geschlossen blieb: Wo und wie macht man bei dem über Jahrhunderte perfektionierten Rundzelt aus Stecken und Filz ein Fenster?

In den Schlafkammern mancher Bauernhäuser unserer Vorfahren hatten die Blockwände in einer Stricklage eine nur 15 Zentimeter breite und hohe Lücke, damit man merkte, wann der Tag anbrach. Viele dieser Löcher wurden erst im vergangenen Jahrhundert vergrößert und mit einem verglasten Flügel versehen. Wenn es draußen kalt war, schloss eine Klappe den Luftzug aus, aber auch den letzten Lichtschimmer. Oft waren es auf Rahmen gespannte Schweinsblasen, die transluzent etwas Licht einließen, denn Glasscheiben waren kaum zu bezahlen. Wir finden sie zwar bei hochwertigen Sakralbauten der Romanik und seit der Gotik in Form farbiger Fenster als hohe Bilderwände. Normale Bürgersleute in ihren Fachwerkbauten nutzten die Möglichkeit von Fenstern aus Butzenscheiben, kleinen runden Scheibchen aus Glasschmelze, von Bleiprofilen in ein Wabenmuster gefasst, die dem Lichteinlass dienten. Um hinauszuschauen musste jedoch wegen der gestörten Optik der Flügel geöffnet werden. Größere Glasscheiben wurden in Manufakturen erzeugt, indem zylindrische Glasflaschen geblasen, Kopf- und Ansatzstück abgetrennt, der Mantel längs aufgeschnitten und flach ausgebreitet wurde. Größe und Format dieser Scheiben waren begrenzt durch die Lungenkraft der Glasbläser. Noch Joseph Paxton verwendete dieses »Modul« für das Dach des Londoner Glaspalasts.

Die teurere Variante, größere Flächen zu gießen, plan zu schleifen und zu polieren, war vor allem für Spiegel üblich oder dann und wann für exquisite Sondereffekte gut betuchter Bauherren. Die kleinen Formate bedingten Fenstersprossen aus Holz oder Metall, welche jedoch die neu gewonnene Durchsicht, die als Aussicht vermehrt eine Rolle zu spielen begann, zerteilten. Mit der Industrialisierung ersetzte zuerst Druckluft den menschlichen Glasbläser, dann kam das Floatglas auf. Die Formate wurden größer und länger. Und moderne Architekten interpretierten das Fenster neu. Es war nicht mehr wie bisher ein standardisiertes Belichtungselement im durchgegliederten historistischen Fassadenaufbau, sondern Teil der Raumwirkung sowie Regler der Beziehung von Innen und Außen. Wo in der Fassade das Fenster zu liegen kam, sollte von innen her bestimmt werden; das Fenster fasste oft einen bewusst gewählten Ausblick. Immer noch bestand es aus nur einer Scheibe, die viel transparenter war, weil nur zwei Spiegelungsebenen den Durchblick bremsten, halb so viel wie bei Isolier- oder Verbundsicherheitsglas. Dieser Effekt großer Glasscheiben in einigen Villen der 1920er Jahre lässt sich in Einzelfällen noch am Original oder an manchen Schaufensterscheiben nachvollziehen.

Mit der Auflösung der Mauer und der Einführung der Vollglasfassade seit den 1960er Jahren hat sich das Spiel von offen und geschlossen, jedenfalls für die großen Bürohäuser, verabschiedet. Wo nur noch Glaswände sind, gibt es keine Fenster mehr, denn es fehlt ihnen der architektonische Rahmen.

Bauwerk