Zeitschrift

werk, bauen + wohnen 1/2-09
Natürlich - künstlich
werk, bauen + wohnen 1/2-09
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen
Ist es ein angeborener Reflex unserer Zivilisation, im Natürlichen etwas Wertvolleres zu sehen als im Künstlichen? Profiliert sich da nicht zu Unrecht die Ursprünglichkeit der Natur gegenüber dem, was Menschenhand zu schaffen im Stande ist? Jute statt Plastik, klingt es in den Ohren. Doch das Künstliche muss nicht zwingend das Gegenteil des Natürlichen sein und die beiden schliessen sich nicht aus. Nicht selten ist das Künstliche im Natürlichen aufgehoben und umgekehrt. Oft kämen wir nicht in den Genuss des Natürlichen, wenn das Künstliche nicht wäre. Denn machen wir uns nichts vor: Wir kleiden uns mit künstlichen Fasern, wir essen künstlich aromatisierte Speisen, wir konsumieren künstlich erzeugte Klänge und schaffen uns mannigfache künstliche Welten. Das Künstliche hat ja auch etwas Magisches an sich. Es fasziniert, weil es die Täuschung beherrscht, geheime Wünsche des Menschen befriedigen kann und mit Illusionen Antworten auf seine Sehnsucht nach Vollkommenheit liefert. Deshalb ist die Täuschung des Künstlichen nicht per se verwerflich. Sie kann und soll auch entzücken. Einmal aufgedeckt, verliert sie ihren Zauber, und die Ent-Täuschung wird greifbar.

Bei vertiefter Prüfung, was denn natürlich und was künstlich ist, geraten wir zusehens in Schwierigkeiten: Weil Schein und künstliche Welten ohne menschliche Einbildungskraft gar nicht existieren würden, sagen uns Philosophen. Ich bilde mir ein, also bin ich, könnte man in Anlehnung an Descartes sagen. Wir haben uns längst an das Künstliche gewöhnt, ja wir können ohne das Künstliche gar nicht mehr leben. Wir gehen dem Künstlichen zuweilen auf den Leim, wir schaffen aber auch bewusst Künstlichkeit. Jedes Artefakt, alles, was der Mensch gestaltet, ist im Grunde genommen künstlich. Besondere Erscheinungen wie die Perspektive, das Trompe-l'oeil und andere Trugbilder, die Fotografie, der Film und der Cyberspace sind da nur die vordergründigsten Zeugen dafür.

Von unterschiedlichen künstlichen Welten handelt denn auch dieses Heft. Daniel Libeskinds Einkaufszentrum Westside in Bern unterscheidet sich mit seiner inszenierten Erlebniswelt gar nicht so sehr von Snøhettas Opernhaus in Oslo, das wie ein artifizieller Kristall aus dem Hafenbecken ragt und in seinem Innern imaginäre Welten auf die Bühne zaubert. Einer aussergewöhnlichen Verbindung des Natürlichen und Künstlichen begegnen wir im Zoo. Hier sollen nach menschlichen Vorstellungen künstliche Gehege und Behausungen einen möglichst Natur nahen Lebensraum für Tiere schaffen. Schliesslich verkörpert jeder gestaltete Garten oder Park die innigste Verbindung von Natur und Artefakt. Ein ganz besonderer Garten ist der Gletschergarten in Luzern. Ihn haben gleichermassen und zu unterschiedlichen Zeiten der Mensch und die Natur geformt.
Die Redaktion

Natürlich – künstlich

Christina von Braun
Das eingebildete Building Über die menschliche Einbildungskraft

Anneke Bokern
Strahlend weisser Fremdkörper Opernhaus Oslo von Snøhetta AS

Anna Schindler
Die Marx Brothers gehen baden Das Einkaufs- und Freizeitzentrum Westside in Bern-Brünnen von Daniel Libeskind

Albert Kirchengast
Mensch-Tier-Beziehungen Die Natur als Lehrmeisterin des Künstlichen im Zoologischen Garten

Nott Caviezel
Gestaltende Natur Historische Fotos vom Gletschergarten Luzern

Forum
Orte: Samir
Einfamilienhaus Sager in Beinwil am See von Darlington Meier Architekten ETH Zürich
Wettbewerb: Erweiterung der HSR Hochschule für Technik Rapperswil, Neubau Forschungszentrum
Wettbewerb: Kunsthaus Zürich
Innenarchitektur: LED: Licht ist Farbe
Zum werk-material: Zwei Werkhöfe in Pfäffikon (ZH) und Brugg (AG)
Symposium: Zur Natürlichkeit und Künstlichkeit im Werk von Dieter Kienast (1945–1998)
Ausbildung Podiumsdiskussion vom 12.November 2008 im Architekturforum Zürich
Ein Buch zur ersten Schaffensphase von Pier Luigi Nervi
Ausstellung: «Las Vegas Studio», Museum im Bellpark Kriens
Ausstellung: «Architektur beginnt im Kopf» im Architekturzentrum Wien
Architekturpreis: BSI Architectural Award
bauen rechten: Haftungsausschlüsse und ihre Tragweite bei Sicherheitsmängeln am Bau

werk-material
Hopf & Wirth Architekten, Winterthur: Erweiterung Werkhof Irgenhusen, Pfäffikon ZH
Arbeitsgemeinschaft Liechtig Graf Zumsteg Architekten/Walker Architekten Brugg: Betriebsgebäude IBB-Gruppe, Brugg AG

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Verlag Werk AG

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