Zeitschrift

Zuschnitt 33
Holz stapelt hoch
Zuschnitt 33, Plan: proHolz Austria Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Holzwirtschaft
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Was passiert mit meinem Haus, wenn die Erde bebt?

21. März 2009 - Carmen Sandhaas
Für den gewöhnlichen Mitteleuropäer sind Erdbeben etwas sehr Entferntes, etwas, worüber man höchstens in den Nachrichten liest. Und doch hat ein gewaltiges Erdbeben die prächtige Stadt Basel im Jahr 1365 in Schutt und Asche gelegt. Nun, das mag im finstersten Mittelalter gewesen sein – doch ein solch zerstörerisches Ereignis kann immer wieder auftreten; ganz abgesehen davon, dass große Teile Südeuropas, insbesondere Italien, Griechenland und die Türkei, Erdbebengebiet sind.

Gebäude, wie zum Beispiel mehrstöckige Holzbauten, müssen folglich auch in Hinblick auf solche außergewöhnlichen Einwirkungen bemessen sein. Wie aber macht man das? Woher bekommt man die Zahlen und Werte, die man braucht, um eine Erdbebenbemessung durchführen zu können? Ganz einfach, man stellt ein Gebäude aus Brettsperrholz auf einen Erdbebentisch und simuliert ein Erdbeben. Genau das wurde vom italienischen Forschungsinstitut ivalsa im Rahmen des Forschungsprojekts sofie (Sistema cOstruttivo FIEmme) getan. 250 m³ Fichtenholz aus PEFC-zertifiziertem Anbau im Trentino wurden nach Deutschland transportiert, dort zu Brettsperrholz verleimt und anschließend nach Japan verschifft. Unter großem Andrang von Experten wurde das siebengeschossige Haus (ein höheres hätte in der Prüfhalle nicht Platz gehabt) auf dem größten Erdbebentisch der Welt unter anderem den Kräften eines der schwersten Erdbeben der letzten Jahrzehnte, nämlich jenen des Erdbebens von Kobe im Jahr 1995, in Originalstärke von 7,2 nach Richter und in 3D ausgesetzt.

Die Wände und Decken des 7,5 mal 13,5 mal 23,5 Meter großen Gebäudes waren vollständig aus Brettsperrholz, verbunden mit Stahlformteilen, Nägeln und selbstbohrenden Holzschrauben. Die großen Abhebekräfte, die durch die hohe und schlanke Geometrie entstanden, wurden durch die hölzernen Wände weitergeleitet, welche mit Zugankern durch die Deckenplatten hindurch gekoppelt waren. Es waren keine vertikalen Stahltrosse von Boden bis Decke nötig, um das Gebäude zusammenzuhalten. Holz kann das ganz alleine. Die hohen Lasten, die durch den typischen Bodenaufbau von Brettsperrholz-Gebäuden entstehen, wurden mit einer Auflast von 30 Tonnen pro Stockwerk simuliert.

Die Ergebnisse der Versuchsreihen waren ausgezeichnet. Selbst nach einer ganzen Serie von gewaltigen Erdbebensimulationen blieb das Gebäude ohne bleibende Verformungen stehen. Einzelne und angesichts dieser außergewöhnlichen Einwirkung leichte Schäden waren reparabel und stellten keine Gefahr für das Gebäude und dessen fiktive Bewohner dar. Die hohen Kräfte, die durch den Erdbebentisch eingeleitet wurden, führten nicht einmal annäherungsweise zum Einsturz.

Die Konstruktion eines so großen Erdbebentisches von 15 mal 20 Metern ist allerdings eine Wissenschaft für sich. Der Tisch des National Institute for Earth Science and Disaster Prevention (NIED) in Miki bei Kobe wird von jeweils fünf Zylindern in x- und y-Richtung bewegt – und das mit einer maximalen Beschleunigung von 9 m/s2 bis zu 100 cm weit. Vertikal sind 14 Zylinder nötig, um den Tisch mit einer Geschwindigkeit von 0,7 m/s um bis zu 70 cm anzuheben. Die Zylinder haben mit einem Durchmesser von 1,8 Metern enorme Ausmaße.

Ein eigenes Gebäude wurde für die hydraulischen Maschinen gebaut. Dank dieses ganzen Aufwands können jedoch echte 3D-Belastungen und auch Kipp- und Drehbewegungen auf die zu prüfende Struktur aufgebracht werden. Insgesamt kann dieser E-Defense genannte Tisch Auflasten von bis zu 1200 Tonnen bewegen – das ist übrigens auch der Grund, warum bisher noch kein siebenstöckiges Gebäude aus Beton oder Stahl auf dem Erdbebentisch geprüft wurde: So ein Gebäude wäre schlicht und ergreifend zu schwer. (Zeitschrift Zuschnitt 33, 2009; Seite 21)

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Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Kurt Zweifelzweifel[at]proholz.at

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