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Zum Thema

Das Thema ist heiß: Energiesparen, thermische Sanierung, heizen und kühlen bewegen die bauende und sanierende Zunft spätestens seit der Förderung entsprechender Maßnahmen durch die öffentliche Hand. Inzwischen gibt es auch Unterstützung von Bundesseite, wobei die Ankurbelung der Wirtschaft (hoffentlich) nur ein Aspekt ist und die Einsparung von Energie sowie das Erreichen von Klimaschutzzielen ebenso im Fokus der staatlichen Absichten stehen.

Nachhaltige Materialien wie Holz müssen in dem Zusammenhang eine Rolle spielen, wenn sich diese Absichten nicht selbst ad absurdum führen sollen. Denn wenn zur Einsparung von (Heiz-)Energie mehr graue Energie als notwendig in die Produktion und – am Ende der Lebensdauer – in die Entsorgung von entsprechenden Dämmmaterialien gesteckt wird, dann ist der Nutzen eingeschränkt. Die Entwicklung von Maßnahmen unter der Berücksichtigung ökologischer und nachhaltiger Parameter gerade auf dem Sektor der Bestandssanierung ist in vollem Gange und wird auch in den kommenden Jahren Thema bleiben. Deshalb ist dieses Heft eine Bestandsaufnahme – in Bezug auf die aktuelle technische Entwicklung und die dokumentierten Beispiele – und soll zeigen, dass Holz eine in mehrfacher Hinsicht sinnvolle Wahl bei der Außensanierung ist.

Eva Guttmann

Zum Thema

Editorial
Text: Eva Guttmann

Zum Thema
Text: Hans Michael Offner

Essay
Text: Roland Gnaiger

Themenschwerpunkt
Ganz in Weiß – Sanierung Schmiedhof in Ebikon
Text: Michael Hanak

Zukunftsfähig – Holz und Holzwerkstoffe in der energetischen Gebäudemodernisierung
Text: Frank Lattke

Schularbeit – Sanierung, Umbau und Erweiterung der Karlshofschule in Linz
Text: Veronika Müller

Jacke wie Mütze – Sanierung eines Einfamilienhauses in Kleinengstingen
Text: Gudrun Hausegger

Förder-Stunde
Zu kurz gedacht – Eine Ökobilanz der Dämmstoffe
Text: Anne Isopp

Nachmoderne Thermokratie – Vom offenen Großraum einer industriellen Großbäckerei zu polyzentrischen Wärmeinseln
Text: Robert Fabach

Sanieren im großen Maßstab – Vier Bauträger antworten
Text: Eva Guttmann

Dichte Packung Sanierung – Dieselweg in Graz
Text: Karin Tschavgova

Sanieren mit System
Text: Eva Guttmann

Millionen Punkte für ein exaktes Bauaufmaß
Text: Anne Isopp

Seitenware
Text: Eva Guttmann, Alberto Alessi

Artikel

21. Juli 2009 Roland Gnaiger
zuschnitt

Essay

Bauen und Wirtschaften sind Tätigkeiten, die uns (allen!) ein gutes Leben (zuvor noch „Überleben“) zu sichern haben. Ist uns bewusst, dass wir dafür die Erde in gewisser Weise zu arrangieren und Stoffwechselkreisläufe in Gang zu setzen haben? Haben wir erkannt, dass sich Ökonomie in langen Zyklen bewähren muss und sich „Nebenwirkungen“ nicht zu Monstern auswachsen dürfen? Das wäre Nachhaltigkeit oder – als Begriff etwas weniger abgenützt – Zukunftsfähigkeit.

Wolf D. Prix wird unwidersprochen mit folgendem Satz zur Museumsarchitektur zitiert: „Wenn Architektur, insbesondere ein Gebäude Kunst ist, ist es sein eigenes Museum und benötigt demnach keine Kunst.“ Na gut! Braucht dementsprechend Büroarchitektur noch die Arbeit und der Wohnbau noch den Bewohner? Mit diesen Fragen rühren wir an einen neuen Höhepunkt „kultureller“ Überlagerung des Bauens und orten ein Höchstmaß an Entfremdung: eine radikale Abkehr von den Wahrnehmungen unseres Körpers und seinen Bedürfnissen, einen Sprung in die virtuellen Welten der Ideen und Ideologien. Es ist Zeit zum Gegensteuern, denn Bauen ist eine Kulturtechnik des Überlebens. Es geht um die Schaffung kontrollierter und sicherer Räume: garantiert trocken, warm, zugfrei oder kühl, feucht, schattig – jeweils in Entsprechung zu den örtlichen Klimabedingungen. In Reaktion auf diese ist das Innenklima eines Hauses zu definieren und zu kontrollieren, und dafür haben wir heute ein Know-how von historisch unvergleichlicher Wirksamkeit zur Hand. Der diesbezüglich erzielte, technisch absolut revolutionäre Wissensstand droht in seiner Bedeutung lediglich in einer Flut künstlich generierter Sensationen unterzugehen. Wir können heute weltweit und für jedes Klima Häuser konstruieren, die mit vertretbaren Aufwendungen und überwiegend lokalen Mitteln, außerdem ohne grob unerwünschte Folgen (somit nachhaltig) allen Menschen klimatisch und atmosphärisch wunderbare Lebensräume schaffen.

Das Haus ist jenes System, das den Austausch zwischen innen und außen selektiv (also bezogen auf die Wechselwirkung zwischen den Bedingungen wie Lufttemperatur, -feuchtigkeit, -bewegung, Licht, Sonne, Töne, Bilder etc.) und intelligent (also mit dem geringsten Aufwand und dem niedrigsten Einsatz an Ressourcen bei größter Wirkung) steuert.

Seit der flächendeckenden Verbreitung der Zentralheizung hat keine Erfindung das „System Haus“ so tiefgreifend verwandelt wie das Konzept Passivhaus. Das Passivhaus ist, nach dem Haus mit Fließwasser und Zentralheizung, der nächste große Entwicklungssprung und wird auch die Architektur vergleichbar gravierend verändern.

Heute ist ein modernes Haus ein Passivhaus oder ein vergleichbares System, das den Wärme- und Kühlenergiebedarf maßgeblich reduziert, die Innenluftqualität und teils auch den Schallschutz drastisch verbessert. In dieser Hinsicht besteht zwischen Neubau und Sanierung kein Unterschied.

Gerade wegen der heute groß angelegten Programme zum Klimaschutz muss gesagt werden: Alles, was nicht bis zu dieser Konsequenz reicht, bleibt unvollständig.

Das gilt auch für die nahezu panikartig verordneten Vollwärmeschutzmaßnahmen, die allenfalls Teil einer größer anzulegenden Strategie, eines neuen Systemverständnisses sein könnten – eines Systems, das sich aus vielen Elementen zusammensetzt: der Situation gemäße Wärmerückgewinnung und Lüftung, optimierte Dämmung und Speicherung, ein ausgewogenes Volumen-Oberflächen-Verhältnis, eine dementsprechende Orientierung, Fenstergrößen und Sonnenschutzvorkehrungen etc.

Und so wie das neue (Passiv-)Haus als intelligentes System zu konzipieren ist, muss es als „Prozess“ verstanden werden – mit einem Davor und einem Danach, also mit Blick auf alle Stoffwechselkreisläufe der Produktion und der Entsorgung. Dem Holz kommt hierbei ein besonderer Stellenwert zu. Doch die entsprechenden Systeme und Konzepte müssen von der Politik gefördert und von der (Holz-) Wirtschaft angeboten werden.

Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, besteht die beste Grundlage für weitere kulturrelevante Aspekte, ohne die Architektur nicht denkbar ist: Städtebau und Skulptur, Raumkonzeption, Ökonomie und Ästhetik.

21. Juli 2009 Michael Hanak
zuschnitt

Ganz in Weiß

Sanierung Schmiedhof in Ebikon

Es ist meist mehr als ein „Lifting“. Jedenfalls ist die Aufgabe so bekannt wie verbreitet: Bauten aus der Zeit des Wirtschaftsbooms sollen energetisch und schalltechnisch, aber auch ästhetisch auf den neuesten Stand gebracht werden. Ein Beispiel dafür ist die Wohnüberbauung Schmiedhof in Ebikon. Mitten in der Schweiz, zwischen der Touristikmetropole Luzern und dem Steuerparadies Zug gelegen, ist sie Teil des für Agglomerationsgemeinden typischen Siedlungsbreis. Ebikon entwickelte sich ab den 1950er Jahren vom Bauerndorf zur Industrie(vor)stadt. Mittlerweile auf fast 12.000 Einwohner angewachsen, setzt die Gemeinde ihren Bauboom fort. Anfang März sorgte allerdings ein Dämpfer für Schlagzeilen, als sich der Investor vom geplanten Erlebnis- und Einkaufszentrum „EbiSquare“, das mitten im Ort auf einer Landreserve des Liftherstellers Schindler entstehen hätte sollen, zurückzog – wohl infolge der aktuellen Finanzkrise.

Der Schmiedhof wurde in den späten 1960er Jahren erstellt und besteht aus einer Gruppe von fünf- bis sechsgeschossigen Flachdachblöcken, die einen offenen Blockrand bilden. Zwei in der Höhe getreppte und seitlich gestufte Zeilen mit je vier zweispännigen Stiegenhäusern fassen insgesamt 88 Wohnungen. Nach 40 Jahren Gebrauch sahen die Gebäude etwas abgenutzt und schäbig aus. Vor allem aber genügten die minimal isolierten Aussenwände den Anforderungen längst nicht mehr. Kurz: Das Haus zu sanieren war naheliegend.

Bezüglich der Lagequalität muss die starke Lärmbelastung an der verkehrsreichen Hauptstrasse vom ruhigen begrünten Innenhof unterschieden werden. Dessenungeachtet basieren alle Grundrisse auf einer rigiden Schottenbauweise (mit Abständen von 2,96 und 3,66 Metern). Von Fassade zu Fassade verlaufen tragende Wände, die eine nicht tragende Gebäudehülle in Holzbauweise ermöglichten. Zur Anwendung kamen seinerzeit gerade einmal 50 mm starke, hölzerne Fassadenelemente, die an den Längsseiten zwischen den Geschossdecken eingespannt waren. Als Wetterschutz dienten farbig beschichtete, grossformatige Faserzementplatten. Betonelemente schützten die Stirnseiten der Geschossdecken.

Ziel der Sanierung war es, die bestehenden Wärmebrücken zu eliminieren und die Isolation auf einen zeitgemässen Standard anzuheben. Damit lassen sich beachtliche Energieeinsparungen erreichen. Verbessert werden sollten auch der Schallschutz der Zimmer entlang der Hauptstrasse sowie die Belichtung vor allem der Räume zum rückwärtigen Grünraum. Im selben Zug wollte man die Balkone in einen gut nutzbaren Aussenraum umformen.

Die Architekten Lustenberger & Condrau entwickelten eine gestalterisch überzeugende Lösung, indem sie einen kompletten Ersatz der Fassade planten. Abgeleitet vom Bestand wählten sie wiederum die Mischbauweise, bei der die massive Gebäudestruktur mit einer hölzernen Fassadenhülle kombiniert ist. Die alten Fassadenelemente wurden demontiert und durch neue, insgesamt 285 mm messende ausgetauscht. Fixfertig, mit eingesetzten Fenstern, kamen die vorfabrizierten Holzrahmenelemente auf die Baustelle. Im Vergleich zu vorher handelt es sich nun um eine Holzständerkonstruktion mit einer rund acht Mal stärkeren Wärmedämmung. Auch die Deckenstirnen erhielten nun eine Dämmung. Alles wurde wieder mit hellen Faserzementplatten bekleidet, welche die Holzkonstruktion ideal ergänzen.

An nur einem Tag wurde die Fassade von drei Wohnungen ausgewechselt, die fünf darauf folgenden Tage mussten reichen, um die Wohnräume nachzubearbeiten (Gipser-, Schreiner- und Malerarbeiten sowie Fugendichtung). Dass die Mieter während der völligen Demontage der Aussenwände im Haus wohnen bleiben konnten – was völlig unüblich ist –, war einer der schwierigsten planerischen Aspekte. Pro Wohnkomplex dauerten die Sanierungsarbeiten zehn Wochen. Dieser Zeitplan erforderte freilich einigen organisatorischen und logistischen Aufwand. Die beauftragte Holzbaufirma Kost hatte das notwendige Know-how für Systembaufassaden und war dem komplexen Bauablauf gewachsen.

Das Fassadenbild hat sich verändert. Im Gegensatz zum ursprünglichen Zustand decken die neuen Fassadenelemente jeweils eine ganze Zimmerbreite und -höhe ab. Die Rafflamellenstores wurden vor statt unter die bestehende Deckenstirn montiert. Anordnung, Aufteilung und Proportionen der Fenster konnten frei gewählt werden. Damit blieb viel Spielraum, um das Erscheinungsbild und den Lichteinfall zu verbessern. Bei den geschlossenen Fassadenbereichen achteten die Architekten auf ökonomische Formate der Faserzementplatten und eine passende Fugenteilung. Neue Balkone, die nun 3 mal 4 Meter messen, sind thermisch entkoppelt vor der Gebäudehülle angebracht. Das Flachdach wurde neu aufgebaut und die Decke über dem Untergeschoss zusätzlich gedämmt.

Nach dieser Verjüngungskur präsentiert sich die Wohnbebauung mit frischem Gesicht. Mit der Aufwertung bezüglich Energieeffizienz und Wohnkomfort ging eine Transformation in der Gestaltung einher. Beibehalten blieb die Mischung in der Konstruktionsart: Der bestehende Massivbau erhielt wieder einen Fassadenaufbau aus Holz.

22. Juli 2009 Veronika Müller
zuschnitt

Schularbeit

Sanierung, Umbau und Erweiterung der Karlshofschule in Linz

Die Schulreform wird aktuell heiß diskutiert. Wie sollen sie funktionieren, die „neuen Schulmodelle“, und vor allem, was dürfen sie kosten? Aber während in der Politik die Debatten und Verhandlungen noch laufen, müssen viele Gebäude schon jetzt bearbeitet werden. Denn vor allem die Bauten aus den 1960er und 1970er Jahren stellen für Nutzer wie für Betreiber eine stete Herausforderung dar.

Die Linzer Sonderschule 4, genannt „Schule für Alle“, ist keine Ausnahme. 1961 errichtet, war sie schon längst für eine Sanierung fällig. Nicht nur in Bezug auf das Raumangebot, sondern auch hinsichtlich der Energiestandards und des Zustands der Gebäudehülle bestand Handlungsbedarf. Dass es nicht wie sonst üblich zur Einhausung des Gebäudes mit einem Wärmedämmverbundsystem gekommmen ist, macht die „Schule für Alle“ zu einem besonderen Beispiel. Denn stattdessen wurde eine durchdachte Kombination aus Umbau, Aufstockung und Energiesanierung mit vorgefertigten Fassadenelementen in Holzleichtbauweise durchgeführt.

Dieses Konzept ist zwar ungewohnt, aber nicht brandneu. Schon 2007 wurde unter großem Medieninteresse die Hauptschule und polytechnische Schule Schwanenstadt im Rahmen des Forschungsprogramms „Haus der Zukunft“ nach dem gleichen Prinzip saniert.

Das Projektteam, bestehend u. a. aus der Firma Obermayr Holzkonstruktionen, Günther Lang (Lang Consulting) und dem Achitekten Heinz Plöderl, konnte dabei erstmals nicht nur eine gesamte Schule auf den Standard eines Passivhauses (Energiekennzahlreduktion von 165 kWh/ m2a auf 15 kWh/ m2a) bringen, sondern auch die Nutzungsqualität durch den Einbau einer Lüftungsanlage deutlich anheben und das Tages- und Kunstlichtkonzept optimieren. Die Verbesserung der Ökobilanz durch die Nutzung nachwachsender Rohstoffe und die Etablierung zeitgemäßer funktionaler wie architektonischer Standards waren weitere Benefits. Eine begleitende Forschungsarbeit, u. a. inklusive der Simulation des thermischen Gebäudeverhaltens, konnte darüber hinaus belegen, dass diese Art der Sanierung Mehrkosten von 13 Prozent (für Passivhausstandard, Lüftungs- und Lichtkonzept) mit sich bringt, die unter Berücksichtigung einer rascheren Amortisation durch geringere Betriebskosten wirtschaftlich vertretbar sind. Die höhere Konzentrationsfähigkeit der Schüler, die kürzere Bauzeit und der Einsatz von ökologischen Baumaterialen sind nur einige weitere Faktoren, die dieser Zahl gegenüberstehen. Letztendlich handelt es sich bei diesen Kosten eigentlich nicht um Mehrkosten, sondern um Mehrleistungen, die investiert wurden.

Die Vorarbeit war also geleistet, doch während Schwanenstadt im relativ geschützten Rahmen eines Pilotprojektes realisiert wurde, ist die Sanierung der „Schule für Alle“ gewissermaßen ein Test für die Alltagstauglichkeit dieses Systems. „Von Anfang an war klar, dass der Kostenrahmen für dieses Projekt sehr eng gesteckt ist“, berichtet Irene Prieler, eine Hälfte des Architektenduos grundstein®, das mit dem Entwurf beauftragt wurde. „Es war uns trotzdem wichtig, nicht nur die thermische Sanierung zu berücksichtigen, sondern zusätzliche Raumangebote zu schaffen. Wir haben daher schon im Entwurf sehr günstige Materialien vorgesehen, um die Einsparungen wieder in Räume bzw. Raumqualitäten zu investieren, die ursprünglich im Nutzungskonzept nicht vorgesehen waren. Schließlich kommt dem Schulraum an sich eine pädagogische Bedeutung zu.“ Neben der Sanierung der Gebäudehülle galt es, eine Aufstockung und Umstrukturierung des Bestands, eine Überarbeitung des Erschließungskonzepts und eine verbesserte Barrierefreiheit unter einen Hut zu bringen. Die geringe Tragfähigkeit des Bestands und die Anforderung der Umsetzung bei laufendem Betrieb waren weitere Herausforderungen. „Bei Gebäuden wie diesem ist der Holzbau für mich eigentlich keine Wahl, sondern ein Muss. Jede andere Bauweise hätte zu große Eigenlasten für den Bestand mit sich gebracht“, so die Architektin.

Wie in Schwanenstadt wurden auch in Linz für die Gebäudehülle vorgefertigte Fassadenelemente in Holzleichtbauweise mit vor Ort eingebrachter Zellulosedämmung projektiert. Die Aufstockung selbst ist eine Mischung aus Skelettbau und Massivholzelementen, je nach statischen Möglichkeiten, wobei die Dimensionierung auf eine nachträgliche Aufstockung um ein weiteres Geschoss ausgelegt ist. Der Brandabschnitt des Stiegenhauses ist in F90 ausgebildet, alle restlichen Bauteile in F30. Trotzdem konnte der Holzbau aufgrund der schalltechnischen Anforderungen nur in wenigen Teilen sichtbar belassen werden, wie Irene Prieler bedauert. Schließlich war die Intention, den Holzbau sichtbar zu lassen, keine rein ästhetische, sondern mehr noch eine ökologische. Denn um trotz des Kostenkorsetts möglichst ökologisch zu bauen, wurden die Materialien weitgehend unbehandelt eingesetzt. So sind die Holzriegel der Deckenkonstruktion nur geölt, die Stahltüren aus verzinktem Stahlblech und die Fassadenplatten aus Weichfaserplatten hochdrucklaminiert ohne Deckschicht. „In allen Bereichen war es unser Ziel, mit möglichst einfachen Mitteln einen möglichst hohen Standard zu erreichen“, berichtet die Architektin weiter.

Das ist nur durch eine engagierte (und planungsintensive) Kombination von Standardprodukten mit kostengünstigen Bauweisen möglich. Anstelle einer Klimaanlage auf Dauerbetrieb sorgt ein Nachlüftungskonzept mit händisch bedienten Lüftungsflügeln für die Sommertauglichkeit laut önorm, und die Holz-Beton-Verbunddecke aus dreierlei Fertigteilelementen akquiriert nicht nur die notwendigen Speichermassen, sondern sorgt auch für den Schallschutz.

„Grundsätzlich bestärken uns die Erfahrungen dieses Projekts im Einsatz von Holz“, resümiert Irene Prieler, auch wenn sich bei diesem Projekt manche Ansätze während der Bauphase verändert haben. So war es beispielsweise für den Zimmermann effizienter und günstiger, die großformatig geplanten Fassadenelemente erst vor Ort anzubringen und auszublasen. Neben einer gewissenhaften Planung ist also auch während des Prozesses Entwicklungsbereitschaft gefragt. Dass innovative Lösungen wie so oft nur in der intensiven Zusammenarbeit und durch persönliches Engagement aller Projektpartner entstehen, bestätigt auch Hans-Christian Obermayr hinsichtlich des Projektes in Schwanenstadt: „Grundsätzlich ist eine Sanierung immer eine komplexe Angelegenheit. Und indem wir neue Wege gegangen sind, haben wir natürlich viele Erfahrungen gesammelt. Mit all diesem Wissen können wir beim nächsten Projekt die Bauweise noch günstiger und die Bauabwicklung noch effizienter gestalten.“

22. Juli 2009 Gudrun Hausegger
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Jacke wie Mütze

Sanierung eines Einfamilienhauses in Kleinengstingen

Wie aus einem Guss geformt steht es da, das Einfamilienhaus Glück der Architekten Baisch + Fritz aus Tübingen. Unter der homogenen Hülle aus Holz und Ziegeln verbirgt sich jedoch Unerwartetes: ein traditionelles Haus mit Putz und Satteldach aus den 1950er Jahren. Der graue Überzug ist das Ergebnis einer energetischen Komplettsanierung in Holzbauweise.
Was führte die Architekten dazu, dem alten Gebäude eine zweite Haut aus Holz überzustülpen?

Dahinter steht vor allem gestalterischer Wille, denn Bauen in Holz stellt für die beiden Architekten eine zeitgemäße Lösung dar, der sie bei Neubauten gegenüber anderen Materialien gerne den Vorzug geben. „Selbstverständlich waren ökologische Überlegungen und Gründe einer größeren Energieeffizienz bei der Entscheidungsfindung relevant. Vor allem jedoch wollten wir mit dieser Art der Sanierung dem Erscheinungsbild eines neuen Hauses so nah wie möglich kommen“, so Kurt Baisch. Die unorthodoxe Entscheidung war auch Experiment, da das Büro zum ersten Mal in dieser Größenordnung in Holzbauweise sanierte. Das Experiment gelang, nach zwei Jahren (und zwei Heizperioden) im neuen Haus gibt es zufriedene Bewohner und einen bemerkenswert niedrigen Energieverbrauch.
Wie wurden nun die „warme Jacke und Mütze“, wie Baisch die Maßnahme bezeichnet, dem Haus übergezogen?

Die Größe des Eingriffs machte es zunächst notwendig, den Bestand bis in den Rohbauzustand zurückzuführen. Sodann mussten im Bereich der Fassade die Unregelmäßigkeiten des äußeren Mauerwerks (der Spielraum betrug bis zu 3 cm) ausgeglichen werden. Dazu wurde an allen vier Seiten des Hauses eine 10 cm starke horizontale Unterkonstruktion aus Kanthölzern im Abstand von 60 cm angedübelt. Diese dient gleichzeitig als eine erste Dämmebene, in der auch die 9 cm starken Rahmen der dreifach verglasten Fensterelemente auf dem Bestandsmauerwerk montiert sind. Eine Unterspannbahn als Regenschutz schließt die Ebene ab.

Somit war der Bestand aufbereitet und die vorgefertigten, 23 cm starken Holzrahmenelemente (mit herkömmlichem Aufbau aus einer inneren OSB-, einer äußeren DWD-Platte und einer Dämmung dazwischen) konnten auf der Unterkonstruktion angebracht werden. Eine schwarze Fassadenbahn sorgt für die ob der offenen Schalung notwendige Abdunkelung nach innen. Während diese konstruktiven Holzteile aus künstlich getrockneter Fichte und Kiefer gefertigt sind, bekam die Fassade eine Schalung aus witterungsbeständigem Douglasienholz. Gemäß der Ideologie von Baisch + Fritz, Materialien möglichst in ihrem Rohzustand zu verwenden, blieb das Holz unbehandelt.

Die Sanierung des Daches ging in ähnlicher Weise vor sich: Dachvorsprünge wurden begradigt und Gaupen beseitigt, die bestehenden Holzsparren gebürstet und der alte Dachstuhl für seine neue Aufgabe mit Stahlprofilen ertüchtigt. Darauf kamen 29 cm starke Holzbaurahmenelemente, auf jeder Dachseite vier Stück, und eine Lattung, auf der die Abdeckung mit hellgrauen Dachziegeln aufliegt. Durch die rasche Verwitterung des Douglasien-Holzes der Fassade, und somit der farblichen Angleichung an die Dacheindeckung, ist mittlerweile der gewünschte Effekt eines homogen vergrauten Gebäudes eingetreten.

2008 bekam das Haus Glück vom Bund Deutscher Architekten die „Auszeichnung Guter Bauten“ verliehen, die nicht nur den energetischen Mehrwert der neuen „Energiehaut“ würdigt, sondern ebenso die aufgrund der Sanierung verbesserte Wohnqualität, die großzügige Öffnung der ehemaligen Lochfassade und den somit neu gewonnenen Bezug zur Landschaft.

22. Juli 2009 Robert Fabach
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Nachmoderne Thermokratie

Vom offenen Großraum einer industriellen Bäckerei zu polyzentrischen Wärmeinseln – Umbau Niedrigenergiewohnhaus Schmelzhütterstraße

Exkurs
Bleibt der aktuelle Fokus auf Fassaden und thermische Isolation für unser kollektives Unterbewusstsein folgenlos? Reagiert unsere Baukultur nicht auch kompensatorisch auf ein immunologisches Trauma? Auf zu viel Öffentlichkeit, auf zu viel Einsicht und eine Dezentrierung im ungeheuren Außenraum? Dem kategorischen Imperativ zur Öffnung, dieser gestalterischen Generalformel der Moderne, antwortet das nachmoderne Bauen mit neuen polyzentrischen Innenraumbildungen.

Aufwärmphase/ Vorgeschichte
Zwei Gebäude stehen heute auf dem revitalisierten Areal einer ehemaligen Großbäckerei. Ein dreigeschossiger Neubau und ein Betonskelettbau von 1972, bei dem sich Johannes Kaufmann und der Bauträger entschieden, ihn von Anbauten zu befreien und bis auf die Tragstruktur zu entkernen: 22 cm starke Deckenplatten auf Unterzügen und ein etwa 6 mal 7 Meter großer Stützenraster bildeten den Ausgangspunkt für den Neuausbau.

Struktur
Im Erdgeschoss wurden aufgrund der fehlenden Unterkellerung Einstellplätze und Abstellräume untergebracht, in den beiden Obergeschossen insgesamt 14 Wohneinheiten angeordnet. Der große Abstand zur Straße wurde für einen 6 Meter tiefen Anbau genutzt, der, getragen von drei Wandpfeilern, einen tiefen Eingangsbereich überdeckt. Von dort gelangt man zu einem breiten Stiegenhaus, das in die Gebäudemitte eingeschnitten wurde, um die anspruchsvolle Gebäudebreite von 20 bis 25 Metern zu bewältigen. Wohnraumtiefen von bis zu 9 Metern schienen durch die bestehende Raumhöhe von 3,10 Metern noch akzeptabel. Der unmerkliche Wechsel von eingeschnittenen Loggien und großzügigen Fensterelementen zeigt eine elegante und unverdächtige Architektur, die aber unter der weiß verputzten Oberfläche eine überraschende konstruktive Lösung verbirgt: Alle Fassadenteile wurden als vorgefertigte Hohlkastenelemente an die bestehende Tragstruktur montiert. Ihr Aufbau mit 22 cm Mineralwolle, 40 mm Holzfaserplatten und 18 mm osb plus Gipskarton funktioniert als Putzträger außen und als Dampfbremse innen. Dieses Prinzip bewährte sich mit Dreifachverglasungen und einer luftdichten und wärmebrückenfreien Außenhaut als leistungsfähige Außenwandkonstruktion mit hohem Vorfertigungsgrad und raumsparenden Wandstärken von nicht einmal 30 cm.

Industriebauten als Zukunftsmarkt für den Holzbau
Historische Industriebauten sind hinsichtlich ihrer Tragfähigkeit oft problematisch. Der Einbau von massiven Bauteilen, Aufstockungen und Deckendurchbrüche führen die alte Tragstruktur – insbesondere die Deckenplatten – rasch an ihre Grenzen. Hier bewährt sich der Holzbau. Selbsttragende Brüstungs- und Sturzelemente aus Holzwerkstoffen belasten nicht die Deckenplatten im Randbereich, sondern bringen ihre Lasten direkt in die Stahlbetonstützen ein.

Schnittstellen in der Mischbauweise brauchen Baukultur
Die Kombination von Holzbau mit massiven Strukturen findet bei Puristen mitunter wenig Gefallen, überzeugt jedoch als Qualitätslösung bei Wand- und Außenwandelementen und ist wirtschaftlich absolut konkurrenzfähig. Bei Deckenelementen ist der Massivbau hinsichtlich Kosten und Bauakustik überlegen, sofern Bauzeit und Eigengewicht keine Rolle spielen. Die Kombination zweier Gewerke erzeugt aber Schnittstellen im Ablauf und braucht unbestritten mehr Aufmerksamkeit. Der Wohnbau in der Schmelzhütterstraße konnte problemlos abgewickelt werden, da die Annäherung von Holz- und Massivbau in Vorarlberg weit fortgeschritten ist. Bauträger oder -unternehmen führen oft eigene Holzbauabteilungen, Zimmereien treten in kleinerem Maßstab als Generalunternehmer auf und kooperieren regelmäßig mit Baumeistern.

Schutz bei der Montage
Verfügbarkeit und Ausgereiftheit der Hohlkastenelemente sind gesichert. Die Materialwahl wird durch die Erfordernisse der Bauphysik und das Angebot an Holzwerkstoffplatten bestimmt. Schwieriger wird es beim Einbau. Oberflächenschutz und regensichere Montage stellen oft eine Herausforderung dar. Während beim Massivbau der Witterungsschutz erst nach dem Fenstereinbau zum Thema wird, müssen Holzelemente gegen dauerhafte Beregnung oder stehendes Wasser geschützt werden. Darin sieht Johannes Kaufmann noch Entwicklungspotenzial. So könnten Sichtoberflächen aus Holz bereits ab Werk mit Schutzschichten versehen werden, um den Einbaubedingungen auf Großbaustellen und bei Mischbauweisen gerecht zu werden.

Holzbau erleichtern und vermitteln
Nachholbedarf ortet er auch bei den Standardisierungen im Holzbau, um Planungsaufwand und Arbeitsvorbereitung zu verringern. Unwägbarkeiten und ein Mangel an Erfahrung schrecken manche ab. Hier sollte sich die gesamte Branche stärker an den Endkunden wenden. Aber auch in der Ausbildung müssten mehr Grundwissen und Fachkenntnisse vermittelt werden, sodass der Umgang mit dem Baustoff Holz noch selbstverständlicher wird.

22. Juli 2009 Karin Tschavgova
zuschnitt

Dichte Packung

Sanierung Dieselweg in Graz

Würde man schon jetzt Wetten auf das Wort des Jahres abschließen, dann hätte man mit dem Begriff „thermische Sanierung“ sicherlich gute Chancen auf Erfolg. Alle Welt spricht davon, denn thermische Sanierung bedeutet nicht nur die Verringerung des Energieverbrauchs und der Energiekosten, sondern auch, den CO2-Ausstoß zu senken, Bauindustrie und Bauwirtschaft zu fördern und die Geschäfte der Banken wieder anzukurbeln. Formale Qualität und funktionale Schönheit – kurz gesagt: Architektur – werden dabei selten thematisiert. Dabei würden mit dem Anspruch auf architektonische Qualität thermischer Sanierungen viele gesichtslose Wohnblöcke in Quartieren aus den 1960er und 1970er Jahren nicht nur verbessert, sondern auch verschönert werden. Ein Sanierungskonzept, das ökologisch und ästhetisch wirksam wird, ist das Fassadensystem „gap solution“. 2006 wurde es mit dem Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit ausgezeichnet.

Die Umwandlung von schlecht isolierten Sozialbauten in Wohnbauten mit Passivhausniveau mittels gap-solution-Fassade kann an der Siedlung am Dieselweg in Graz-Liebenau prototypisch studiert werden. Eine um 1950 errichtete Zeile im Stil der Wiener Zwischenkriegswohnhöfe und fünf Blöcke aus den 1970er Jahren gruppieren sich mit großzügigem Abstand voneinander in einem mittlerweile zum Park angewachsenen Grünareal.

Das System setzt sich aus zur Gänze in der Werkstatt vorgefertigten Elementen in Pfosten-Riegel-Bauweise zusammen, die geschossweise auf die bestehenden Fassaden montiert werden. Die bis zur Sanierung in jeder Wohnung individuell gelöste, unzeitgemäße Wärmeversorgung mit Einzelöfen wurde durch eine zentrale Anlage ersetzt. Über ein Verteilungsnetz von Rohren, die an der bestehenden Fassade montiert sind und über eine Solaranlage in Kombination mit einem Pufferspeicher gespeist werden, wird die Wand als Bauteil, ähnlich einer Fußbodenheizung, aktiviert, die Wohnungen werden mit Strahlungswärme und Warmwasser versorgt. Stemmarbeiten in den Wohnungen sind so vermeidbar und Radiatoren obsolet. Der Aufbau der Wandelemente ist mehrschalig. Zwischen der Rahmenkonstruktion mit der Dämmung in berechneter Stärke und den Glasplatten, die die äußerste, regenabweisende Hülle bilden, ist hinter der Hinterlüftungsebene eine Wabenkonstruktion aus Karton angebracht, die je nach Jahreszeit unterschiedlich als klimaregelnde Zone fungieren soll. Die Sonnenstrahlen der niedrig stehenden Wintersonne sollen tief in die Wabe eindringen und sie erwärmen, während nach Kalkül des Erfinders im Sommer ein großer Teil der Einstrahlung reflektiert wird und die Wabe sich selbst verschattet. Die Wabe soll also in der warmen Jahreszeit als Puffer dienen und in der kalten einen zusätzlichen Dämmeffekt bewirken.

Die fotogrammetrische Vermessung der Fassaden ermöglicht es, die Elemente passgenau herzustellen und sie komplett mit Dämmung, außenbündigen Fenstern und der wartungsarmen Außenhaut aus farbigem Glas zu versetzen. Die Mieter können während der ganzen Umbauzeit mit nur minimaler Beeinträchtigung in der Anlage wohnen bleiben. Erst nach der Montage betreten Handwerker ihre Wohnungen – die alten Fenster müssen entfernt, die Leibungen neu verkleidet werden.

Das vom Land Steiermark und von der eu geförderte Musterprojekt muss Passivhausstandard erreichen. Daher wurden dreifach verglaste Fenster eingebaut und eine Wohnraumbelüftung über dezentrale Lüftungsgeräte gewählt, die den Wärmeverlust durch Lüften vermeiden sollen. Frischluft wird über Lüftungsschlitze in den neuen Wandelementen angesaugt. Das bauphysikalische Problem der Kälteübertragung über die Deckenplatten der Balkone, die bei der Beschränkung auf eine Fassadendämmung nicht verhindert werden könnte, wird gelöst, indem alle offenen Balkone und Loggien in ganzjährig nutzbare, rundum gedämmte Veranden in Riegelbauweise verwandelt werden. Diese erweitern die Nutzbarkeit der Wohnungen, was zur Erhöhung der Wohnqualität beiträgt.

Alle Maßnahmen gemeinsam sollen nach Berechnungen den Heizenergiebedarf um 90 Prozent und die Warmwasserkosten auf ein Viertel der früheren Kosten senken. Verringert wird naturgemäß auch der CO2-Ausstoß (um 89 %), was wiederum dazu beiträgt, der Österreich bis 2014 auferlegten Energieeinschränkung näherzukommen. Die Kosten dieses Systems sind höher als die herkömmlicher Außenwanddämmungen mit Dämmplatten und Vollwärmeschutz. Trotzdem wird das Beispiel wohl Schule machen, denn es hat alle Vorteile witterungsunabhängiger Vorfertigung, ist wartungsarm und veredelt die gesichtslosen Bauten einer auf Utilität beschränkten Nachkriegsmoderne.

Bauwerk